Spaniens Königspaar trifft in Wien Van der Bellen
Salvador Dalí und Sigmund Freud, das ist eine Paarung, die alles andere als naheliegend scheint. Hier der exzentrische Surrealist aus Spanien, dort der Vater der Psychoanalyse aus Wien. Doch Dalí (1904-1989) war in jungen Jahren geradezu besessen von Freud (1856-1939), fand auch durch dessen "Traumdeutung" zu seiner typischen Ikonografie und schaffte es schließlich sogar, seinen Mentor in London zu treffen, wie auch Felipe und Letizia in der spannenden "Ausstellung "Dalí - Freud. Eine Obsession" vor Augen geführt werden soll.
Es sei belegt, dass Dalí sich spätestens ab 1926 mit Freuds drei Jahre zuvor ins Spanische übersetzten Schriften und insbesondere der "Traumdeutung" beschäftigt hat, erklärte Kurator Jaime Brihuega am vergangenen Donnersteg bei einer Pressekonferenz: "Diese Lektüre war so bedeutend, weil sie eine Pforte geöffnet hat. Er war erleichtert, dass er mit seinen Neurosen nicht alleine war und fand nun eine Legitimation, sich zu seinem Bilderkosmos im Kopf auch zu bekennen." Das Gemälde "Das düstere Spiel" (1929) - laut Brihuega eines der Highlights der Ausstellung - sei ein Beispiel jener frühen Arbeiten, in denen Anspielungen auf unterdrückte Begierden, sexuelle Frustrationen oder die Angst vor der Überschreitung von Tabus ihren Niederschlag finden.
In fünf chronologisch geordneten Kapiteln mit insgesamt knapp 100 Exponaten spannt die in der Orangerie im Unteren Belvedere angesiedelte Schau einen zeitlichen Bogen von Dalís Kindheit bis zur Begegnung mit Freud 1938, ein Jahr vor dessen Tod, in London. Freud befand sich damals auf der Flucht vor den Nationalsozialisten, Dalí hatte Spanien wegen des dort tobenden Bürgerkriegs (1936-39) zwischen den aufständischen Truppen des rechtsnationalistischen Generals Francisco Franco und der linksbürgerlichen Zweiten Republik verlassen.
Nach der "Guerra Civil" gerieten auch rund 15.000 republikanisch gesinnte Spanier auf ihrer Flucht vor Franco vorwiegend in Frankreich in nationalsozialistische Gefangenschaft. Die meisten (rund 5.000) landeten in den NS-Konzentrationslagern Mauthausen und Gusen. Ihrer soll beim Wien-Besuch besonders gedacht werden, ließ der Madrider Königspalast im Vorfeld verlauten. Daher ist für das Königspaar nach dem offiziellen Arbeitsgespräch mit Van der Bellen und Schallenberg sowie einem gemeinsamen Mittagessen eine Kranzniederlegung zu Ehren der Opfer des Nationalsozialismus beim Mahnmal gegen Krieg und Faschismus am Albertinaplatz geplant.
Die Hofburg hat im Zusammenhang mit dem royalen Besuch eine besondere Konnotation. Sie war ehemals die Residenz der österreichischen Habsburger-Kaiser, die ab dem 15. Jahrhundert auch in Spanien als "los Austrias" ihre Spuren hinterlassen hatten. Mit geschickter Heiratspolitik weiteten sie damals ihren Einfluss auf weite Teile Europas aus. Letztlich herrschte die "Casa de Austria" fast zwei Jahrhunderte über Spanien. Unter Kaiser Karl V. war Spanien im 16. Jahrhundert Teil jenes Habsburgerreiches, "in dem die Sonne nie unterging".
Auch in der jüngeren Vergangenheit waren die offiziellen Beziehungen zwischen Österreich und Spanien bisweilen durchaus eng: Nach dem Ende der Diktatur von Generalísimo Francisco Franco wurde Spanien 1975 wieder zu einer parlamentarischen Erbmonarchie. Die erste Auslandsreise des damals 40-jährigen König Juan Carlos I. - dem Vater des aktuellen Königs - führte dann 1978 nicht zuletzt wegen der gemeinsamen Geschichte nach Österreich.
