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Spenden, Chats, abfällige Sager: Skandale bringen Boris Johnson ins Schwitzen

Der britische Premier Boris Johnson ist politisch unter Beschuss geraten. Neben einem verächtlichen Sager sind es vor allem Privatspenden, die für Spesen verwendet worden sein sollen, die den Premier unter Druck setzen.

Eigentlich wähnte sich der britische Premier Boris Johnson in den vergangenen Monaten wohl im Höhenflug. Die effiziente Impfkampagne in Großbritannien und die dadurch ermöglichten Öffnungen bescherten ihm und der konservativen Tory-Partei hohe Zustimmungswerte, in den Umfragen zog man der Opposition davon. Doch nun gerät Johnson immer mehr unter Beschuss, zuletzt sogar von Parteifreunden.

Chatverlauf mit Unternehmer

Am Anfang der aktuellen Vorwürfe steht ein Chat-Verlauf mit dem Unternehmer James Dyson, die am 20. April von britischen Medien veröffentlicht wurden. Dyson, dessen Unternehmen vor allem Staubsauger herstellt, bot an, Beatmungsgeräte herzustellen. Dafür erwartete er sich aber Steuererleichterungen. "Betrachte es als erledigt", schrieb ihm Johnson daraufhin. Weder Johnson noch Dyson - ein lautstarker Brexit-Befürworter, der seinen Firmensitz dann nach Singapur verlegte - bestritten den Chatverkehr und hielten am Vorgehen fest.

Das Umfeld des Premierministers warf Johnsons ehemaligem engen Berater Dominic Cummungs vor, die Chats geleakt zu haben, um sich für seine Entlassung im November 2020 zu rächen. Cummings bestritt in einer Stellungnahme auf seinem Blog, etwas mit den Enthüllungen zu tun zu haben.

Wesentlich mehr Aufsehen in der britischen Öffentlichkeit erregte ein verächtlicher Sager über Corona-Tote, den Johnson in einer Besprechung geäußert haben soll. Wie die "Daily Mail" am 25. April berichtete, soll Johnson in einer Kabinettssitzung im Oktober 2020 einen weiteren Lockdown kategorisch ausgeschlossen haben, und zwar mit den Worten: "Sollen sich doch die Leichen zu Tausenden in den Straßen türmen."

Großbritannien: Premier Johnson in Bedrängnis

Alina Nahler, UK-Korrespondentin, spricht über die Vorwürfe gegen den britischen Premierminister Boris Johnson.

Ein Sager, der in der Bevölkerung nicht gut ankam, insbesondere da Großbritannien durch seine anfangs nachlässige Corona-Politik die meisten Todesopfer in Europa zu verzeichnen hat. Die Regierung dementiert, dass dieses Zitat so gefallen sei. Mehrere Beteiligte sollen dies britischen Medien aber bestätigt haben, wie UK-Korrespondentin Alina Nahler im PULS 24 Interview berichtet.

Renovierung mit Privatspenden

In den jüngsten Vorwürfen geht es um die Renovierung bzw. Umdekorierung der Dienstwohnung in der weltberühmten Londoner Downing Street. 30.000 Pfund (rund 34.000 Euro) steht jedem Premierminister dafür jährlich zur Verfügung. Die jüngste Renovierung soll unbestätigten Berichten allerdings an die 200.000 Pfund (rund 230.000 Euro) gekostet haben. Die Differenz soll aber nur teilweise aus Johnsons eigener Tasche gekommen sein.

Medienberichten zufolge sollen ein oder mehrere Privatspender dafür aufgekommen sein. Wie aus einer an die Öffentlichkeit gesickerten Mail hervorgeht, erbot sich der Multimillionär David Brownlow, besser bekannt unter seinem Titel Lord Brownlow of Shurlock Row, mindestens 58.000 Pfund - umgerechnet knapp 67.000 Euro - aus eigener Tasche beizusteuern. Das führte nun dazu, dass die Wahlkommission, die für Parteispenden zuständig ist, eine Untersuchung der Geldflüsse gestartet hat. Johnson wies Vorwürfe von illegalen Spendenflüssen zurück. Alles sei korrekt abgelaufen, sagte er.

Spenden für Trainer und Baby-Austattung?

Derweil berichtet etwa der "Mirror", dass Johnson offenbar auch um Privatspenden für Fitnesstrainer und Baby-Ausstattung geworben habe. Der Premier, der zwar als Regierungschef ein Gehalt von 150.000 Pfund (173.000 Euro) sowie hohe Honorare als Starkolumnist bezieht, dürfte finanziell vor allem unter Unterhaltszahlungen an mehrere Ex-Frauen und Kinder leiden.

Zudem wird aus dem Umfeld des Premiers geätzt, dass seine aktuelle Verlobte Carrie Symonds, mit der er einen einjährigen Sohn hat, einen höchst kostspieligen Geschmack habe, der sich schon in den Renovierungskosten der Dienstwohnung niedergeschlagen habe. Ein Vertrauter sagte der "Sunday Times" etwa, Johnson könne es "sich nicht leisten, Premierminister zu sein".

Erste kritische Stimmen aus der eigenen Partei

Die Häufung von Skandalen schlägt sich in den Umfragen nieder und machte das Wohlwollen der Briten nach der gelungenen Impf-Kampagne wieder zunichte. Johnsons Vertrauter, der Außenminister Dominic Raab, bezeichnete die Berichte als "Klatsch und Tratsch" ohne faktische Basis.

Besonders die Renovierung auf Kosten von Privatspenden sorgt allerdings für Alarmstimmung bei den Konservativen. Der Vorsitzende der schottischen Konservativen, Douglas Ross, forderte bereits in einem Interview mit der BBC am Wochenende, dass Johnson zurücktreten müsse, sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen.

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  • Der britische Premier Boris Johnson ist politisch unter Beschuss geraten. Neben einem verächtlichen Sager sind es vor allem Privatspenden, die für Spesen verwendet worden sein sollen, die den Premier unter Druck setzen.