Ukraine meldet erste Erfolge, aber "seriöse Beurteilung schwierig"
Der ukrainische Generalstab verkündet nach langem Stillschweigen vergangene Woche erstmals Erfolgsmeldungen rund um seine lange vorbereitete Gegenoffensive.
Die Ukraine meldet, dass mehrere Dörfer befreit wurden: Die ukrainischen Streitkräfte nahmen nach eigenen Angaben das Dorf Storoschewe im Gebiet Donezk ein. Auch weiter südlich in der Nähe von Awdijwka und Marjinka sei es zu Kämpfen gekommen. Die drei Ortschaften liegen in der ostukrainischen Oblast Donezk. Auch bei Bilohoriwka in der Oblast Luhansk hätten sich ukrainische und russische Einheiten Gefechte geliefert.
"Seriöse Beurteilung im Moment schwierig"
Unabhängig überprüfen lassen sich solche Mitteilungen über das Kampfgeschehen nicht. Auch Militärexperte Gerald Karner meint im PULS 24 Interview: "Eine seriöse Beurteilung ist deswegen im Moment so schwierig, weil die Ukraine de facto eine Nachrichtensperre verhängt hat." Man könne nur "die ein oder andere interne Quelle nutzen, um zu Informationen zu kommen, die sich aber teilweise auch widersprechen", so der Militärexperte.
Karner: "Es handelt sich um eine erste Phase"
Militärexperte Gerald Karner analysiert die Gegenoffensive der Ukraine.
Karner geht in jedem Fall davon aus, dass es sich vor allem um eine "erste oder Vorphase" der Offensive zum Austesten der russischen Linien handelt. Die gemeldeten Geländegewinne der Ukraine belaufen sich auf nur wenige Kilometer tiefe Vorstöße in russische Linien. Die Meldungen über befreite Dörfer seien daher noch nicht aussagekräftig für einen etwaigen Erfolg.
"Man ist damit etwa bei der ersten Verteidigungslinie der Russen angelangt", meint Karner. Die erwähnten Ortschaften seien von den russischen Truppen wahrscheinlich recht bald aufgegeben worden, sobald diese befürchten mussten, dort eingekesselt zu werden.
Aktuell greife die Ukraine auf breiter Front an, um Schwachstellen in den russischen Linien zu identifizieren und russische Reserven eventuell bereits zu zum Eingreifen zu verleiten. Erst wenn die Testangriffe Schwachstellen in der Verteidigung ergeben, werde dort dann der wirklich massive Vorstoß kommen.
Einige bekannte russische Militärblogger teilten mit, dass die ukrainischen Streitkräfte zwar die Ortschaften Blahodatne und Neskuchne eingenommen hätten, die Kämpfe um Makariwka jedoch weitergingen. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Freitag erklärt, die Ukraine habe es nicht geschafft, die russische Verteidigung zu durchbrechen.
Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte am Sonntag mitgeteilt, die russischen Truppen hätten mehrere Leopard-2-Kampfpanzer und andere Ausrüstung zerstört, die die Ukraine vom Westen erhalten hatte. So waren auf Fotos auch US-Schützenpanzer vom Typ M2 Bradley zu sehen.
https://twitter.com/RALee85/status/1667191463669628928
Auf anderen Fotos waren zerstörte Entminungspanzer zu sehen.
https://twitter.com/RALee85/status/1668010712076267520
Dieselben Verluste wurden auf prorussischen Telegram-Channels und Social Media allerdings mehrfach aus verschiedenen Perspektiven gezeigt, um die ukrainischen Verluste größer erschienen zu lassen, warnt Karner.
Ukraine fordert F-16-Kampfjets
Die Ukraine hofft auf weitere militärische Unterstützung des Westens und insbesondere auf Kampfjets vom US-Typ F-16. Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow sagte, die Regierung in Kiew wolle Einzelheiten der sogenannten Flugzeugkoalition mit ihren Verbündeten beim nächsten Treffen der Verteidigungskontaktgruppe am 15. Juni in Brüssel besprechen.
"Zu diesem Zeitpunkt sprechen wir über die Ausbildung von Piloten ... und unseren Technikern und Ingenieuren", erklärte er nach Militärangaben. Präsident Wolodymyr Selenskyj dringt seit langem auf die Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen und argumentiert, dies wäre ein sicheres Signal der Welt, dass die russische Invasion mit einer Niederlage enden würde.
Zusammenfassung
- Die Ukraine berichtet von schweren Kämpfen und ersten kleineren Erfolgen im Zuge ihrer Gegenoffensive.
- Unabhängig überprüfen lassen sich solche Mitteilungen über das Kampfgeschehen nicht.
- Auch Militärexperte Gerald Karner meint im PULS 24 Interview: "Eine seriöse Beurteilung ist deswegen im Moment so schwierig, weil die Ukraine de facto eine Nachrichtensperre verhängt hat."
- Die Meldungen über befreite Dörfer seien daher noch nicht aussagekräftig für einen etwaigen Erfolg.
- "Man ist damit etwa bei der ersten Verteidigungslinie der Russen angelangt", meint Karner.
- Aktuell greife die Ukraine auf breiter Front an, um Schwachstellen in den russischen Linien zu identifizieren und russische Reserven eventuell bereits zu zum Eingreifen zu verleiten.