Tichanowskaja wirbt um Österreichs Unterstützung für Belarus
Tichanowskaja warnte in einer Pressekonferenz mit Helmut Brandstätter (NEOS), Martin Engelberg (ÖVP) und Michel Reimon (Grüne): "Belarus wurde von Russland als Geisel genommen." Unter dem Deckmantel des Krieges übernehme Russland die Kontrolle über Belarus und versuche, die belarussische Identität und Staatlichkeit zu zerstören. "Es will unser Volk versklaven." Mehr als 10.000 russische Truppen seien in Belarus stationiert, um die Befehle des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu erfüllen. Deshalb forderte sie den vollständigen Abzug der russischen Truppen nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus Weißrussland. "Ohne ein freies Belarus wird es eine ständige Bedrohung für die Ukraine und Europa."
Brandstätter, Engelberg und Reimon erklärten, dass Österreich den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko nicht anerkenne. Eine Aufgabe der belarussischen Souveränität würde zudem weder vom Nationalrat noch von einer anderen österreichischen Institution anerkannt, ergänzte Engelberg, der auch selbst in Belarus als Wahlbeobachter tätig war. Reimon betonte die Notwendigkeit, Belarus wieder auf die europäische Agenda zu setzen. Tichanowskaja sagte, dass Belarus von der internationalen Gemeinschaft zwar nicht vergessen wurde, aber die Frage nicht vorrangig sei. Die Krisen in der Ukraine und in Belarus sollten gemeinsam gelöst werden.
Tichanowskaja erklärte, eine "internationale Koalition für ein unabhängiges Belarus" bilden zu wollen. Österreich werde ihr Gründungsmitglied werden, zeigte sie sich überzeugt. Brandstätter, der Vorsitzende der bilateralen parlamentarischen Freundschaftsgruppe, erläuterte gegenüber der APA, dass Tichanowskaja Kontakte zu "Vertretern eines freien Belarus", also eine Art geplantem belarussischen Exil-Parlament vorgeschlagen habe. Die österreichischen Abgeordneten wollten diese Kontakte gern aufnehmen.
Tichanowskaja appellierte darüber hinaus an Österreich: "Hören Sie auf, mit staatlichen Unternehmen und Institutionen zusammenzuarbeiten. Dieses Geld finanziert die Folter, die Repression und den Krieg. Unterstützen Sie Lukaschenko nicht, und helfen Sie dem Regime nicht, die Sanktionen zu umgehen."
Und an die Ukraine gewandt betonte sie, dass Belarus an der Seite der Ukraine stehe, dass die ganze Welt zur Ukraine stehe. "Kämpft für euer Land, kämpft für eure Würde und eure Nation. Ihr habt außergewöhnlichen Mut und Einigkeit bewiesen. Und Putin wird niemals gewinnen."
Tichanowskaja war auf Einladung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nach Wien gereist. Sie spricht bei der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und will an einer Solidaritätsaktion für die Ukraine am Stephansplatz teilnehmen. Die Oppositionsführerin war am Donnerstag mit Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zusammengetroffen.
Zadic kritisierte die Unterdrückung, Gewalt und Einschränkungen von kritischer Meinungsäußerung in Belarus scharf und forderte die Freilassung der politischen Gefangenen. Derzeit seien in dem osteuropäischen Land mehr als 1.445 politische Gefangene und 34 Journalisten inhaftiert, 81 Anwälten wurde die Zulassung entzogen, und 1.173 NGOs wurden aufgelöst.
Auch Tichanowskajas Ehemann ist ein politischer Gefangener und mittlerweile seit 1.000 Tagen in Haft. Tichanowskaja selbst war bei der als gefälscht geltenden Präsidentenwahl am 9. August 2020 angetreten. Die Demokratiebewegung sah sie als Wahlgewinnerin an, aber Lukaschenko ließ sich erneut zum Sieger erklären. Monatelange Massenproteste folgten. Das belarussische Regime von Lukaschenko ging äußert restriktiv gegen die Demonstranten vor, zehntausende Menschen wurden festgenommen, zahlreiche starben. Tichanowskaja ging nach Litauen ins Exil. In Minsk findet seit Mitte Jänner ein Prozess gegen sie wegen Hochverrats, Verschwörung zum Sturz der Regierung und Bildung einer extremistischen Organisation statt.
Zusammenfassung
- Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja wirbt in Wien für die Unterstützung der Demokratiebewegung in ihrem Land.
- Tichanowskaja warnte am Jahrestag des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine außerdem vor Plänen des Kreml, Belarus auszulöschen.
- Brandstätter, Engelberg und Reimon erklärten, dass Österreich den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko nicht anerkenne.
- Tichanowskaja ging nach Litauen ins Exil.