2007 war mit Juan Carlos auch bis dato zum letzten Mal ein spanischer Monarch in Österreich. Gemeinsam mit dem damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer eröffnete er den Hauptsitz der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) im Palais Palffy-Erdödy. 2014 dankte Juan Carlos zugunsten seines Sohnes Felipe Juan Pablo Alfonso de Todos los Santos de Borbón y Grecia, wie dieser mit vollständigem Namen heißt, ab.
Es ist auch nicht das erste Treffen Van der Bellens mit König Felipe. Im Oktober 2019 saßen die beiden in Japans Hauptstadt Tokio beim Dinner an einem Tisch, als der neue "Tenno", Kaiser Naruhito, den Chrysanthementhron bestieg. Anfang Dezember desselben Jahres kam es in Madrid zu einem Wiedersehen. Anlässlich der 25. UNO-Klimakonferenz führten die beiden Staatsoberhäupter ein Gespräch über die bilateralen Beziehungen und die Klimakrise. Mitte April 2020 telefonierten die beiden, um sich über die damalige Situation in der Coronakrise in beiden Ländern und in Europa auszutauschen. Diese wird wohl auch diesmal ein Thema sein.
Der Wien-Trip könnte für Spaniens König Felipe VI., der am Sonntag seinen 54. Geburtstag feierte, und Gemahlin Letizia (49) aber dennoch auch eine angenehme Verschnaufpause sein. Denn in Spanien steht es nicht zum Besten um die Monarchie. Vor allem die ständigen Skandale um Alt-König Juan Carlos I. und dessen Schwiegersohn Iñaki Urdangarin belasten das Image der Krone seit Jahren.
Dabei versucht König Felipe seit seiner Thronbesteigung 2014 das angekratzte Ansehen der Monarchie wieder aufzupolieren, vor allem mit mehr Transparenz rund um die Geschäfte und Einkünfte der Königsfamilie. Seiner Schwester Cristina und deren Ehemann Iñaki Urdangarin, der 2018 unter anderem wegen Steuerhinterziehung zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde, entzog er den Herzogstitel von Palma und schloss sie offiziell aus der Königsfamilie aus. Felipe legt seitdem die Einkünfte der Krone offen und kürzte sich selbst das Gehalt. Mitglieder der Königsfamilie dürfen auch keine Geschenke mehr annehmen.
Im kollektiven Bewusstsein sind aber vor allem finanzielle und persönliche Affären seines Vaters negativ verankert, der sich bereits seit eineinhalb Jahren im Exil in Abu Dhabi befindet. Dabei war er früher durchaus populär: Juan Carlos Alfonso Víctor María de Borbón y Borbón-Dos Sicilias war noch zu Lebzeiten des bis 1975 regierenden Diktators Francisco Franco als dessen Nachfolger als Staatschef designiert worden, doch präsentierte er sich in Folge als einer der Garanten der "Transición", also des einigermaßen reibungslosen Übergangs Spaniens in eine Demokratie. Bei einem Staatsstreichversuch franquistischer Militärs im Februar 1981 wies er die Putschisten als Oberbefehlshaber der Armee in die Schranken und erreichte in Folge hohes Ansehen in weiten Teilen der Bevölkerung.
Doch spätestens seitdem er mitten in der schlimmen Finanz- und Wirtschaftskrise mit seiner Geliebten Corinna zu Sayn-Wittgenstein auf einer Luxussafari in Botswana erwischt wurde und auch Fotos mit einem von ihm erlegten Elefanten die Runde machten, kam sein Bonus bei den meisten Spaniern abhanden. Zudem wurden zahlreiche Korruptions- und Schmiergeldaffären bekannt.
Aktuell ist ein weiterer Skandal am Kochen. Felipes ältere Schwester Infantin Cristina (56) und der frühere Handball-Weltstar und Jurist Iñaki Urdangarin gaben am Montag nach über 24 Jahren und vier gemeinsamen Kindern das Ende ihrer Ehe bekannt. "Im gegenseitigen Einvernehmen haben wir beschlossen, unsere eheliche Beziehung zu beenden", hieß es. Zuvor war eine offensichtliche Liebesaffäre Urdangarins aufgeflogen.
