Van der Bellen beklagt Mangel an Instrumenten gegen Putin
Abgesehen vom Krieg Russlands gegen sein "Opfer Ukraine, schürt er (Putin) Hass in seinem eigenen Land gegen den Westen und er versucht in unseren Ländern, unsere demokratischen, liberalen Gesellschaften mit Desinformation zu destabilisieren. Und wie sich zeigt, sind wir nicht immun gegen diese Bedrohungen. Wir haben nicht genug Werkzeuge diesen Lügen und Verdrehungen, die unsere Gesellschaft unter anderem auf den Sozialen Medien überfluten, etwas entgegen zu setzen", sagte der Bundespräsident vor den versammelten Diplomaten. Ein Tauziehen um den Geist von Menschen und Regierungen scheine begonnen zu haben.
Angesichts andauernder Krisen, wie der Klimakatastrophe und der Eskalation im Nahost-Konflikt, sowie einer "neuen Weltordnung", die sich herausbilde, sprach Van der Bellen allgemein von "interessanten Zeiten - ein Begriff, (...) der nicht positiv gemeint" sei. "Die Spaltung innerhalb unserer Gesellschaften und in den internationalen Beziehungen vertieft sich."
Fatalismus sei freilich keine Lösung, betonte Van der Bellen. "Wir brauchen Hoffnung und Entschlossenheit." Und außerdem: "Wir brauchen Partnerschaften, Multilateralismus - die Europäische Union und die Vereinten Nationen - und wir brauchen Diplomatie." Daher bewerbe sich Österreich auch erneut für einen nicht-ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat - für die Periode 2027/28, bemerkte das Staatsoberhaupt.
Hier schlug der Bundespräsident auch die Brücke zur Rückkehr von Donald Trump ins Amt des US-Präsidenten Anfang der Woche: Noch sei unklar, wie sich die Entscheidungen der neuen Regierung in Washington auf andere Länder, den Multilateralismus, die Weltwirtschaft und den Klimaschutz auswirken werden. Klar sei aber, dass das lang gewachsene, blühende transatlantische Verhältnis eine "wichtige Säule der österreichischen und der europäischen Politik bleibt". Er vertraue auf den Bestand der Allianz auf Basis von Respekt, gutem Willen und geteilten Werten.
Stabile Regierung und Achtung der Verfassung
Auch zur österreichischen Innenpolitik äußerte sich Van der Bellen und erläuterte den Botschaftern und Botschafterinnen sein Vorgehen bei der Regierungsbildung. "Wie Sie wissen, habe ich die Entscheidung nicht leicht genommen, die FPÖ mit der Regierungsbildung zu beauftragen", so Van der Bellen. Nach dem Scheitern der Dreiergespräche von ÖVP, SPÖ und Grünen und dem Rückzug von Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer habe sich ein neues Bild ergeben - "eines, bei dem die Stimmen in der Volkspartei, die früher eine Kooperation mit der FPÖ unter Herrn Kickl ausgeschlossen hatten, viel stiller geworden sind".
Das habe einen neuen Weg eröffnet, der zuvor nicht da gewesen sei. "Mein Ziel muss es sein, eine stabile Regierung für die Republik Österreich zu haben." Wie die Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP auch ausgehen, "ich werde weiterhin sicherstellen, dass die Prinzipien und Regeln unserer Verfassung korrekt beachtet und eingehalten werden. Das ist meine Aufgabe als Bundespräsident (...)", betonte Van der Bellen. Bereits zuvor in seiner Rede hatte er betont, dass Österreich ein stabiler Partner in der Europäischen Union bleiben müsse und bleibe.
Russischer Botschafter wegen Ukraine-Krieg nicht eingeladen
Der Bundespräsident bittet das Diplomatische Corps traditionell im Jänner zum Neujahrsempfang. Für einen kurzen Lacher sorgte Van der Bellen, als er die Anwesenden in seinen "bescheidenen, kaiserlichen Amtsräumen" willkommen hieß. 189 Auslandsvertreter waren heuer eingeladen; tatsächlich erschienen 125 von ihnen. Der russische Botschafter Dmitri Ljubinski war nicht eingeladen.
Die einleitenden Worte mit Neujahrswünschen überbrachte der Nuntius von Papst Franziskus, Erzbischof Pedro López Quintana, als Doyen des Diplomatischen Corps. Der Botschafter des Heiligen Stuhls in Wien hoffte in seiner kurzen Ansprache bezüglich Waffenruhe im Nahost-Krieg zwischen Israel und der militanten Palästinenserorganisation Hamas auf die Freilassung aller Geiseln und mehr humanitäre Hilfe für die Bevölkerung des Gazastreifens. Gegen den Klimawandel müsse mehr getan werden, forderte López Quintana.
Beide diese Themen sprach danach auch Van der Bellen mit ähnlichem Tenor an: Viel zu viele Menschen seien seit der neuen Eskalation im Nahen Osten umgekommen. Es müsse ein Weg für ein friedliches und vertrauensvolles Zusammenleben "Seite an Seite" in der Region gefunden werden. "Es muss eine Lösung geben." Während der Klimawandel immer zerstörerischere Auswirkungen habe und zu wenig dagegen unternommen werde, schnitten Parteien, für die der Kampf gegen die Klimakrise zentral sei, bei Wahlen schlecht ab, bemerkte der Bundespräsident.
Zusammenfassung
- Bundespräsident Van der Bellen kritisiert Wladimir Putin für die Destabilisierung der Demokratie durch Desinformation und sieht einen Mangel an effektiven Gegenmaßnahmen.
- Beim Neujahrsempfang in der Hofburg waren 189 Auslandsvertreter eingeladen, von denen 125 erschienen sind; der russische Botschafter blieb unberücksichtigt.
- Österreich strebt einen nicht-ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat für die Periode 2027/28 an, um die internationale Diplomatie zu stärken.
- Van der Bellen betont die Notwendigkeit von Hoffnung, Entschlossenheit und Multilateralismus angesichts globaler Krisen wie dem Klimawandel und dem Nahost-Konflikt.
- In der Innenpolitik strebt Van der Bellen eine stabile Regierung an und betont die Wichtigkeit der Verfassungsprinzipien.