Wahrgenommenes Einkommensminus etwas verringert
"Nach den zahlreichen Krisen der letzten Jahre hat sich die Stimmung der Menschen in Österreich zum Jahresende 2023 etwas aufgehellt", befand der Generaldirektor der Statistik Austria, Tobias Thomas. Die wahrgenommenen Einkommensverluste seien rückläufig, sowohl im Vergleich zum Jahresende 2022 als auch zum dritten Quartal 2023. Zudem würden immer mehr Menschen eine Verbesserung ihrer finanziellen Lage erwarten. 22 Prozent rechneten demnach mit steigenden Einkommen. Ende 2022 waren es nur 17 Prozent gewesen.
Die Daten zur Ernährungsarmut wurden laut Statistik Austria erstmalig erhoben. 29 Prozent gaben an, dass sich ihr Haushalt zwar ausreichend, aber nicht immer die gewünschten Lebensmittel kaufen kann. Für rund drei Prozent war die Situation dramatischer: Die Betroffenen konnten sich in den vergangenen Monaten oft oder zumindest manchmal nicht genügend zu essen leisten.
Wohn- und Energiekosten machten ebenfalls zu schaffen. Sie stellten für rund 20 Prozent eine schwere finanzielle Belastung dar, wobei sich laut Statistik Austria zumindest eine leichte Entspannung im Vergleich zum Vorjahr zeigte. 17 Prozent der 18- bis 74-Jährigen erwarteten in den kommenden drei Monaten Zahlungsschwierigkeiten bei Wohnkosten wie Miete, Wohnkredit, Wohnnebenkosten oder Betriebskosten. Dieser Anteil ist seit dem Vorjahr zurückgegangen und hat sich seit dem Vorquartal stabilisiert.
Weiterhin wird die hohe Inflation als wichtigste Ursache für die wahrgenommenen Einkommensverluste genannt. Der Anteil der Bevölkerung, der Schwierigkeiten hatte, mit dem laufenden Einkommen auszukommen, ist im vierten Quartal 2023 mit rund 16 Prozent stabil geblieben.
Die bereits neunte unter dem Titel "So geht's uns heute" firmierende Datenerhebung fand im November und Dezember 2023 statt. Rund 3.200 Personen zwischen 18 und 74 Jahren haben daran teilgenommen.
Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) zeigte sich in einer der APA übermittelten Reaktion zufrieden. Praktisch alle Parameter würden seit dem Höhepunkt der Inflation vor gut einem Jahr eine konstant positive Entwicklung zeigen. Die Zahl der Menschen mit Einkommensverlusten sei deutlich gesunken, die Zukunftserwartungen hätten sich verbessert und die Belastungen durch Wohnkosten seien geringer geworden.
"Die Auswirkungen der hohen Inflation sind für viele Menschen nach wie vor eine große Herausforderung. Doch in allen wichtigen Punkten zeigt sich: Die umfassenden Maßnahmen der Bundesregierung wirken. Die Entwicklung ist insgesamt positiv", konstatierte Rauch.
Das Netzwerk Armutskonferenz konstatierte ebenfalls eine Aufhellung in den Erwartungen, hob jedoch hervor, dass etwa die Ernährungsarmut in bestimmen Bevölkerungsgruppen bedrückend bleibe. In vier Prozent der österreichischen Haushalte ist mindestens eine Person in den letzten drei Monaten hungrig gewesen, bei Alleinerziehenden hat der Anteil sogar 6,4 Prozent oder in Arbeitslosenhaushalten 8,5 Prozent betragen, verwies das Netzwerk auf weitere Zahlen aus der Befragung.
Auch bei der Wohnkostenbelastung seien Personen mit geringem Einkommen betroffen. Das weise auf die Herausforderungen im österreichischen Sozialstaat hin, es bestehe Handlungsbedarf bei leistbarem Wohnen, Existenzsicherung in Sozialhilfe und Arbeitslosenleistungen, Energiekosten und warmer Mahlzeit in der Schule. So sei etwa eine verbesserte Wohnbeihilfe mit einer neuen Mindestsicherung statt der "schlechten Sozialhilfe" umzusetzen, forderte das Netzwerk Armutskonferenz.
Die Ernährungsarmut erachtet auch der Sozialminister als äußerst problematisch, wie er betonte. "Dass Menschen in einem reichen Land wie Österreich hungrig bleiben, ist für mich völlig inakzeptabel", versicherte Rauch. Wesentlichen Anteil daran habe die Reform der Sozialhilfe unter der türkis-blauen Bundesregierung im Jahr 2019. Bis heute würden vor allem in schwarz-blau regierten Bundesländern nicht einmal die bestehenden Möglichkeiten genützt, um Menschen in Armut mit dem Nötigsten zu versorgen, kritisierte er.
"Die nächste Bundesregierung wird das soziale Netz grundlegend neu gestalten müssen. Wichtigstes Instrument ist dabei sicher eine Kindergrundsicherung, damit kein Kind in Armut aufwächst", zeigte sich Rauch überzeugt.
Ernährungsarmut sei kein Mythos, sondern bittere Realität, beklagte auch die Volkshilfe. Deren Präsident Ewald Sacher sprach in einer Aussendung von "erschreckenden Ergebnissen". Die drei Prozent, die sich in den vergangenen Monaten mitunter nicht genug zu essen leisten konnten, seien 176.000 Menschen: "Die Erfahrungen in unseren Sozialmärkten bestätigen diese Umfrageergebnisse."
Caritas-Österreich-Generalsekretärin Anna Parr urgierte angesichts der hohen Wohnkostenbelastung und Ernährungsarmut strukturelle Verbesserungen bei Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Ausgleichszulage. Diese müssten auf Höhe der Armutsgefährdungsschwelle gehoben werden, forderte Parr laut Kathpress.
Mit den heute präsentierten Zahlen könne man keinesfalls zufrieden sein, immerhin müsste etwa mehr als ein Viertel der Österreicherinnen und Österreicher mit Einkommensverlusten kämpfen, hielt SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch fest. "Bei all diesen Problemen hat die SPÖ rasch umsetzbare Sofortlösungen." Die Regierung setze auf Zeit und leere Versprechen. Der SPÖ-Sozialsprecher bekräftige die Forderung nach einem Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs.
Dass 28 Prozent der Befragten angegeben haben, Einkommensverluste erlitten zu haben, ist für die FPÖ ein hausgemachtes Problem. Man müsse sich bei ÖVP und Grünen "bedanken", meinte die blaue Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch: "Fast die Hälfte der Betroffenen müssen bei den Ausgaben für Essen und Kleidung sparen, was ÖVP-Kanzler (Karl, Anm.) Nehammer für diese geplagten Menschen überhat, ist bekannt: Spott und Hohn."
Zusammenfassung
- 28 Prozent der Österreicher haben im letzten Jahr Einkommensverluste erlebt, ein Rückgang um 7 Prozentpunkte im Jahresvergleich.
- Fast ein Drittel der Bevölkerung kann sich nicht immer die gewünschten Lebensmittel leisten, 3 Prozent sind von Ernährungsarmut betroffen.
- Trotz einer leichten Entspannung bei den Wohn- und Energiekosten erwarten 17 Prozent Zahlungsschwierigkeiten, während die Inflation weiterhin eine Herausforderung darstellt.