Warum nur Biden die Demokraten noch retten kann
Positiv formuliert könnte man Joe Biden eine Menge Erfahrung zuschreiben. Als er 1973 erstmals in den US-Senat gewählt wurde, saß in Österreich gerade Bruno Kreisky im Bundeskanzleramt. Auch "The Dark Side of the Moon" von Pink Floyd kam im selben Jahr heraus.
Der inzwischen 81-Jährige will im November noch einmal US-Präsident werden, er wäre nach seiner zweiten Amtszeit 86. Und schon jetzt werden die Zweifel an seiner geistigen Fitness immer größer.
Schon im ersten TV-Duell gegen Donald Trump machte Biden eine schlechte Figur, am Donnerstag lieferte er sich einen weiteren Aussetzer. Bei einer Pressekonferenz stellte er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als "Präsident Putin" vor.
Video: Aussetzer - Biden stellt Selenskyj als Putin vor
Warum Biden nicht so einfach zu ersetzen ist
Warum ziehen die Demokraten nicht einfach die Reißleine und schicken jemand anderen ins Rennen um das Weiße Haus? Einerseits, weil es niemanden gibt, dem Meinungsforscher in den Umfragen mehr Chancen gegen Trump ausrechnen. Andererseits, weil das Nominierungssystem von Kandidaten in den USA kompliziert ist - und Biden seinen Sitz eigentlich nahezu sicher hat.
Die beiden Parteien in den USA wählen ihre Kandidaten auf einem Parteitag. Um dort Streitereien zu vermeiden, werden Vorwahlen und Caucuses (Mitgliederversammlungen) in den einzelnen Bundesstaaten abgehalten. Von dort werden dann Delegierte zum Parteitag entsandt, die dann entsprechend dem Wahlergebnis abstimmen (auch wenn sie das in der Theorie nicht müssen). Nach dem ersten Wahlgang wären sie dann allerdings nicht mehr gebunden.
Wie Biden nicht Kandidat werden könnte
Die einfachste und am ehesten realistische Lösung wäre daher, dass Biden von selbst auf seine Kandidatur verzichtet. Dazu gibt es aus dem demokratischen Lager immer mehr Aufrufe, etwa von Großspender George Clooney oder Politik-Größe Nancy Pelosi. Er selbst zeigte sich aber kämpferisch. Nur Gott könne ihn umstimmen, sagte er in einem TV-Interview nach seinem verpatzten Duell.
Sollte er selbst weitermachen wollen, wären die Delegierten am Zug. Die Vorwahlen fanden aber schon zwischen Jänner und Juni statt. Sieger war - praktisch unangefochten - Joe Biden. Von den 3.946 Delegierten kommt Biden auf 98,7 Prozent. Nur vier Delegierte konnte Gegenkandidat Dean Phillips holen. Der setzte seine Kandidatur allerdings schon vor Monaten aus.
Um als Kandidat gewählt zu werden, braucht Biden eine einfache Mehrheit. Also müssten im ersten Wahlgang fast 2.000 Delegierte, die eigentlich Biden ihre Stimme geben müssten, anders wählen. Dann wäre im zweiten Wahlgang wieder alles offen.
Nächstes Problem: Fristen und Parteitag
Für die Demokraten offenbart sich ein weiteres Problem. In einigen Bundesstaaten muss der Präsidentschaftskandidat schon bekanntgegeben werden, bevor der Parteitag von 19. bis 22. August überhaupt zu Ende ist. In Ohio gelang es den Demokraten, die Deadline nach hinten zu schieben. Der Bundesstaat gilt als einer den zentralen "Swing States", der über Sieg oder Niederlage entscheiden könnte.
In den Bundesstaaten Alabama, Montana, South Dakota, Oklahoma und Arkansas muss der Kandidat während des Parteitags bekannt gegeben werden. Die wären aber noch zu verschmerzen, weil dort die Republikaner ohnehin die vergangenen vier Wahlen gewonnen haben.
Allerdings gibt es Möglichkeiten, den offiziellen Kandidaten nachträglich zu nennen. Dasselbe gilt für Kalifornien, dem Bundesstaat mit den meisten Wahlleuten, der fest in demokratischer Hand ist.
Zusammenfassung
- US-Präsident Joe Biden liefert seinen Kritikern einen Grund nach dem anderen, warum er nicht noch einmal kandidieren sollte.
- Doch wenn er selbst keinen Rückzieher macht, ist es für die Demokraten praktisch unmöglich, ihn zu ersetzen.
- Das liegt einerseits an den Umfragen, andererseits am Nominierungssystem der Kandidaten in den USA.
- Wenn Biden nicht selbst einen Rückzieher macht, ist seine Kandidatur praktisch fix.