Teuerung, Kinderbetreuung und Vollzeit vor Frauentag Thema
Als erster Frauentag gilt der 19. März 1911, zunächst wurde vor allem das Frauenwahlrecht gefordert. 1921 wurde der 8. März als Datum des Internationalen Frauentags festgelegt - an diesem Tag waren im Jahr 1917 Arbeiterinnen, Ehefrauen von Soldaten und Bäuerinnen in Sankt Petersburg gemeinsam auf die Straße gegangen und hatten die Februarrevolution ausgelöst.
Trotz der langen Geschichte des Frauentages kämpfen Frauen weiterhin um Gleichstellung. Eine fortschrittliche Frauenpolitik müsse Frauen schützen und unterstützen, gab sich Frauenring-Vorsitzende Klaudia Frieben bei einer Pressekonferenz vor dem Parlament am Dienstag kämpferisch. Gemeinsam mit Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, forderte sie etwa 250 Millionen Euro jährlich sowie 3.000 Vollzeitarbeitsplätze zur Umsetzung der Istanbul-Konvention gegen Gewalt an Frauen. Frieben will außerdem einen flächendeckenden und kostenfreien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen, Maßnahmen im Kampf gegen Altersarmut mit dem Ziel der Stärkung der Eigenpension, ein Lohntransparenzgesetz mit "echten Sanktionen" sowie einen Rechtsanspruch auf ganztägige und beitragsfreie Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr.
Aber auch die derzeitige Teuerungswelle erschwere das Leben von Frauen - unter ihnen Alleinerzieherinnen, Mindestpensionistinnen und Teilzeitbeschäftigte - und mache besonders ihr Leben "unleistbar", so Frieben. Es brauche deshalb sofortige und nachhaltige Maßnahmen zur Senkung der Inflation für Güter des täglichen Bedarfs, Energie und Mieten. Andrea Czak, Obfrau des Vereins Feministische Alleinerzieherinnen (FEM.A), machte auf die oft prekäre Situation von Alleinerzieherinnen aufmerksam, seien doch fast 70 Prozent von ihnen "massiv armutsgefährdet". Sie forderte eine Unterhaltsgarantie sowie ein Unterhaltsrecht, dass die 2021 veröffentlichte Kinderkostenstudie in den Unterhaltssätzen abbildet.
Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) forderte zum Frauentag einen "Perspektivenwechsel": "Wir müssen Frauen und ihre Lebensrealitäten ernst nehmen und in allen Bereichen Schritte setzen." Zu oft orientiere sich unser Handeln an den Bedürfnissen von Männern. Es brauche etwa einen Ausbau der Kinderbetreuungsplätze, hob er in einer Aussendung hervor. Die Grüne Frauensprecherin Meri Disoski pochte auf verpflichtende Lohntransparenz, zeitgemäße Karenzmodelle und Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung.
Auch die Oppositionsparteien stellten am Dienstag Forderungen zur Frauenpolitik. So mobilisiert die SPÖ für "Halbe-Halbe". Bei einer Pressekonferenz forderten Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner und SPÖ-Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner etwa ein neues Karenz-Modell sowie einen Ausbau der Kinderbetreuungsplätze. Um Vollzeitarbeit zu ermöglichen, brauche es 100.000 neue ganztägige Kinderbetreuungsplätze mit Rechtsanspruch. Dazu sollten 180.000 Ganztagsschulplätze zusätzlich kommen, die Finanzierung müsse der Bund übernehmen, so Rendi-Wagner. Holzleitner pochte indes auf mehr Väterbeteiligung.
Echte Wahlfreiheit für Frauen fordern indes die NEOS: "Jede Frau soll selbst entscheiden können, wie sie ihr Leben leben und wie viel sie arbeiten will. Der Staat muss dafür die Rahmenbedingungen schaffen", sagte NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger in einer Aussendung. Notwendig seien dafür etwa flächendeckend kostenlose Kinderbetreuungsplätze. Auch fordern die Pinken eine partnerschaftliche Aufteilung der Kinderbetreuung und ein verpflichtendes Pensionssplitting. In Niederösterreich regte NEOS-Landessprecherin Indra Collini an, dass Landtagsklubs für weibliche Abgeordnete mehr Geld erhalten sollen und "wir so einen Anreiz schaffen, damit Parteien mehr Frauen aufstellen".
Eine andere Richtung schlägt die FPÖ ein, die sich mit einer Petition gegen den "Genderwahn" wendet. "Durch das Gendern hat sich für keine Frau in Österreich etwas zum Besseren verändert", befand Frauensprecherin Rosa Ecker, die sich bei einer Pressekonferenz für "mehr frauen- und mütterfreundliche Politik" aussprach. In der Petition mit dem Titel "Gegen Gender-Politik in unserer Sprache" wird unter anderem "das Verbot der verpflichtenden Gendersprache in Schulen, Bildungseinrichtungen und Universitäten" gefordert.
Vielerlei Organisationen machten indes auf die Benachteiligung von Frauen in verschiedensten Bereichen aufmerksam. So zeigte der Gemeindebund auf, dass die Anzahl der Bürgermeisterinnen in den letzten Jahren zwar gestiegen ist, immer noch aber nur ein Zehntel der Ortschefs weiblich ist: Aktuell gibt es in Österreich 218 Bürgermeisterinnen, bei 2.093 Gemeinden entspricht das einem Anteil von 10,4 Prozent. Gegenüber dem Vorjahr ist die Zahl der Ortschefinnen um 9 Prozent gestiegen.
Die Volksanwaltschaft machte darauf aufmerksam, dass sich deutlich mehr Männer als Frauen mit Beschwerden über die Verwaltung an sie wenden und rief Frauen dazu auf, vermehrt von ihrem Recht gebrauch zu machen. Für den Rechnungshof stellte Präsidentin Margit Kraker in ihrem Podcast fest, dass das Prüforgan mit seinen Berichten zur Gleichstellung beitragen und auf den "Gender Pay Gap" aufmerksam machen wolle. Das Problem der ungleichen Bezahlung nahm die Bundesjugendvertretung in den Blick und forderte wirksame Sanktionen für Unternehmen. Typische Frauenberufe dürften nicht schlechter bezahlt, Kinderbetreuungsangebote müssten ausgebaut werden.
Die Münze Österreich widmet großen Frauen indes eine Münzserie: Malerin Tina Blau, Schriftstellerin Veza Canetti, Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, Musikerin Hilde Loewe-Flatter und Wissenschafterin Lise Meitner werden auf der 50-Euro-Goldmünzen-Serie "Heimat großer Töchter" geehrt.
Am Frauentag selbst finden in Wien u.a. zwei Demonstrationen statt, aufgrund derer der ÖAMTC vor Verzögerungen in Wien-Ottakring und -Alsergrund ab etwa 17 Uhr warnt.
Zusammenfassung
- Frauen sind in vielen Bereichen des Lebens benachteiligt - darauf machen Organisationen vor dem 112. Frauentag am 8. März aufmerksam.
- Während der Frauenring die Frauenpolitik aus dem "Tiefschlaf" wecken will, fordern die NEOS "echte Wahlfreiheit".
- Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) forderte zum Frauentag einen "Perspektivenwechsel": "Wir müssen Frauen und ihre Lebensrealitäten ernst nehmen und in allen Bereichen Schritte setzen."