Infantin Cristina lebt immer noch in der gemeinsamen Wohnung in Genf, wohin die beiden 2010 flüchteten, als der Korruptionsfall "Nóos" bekannt wurde. Urdangarin wurde in der Affäre 2018 wegen Veruntreuung von sechs Millionen Euro Steuergeldern, Urkundenfälschung, Geldwäsche und Betrugs zu knapp sechs Jahren Haft verurteilt, mittlerweile ist er unter Auflagen frei. Die Schwester des heutigen Königs wurde der Beihilfe zum Steuerbetrug bezichtigt, schließlich aber freigesprochen. Dennoch war es das erste Mal in der Geschichte der spanischen Monarchie, dass ein Mitglied der Königsfamilie vor dem Kadi stand.
Mit solchen Schlagzeilen ist es für Felipes trotz des Glamour-Faktors seiner Ehefrau Letizia, die früher als TV-Präsentatorin Karriere gemacht hatte, nicht leicht, das Ansehen der Krone aufzupolieren. Zudem gibt es auf der Iberischen Halbinsel aus mehreren Richtungen Gegenwind. Für seine klare Verteidigung der Einheit Spaniens macht sich der König als Staatsoberhaupt etwa Feinde in separatistischen Kreisen Kataloniens. "Die Verfassung wird sich am Ende gegen jene durchsetzen, die das Zusammenleben stören wollen", verurteilte er beispielsweise das illegale Unabhängigkeitsreferendum von 2017
"Das Königspaar und die Monarchie sind als Symbol der spanischen Einheit für die in Katalonien regierenden Separatisten ein rotes Tuch", erklärt Politologe Pablo Simon im Gespräch mit der APA im Vorfeld der Reise nach Wien. Dabei ist König Felipe stets bemüht, das Verhältnis zwischen Spanien und Katalonien zu verbessern. Felipe spricht fließend Katalanisch. Er war Prinz von Girona, Kataloniens separatistischer Hochburg. Ein Titel, den nun Tochter Leonor als Kronprinzessin trägt. Doch für eingefleischte Separatisten sind Felipes Ahnen ja überhaupt der Grund, warum sie bis heute nicht eigenständig sein können. Es war der Bourbone Felipe V., der sich 1714 im spanischen Erbfolgekrieg gegen die Habsburger durchsetzen konnte, auf deren Seite auch die Katalanen kämpften
Auch bei manchen nach Unabhängigkeit strebenden Nationalisten im Baskenland und in Galicien sind die Könige nicht besonders beliebt. Und seitdem die Sozialisten mit den republikanischen Linkspopulisten von Unidas Podemos in Spanien regieren, gibt es auch in Madrid rauere Töne. Unter dem Einfluss der Finanz- und Korruptionsskandale von Felipes Vater Juan Carlos hat sich selbst Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez für die Abschaffung der juristischen Immunität des Königs ausgesprochen.
Er wolle "eine Debatte zur Aktualisierung der Verfassung" anstoßen, sagte der Chef der spanischen Sozialisten (PSOE). Die Unantastbarkeit sei "in einer nach mehr als 40 Jahren konsolidierten Demokratie" nicht mehr zeitgemäß. Zu den schärfsten Kritikern der Monarchie gehört aber vor allem Unidas Podemos, der Juniorpartner der Sozialisten in der Regierungskoalition. Sie sprechen sich offen für eine Abschaffung der parlamentarischen Monarchie als Staatsform aus.
Zusammenfassung
- Spaniens König Felipe VI. und seine Frau Letizia besuchen am Montag Wien.
- Zu Mittag werden Felipe und Letizia von Außenminister Alexander Schallenberg am Flughafen Schwechat erwartet.
- In der Hofburg folgt um 13.00 Uhr ein Empfang von Bundespräsident Alexander Van der Bellen mit militärischen Ehren.
- Aktuell ist ein weiterer Skandal am Kochen.
- Dabei ist König Felipe stets bemüht, das Verhältnis zwischen Spanien und Katalonien zu verbessern.