Soldaten sollen "unerbetene Meinungsäußerungen" unterlassen
Im Ministerium bestätigt man das Ansinnen Striedingers und argumentiert mit unangebrachten Auftritten von Bundesheer-Angehören im Internet. So trat etwa ein Brigadekommandant in einem Interview auf Facebook in einem T-Shirt mit einem Neonazi-Spruch auf und wetterte dort gegen die "die da oben". In einem anderen Fall hat eine Soldatin online krude Corona-Verschwörungstheorien verbreitet.
Der konkrete Akt sei aber unmittelbar nach Inkrafttreten wieder aufgehoben und durch einen neuen ersetzt worden, heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Der neue Akt weise darauf hin, dass Mitarbeiter des Ressorts, die sich in der Öffentlichkeit äußern, an die ihnen bekannten Dienstpflichten zu halten haben. Vor allem wenn öffentliche Äußerungen in Zusammenhang mit dem Tragen der Uniform oder der Nennung der jeweiligen Stellung stehen. "Jede Verletzung einer dienstlichen Norm wird einer rechtlichen Würdigung unterzogen."
Striedinger beklagt in dem Schreiben Aussagen von Soldaten in sozialen Medien, die "sehr 'randständige' Positionen vertreten und die Arbeit der Bundesregierung unmittelbar konterkarieren oder in Frage stellen". Er pocht auf eine strikte Trennung von privaten Meinungen und der dienstlichen Tätigkeit und droht mit "dienstrechtlichen Ermahnungen" und gar "dienstrechtlichen Maßnahmen".
Als Anlass für den Erlass nennt Striediger gehäufte "Anfragen verwunderter (verärgerter) Bürger" über Aussagen von Soldaten, die den "Anschein erwecken, im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit" der betroffen Personen zu stehen. "Die Verwunderung (Verärgerung) bezieht sich insbesondere darauf, dass diese Meinungsäußerung häufig nicht mit der Position des Ressorts übereinstimmen, im Gegenteil, oft diese sogar konterkarieren bzw. ins Lächerliche ziehen", so Striedinger.
Zwar seien die Grundrechte und das Recht auf freie Meinungsäußerung zu respektieren. "Doch hat der Bedienstete auch seine Dienstpflichten (...) und muss daher Tätigkeiten unterlassen, welche das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben stören könnten."
NEOS-Wehrsprecher Hoyos zeigt sich gegenüber der APA fassungslos. "Es ist unfassbar, dass die Message Control der Volkspartei nun auch das Bundesheer durchdringen soll und die engsten Mitarbeiter der Ministerin freie Meinungsäußerungen der Soldaten einschränken und jede Kritik an der Bundesregierung untersagen wollen." Er forderte Ministerin Tanner auf, "endlich Stärke zu zeigen und dem Treiben" von Stabschef Striedinger und Generalsekretär Dieter Kandlhofer ein Ende zu setzen.
Dass hohe türkise Beamte alleine auf die Idee eines Maulkorberlasses kommen, zeige, welcher Wind unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in diesem Land wehe. "Es soll die öffentliche Meinung durch Medieninszenierung und nun auch mittels Erlass massiv gelenkt werden. Das ist in einer Demokratie nicht zu akzeptieren", kritisiert Hoyos und kündigt eine parlamentarische Anfrage an.
Schockiert zeigte sich auch SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer: "In einer Demokratie schrillen hier alle Alarmglocken. Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und muss ausreichend geschützt werden. Einen solchen Maulkorberlass können wir auf keinen Fall akzeptieren", meinte er in einer Aussendung. Aufgrund "mentaler Entgleisungen Einzelner alle unter Generalverdacht zu stellen und in türkiser Manier eine kollektive 'Message Control' zu orchestrieren, ist inakzeptabel".
"Die autoritären Bestrebungen der ÖVP werden immer unverschämter", kritisierte auch FPÖ-Wehrsprecher Reinhard Bösch. Ein derartiger Maulkorberlass sei "unkorrekt und unpassend". Bösch will Aufklärung von Verteidigungsministerin Tanner im kommenden Landesverteidigungsausschuss.
"Fassungslos und schockiert" ist auch ÖVP-Wehrsprecher Friedrich Ofenauer - aus anderen Gründen allerdings: Die Opposition rücke aus, "um Neonazi-Sprüche und Verschwörungstheorien zu verteidigen. Das Bundesheer ist die Visitenkarte der Republik und keine Plattform für Rechtsradikale oder Verschwörungstheoretiker", meinte er. "Die freie Meinungsäußerung ist ein Grundrecht und bleibt selbstverständlich unangetastet." Die Opposition nutze alle Chancen, "um künstlich Skandale heraufzubeschwören".
Striedinger hatte zuletzt im Juni 2020 für Riesenwirbel gesorgt mit der Aussage, dass die militärische Landesverteidigung auf ein Minimum reduziert und sich das Bundesheer auf Cyberdefence und Katastrophenschutz konzentrieren soll. Ministerin Tanner musste nach heftiger Kritik an diesen Plänen zurückrudern und die militärische Landesverteidigung wieder zur Kernaufgabe des Bundesheeres erklären.
Zusammenfassung
- Das Verteidigungsministerium will Meinungsäußerungen von Soldaten in der Öffentlichkeit reglementieren.
- Der Stabschef von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), Generalmajor Rudolf Striedinger, hat einen Erlass formuliert, mit dem "unerbetene öffentliche Meinungsäußerungen von Ressortangehörigen" untersagt werden sollen.
- Die Opposition zeigte sich fassungslos und will die Angelegenheit im Parlament thematisieren.