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Von der Leyen: Ukraine erfüllt Bedingungen für EU-Beitritt zu 90 Prozent

Die Ukraine erfüllt die Voraussetzungen für EU-Beitrittsverhandlungen laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fast vollständig.

"Sie haben bereits deutlich über 90 Prozent des Wegs hinter sich", sagte von der Leyen am Samstag bei ihrem Ukraine-Besuch in einer Rede vor Parlamentsabgeordneten in Kiew. Es seien bereits viel größere Fortschritte gemacht worden, als von einem Land im Krieg erwartet werden könnte. Zudem kündigte sie neue Strafmaßnahmen gegen Russland an.

Die Ukraine vollziehe tiefgreifende Reformen. Eine noch stärkere Korruptionsbekämpfung, neue Gesetze über Lobbytätigkeiten, strengere Vorschriften über Angaben zu Vermögenswerten seien aber Maßnahmen, die unentbehrlich seien, sagte von der Leyen.

Am Mittwoch werden Berichte vorgelegt

Am kommenden Mittwoch will die EU-Kommissionspräsidentin Berichte zu den Reformfortschritten der Ukraine vorlegen. Auf deren Grundlage wollen dann im Dezember die europäischen Staats- und Regierungschefs eine Entscheidung über den möglichen Start von EU-Beitrittsverhandlungen treffen. Die Ukraine ist seit vergangenem Sommer bereits offiziell Beitrittskandidat.

Den Beginn der Verhandlungen müssen die 27 EU-Staaten allerdings noch einstimmig beschließen. Ein positives Votum soll es dann geben, wenn die Ukraine sieben Voraussetzungen erfüllt hat. Bei diesen geht es etwa um das Auswahlverfahren ukrainischer Verfassungsrichter und eine stärkere Korruptionsbekämpfung - insbesondere auf hoher Ebene. Die EU fordert zudem, dass Standards im Kampf gegen Geldwäsche eingehalten werden und ein Gesetz gegen den übermäßigen Einfluss von Oligarchen umgesetzt wird.

"Sie führen einen existenziellen Krieg"

"Sie führen einen existenziellen Krieg, und gleichzeitig sind Sie dabei, Ihr Land tiefgreifend zu reformieren", sagte Von der Leyen mit Blick auf den Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Die Ukraine habe viele Etappenziele auf dem Weg zu dem von Kiew angestrebten Beitritt zur Europäischen Union erreicht. Von der Leyen nannte die Reform des Justizsystems, die Eindämmung des Einflusses der Oligarchen und die Bekämpfung der Geldwäsche. "Dies ist das Ergebnis harter Arbeit, und ich weiß, dass Sie dabei sind, die noch ausstehenden Reformen zu vollenden."

Zudem erklärte von der Leyen, die EU werde kommende Woche neue Strafmaßnahmen gegen Russland bekannt geben. Die Sanktionen umfassten unter anderem neue Einfuhr- und Ausfuhrverbote, eine schärfere Ölpreisobergrenze und Maßnahmen gegen Unternehmen aus Drittländern. Zu lange hätten viele in Europa gedacht, dass man mit Russland Handel treiben und das Land in die europäische Sicherheitsordnung integrieren könne, sagte von der Leyen bei einer Rede im ukrainischen Parlament, der Obersten Rada.

Handel mit Diamanten soll eingeschränkt werden

Wie mehrere ranghohe EU-Beamte Mitte vergangener Woche schon berichtet hatten, gibt es etwa Pläne, den Handel mit Diamanten aus Russland zu beschränken. Zudem könnte es auch ein Importverbot für Aluminium sowie Exportbeschränkungen für weitere Güter geben, die sich nicht nur zivil, sondern auch militärisch nutzen lassen. So entdeckten die Ukrainer in russischen Raketen manchmal auch Mikrochips, die normalerweise in Kühlschränken verbaut seien.

Schon länger gibt es zahlreiche Strafmaßnahmen gegen Russland wegen dessen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Darunter sind etwa ein weitreichendes Einfuhrverbot für Rohöl, Kohle, Stahl, Gold und Luxusgüter sowie Strafmaßnahmen gegen Banken und Finanzinstitute.

Selenskyj sieht "historischen Moment"

Von der Leyen war Samstag früh zu ihrem sechsten Besuch in der Ukraine seit dem russischen Angriff vor gut 20 Monaten eingetroffen. Selenskyj sagte, der Besuch finde in einem "historischen Moment" statt. "Diese Entscheidung wird nicht nur für die Ukraine, sondern auch für ganz Europa eine Schlüsselrolle in der Geschichte spielen." Russland will nach den Worten Selenskyjs durch den Gaza-Krieg den Fokus von der Ukraine nehmen.

Es sei klar, dass der Krieg im Nahen Osten in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücke, sagte er am Samstag in Kiew. Das sei eines der Ziele Russlands. "Sie haben verstanden, dass sich der Fokus von der Ukraine weg verlagern würde", so der Staatschef bei dem Besuch von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen in der ukrainischen Hauptstadt.

Er sei sich jedoch sicher, dass die Ukraine diese Herausforderung meistern werde. Man habe schon sehr schwierige Situationen erlebt, in denen die Ukraine nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden habe. "Aber wir haben es geschafft, mit dieser Situation fertig zu werden", sagte Selenskyj.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Ukraine erfüllt die Voraussetzungen für EU-Beitrittsverhandlungen laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fast vollständig.
  • "Sie haben bereits deutlich über 90 Prozent des Wegs hinter sich", sagte von der Leyen am Samstag bei ihrem Ukraine-Besuch in einer Rede vor Parlamentsabgeordneten in Kiew.
  • Es seien bereits viel größere Fortschritte gemacht worden, als von einem Land im Krieg erwartet werden könnte.
  • Zudem kündigte sie neue Strafmaßnahmen gegen Russland an.