Selenskyj: "Halten unsere Stellung" in Awdijiwka
Awdijiwkas Bürgermeister Vitaly Barabasch sprach am Donnerstag erneut von einer "sehr angespannten Situation" mit "Kämpfen rund um die Stadt, die sich nicht beruhigt haben" sowie von Beschuss auf die Stadt und ukrainische Stellungen. In der Nacht sei die Industriestadt Ziel eines Raketenangriffs geworden, bei dem es aber keine Opfer gegeben habe.
Das russische Verteidigungsministerium hatte am Mittwoch erklärt, die russische Armee habe ihre Position nahe Awdijiwka verbessert. Nach Angaben des pro-russischen Telegram-Kanals Rybar, der über gute Quellen im Militär verfügt, haben russische Soldaten eine wichtige Schlackenhalde nördlich der Stadt erobert und kämpfen im Dorf Stepowe nordwestlich Awdijiwkas. Militäranalysten berichteten unter Berufung auf Bilder und Videos aus der Gegend, dass Russland offenbar bedeutende Verluste an Ausrüstung erlitten habe.
In der strategisch und symbolisch wichtigen Stadt Awdijiwka leben den Angaben zufolge derzeit noch rund 1.600 Einwohner, vor Beginn des russischen Angriffskrieges waren es 30.000. Die Stadt liegt 13 Kilometer entfernt von Donezk, der "Hauptstadt" der gleichnamigen von Russland kontrollierten ukrainischen Region.
In der russischen Grenzregion Belgorod wurden nach russischen Angaben drei Menschen durch Trümmer einer abgeschossenen Drohne getötet, darunter ein kleines Kind. "Die Luftabwehr in der Region Belgorod schoss eine Drohne ab, die sich der Stadt näherte", schrieb der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Gladkow, am Donnerstag im Onlinedienst Telegram.
Durch herabfallende Trümmer der Drohne seien am Stadtrand von Belgorod zwei Wohnhäuser zerstört und mehrere weitere beschädigt worden, fügte Gladkow hinzu. "Drei Menschen starben, darunter ein kleines Kind", erklärte der Gouverneur. Auf von ihm verbreiteten Bildern waren die Ruinen eines Hauses zu sehen, neben Betonblöcken und Resten eines Daches auch eine Matratze.
Zuvor hatte das russische Verteidigungsministerium auf Telegram mitgeteilt, dass die russische Luftabwehr am späten Mittwochabend einen ukrainischen Drohnenangriff in der Region Belgorod vereitelt hatte. Die Region Belgorod grenzt an die Ukraine. Seit dem Beginn der im Sommer gestarteten Gegenoffensive der Ukraine haben die Angriffe auf russisches Gebiet zugenommen.
Die ukrainische Armee schoss nach eigenen Angaben in der Nacht auf Donnerstag 28 russische Drohnen abgeschossen. Insgesamt seien 33 Drohnen vom Typ "Shahed 136/131" von der russischen Region Belgorod auf den Norden der Ukraine und von der annektierten Halbinsel Krim auf die Südukraine abgefeuert worden, teilte die ukrainische Luftwaffe auf Telegram mit. Behördenangaben zufolge wurden in der Hafenstadt Odessa Lagerhäuser und Wohnhäuser beschädigt, ein Mensch wurde verletzt.
"Feindliche Drohnen flogen in unterschiedliche Richtungen, so dass die Luftabwehr in mindestens sechs Regionen der Ukraine im Einsatz war", erklärte die Luftwaffe weiter. Nach Angaben der südukrainischen Streitkräfte flog Russland eine Reihe von Drohnenangriffen auf Hafenanlagen entlang der Donau. "In dem Versuch, das Luftverteidigungssystem zu umgehen, kamen die Drohnen aus verschiedenen Richtungen", erklärten sie auf Telegram. In der Region Mykolajiw seien vier Drohnen zerstört worden, in der Region Odessa zehn.
Eine Kampfdrohne stürzte auch über Rumänien ab. Wie das Verteidigungsministerium in Bukarest am Donnerstag mitteilte, habe man drei Kilometer westlich des Dorfs Plauru in unbewohntem Gebiet einen Drohnenkrater gefunden, der durch eine Explosion ausgelöst worden sein könne. Plauru liegt am Donau-Arm Chilia, der die Grenze zur Ukraine bildet, direkt gegenüber des ukrainischen Hafens Ismajil - in weniger als 500 Meter Entfernung.
Die ukrainische Marine meldete außerdem die Beschädigung eines russischen Kriegsschiffs nahe des Schwarzmeer-Hafens Sewastopol auf der besetzten Halbinsel Krim. Den Schaden an der Korvette "Pawel Derschawin" bestätigte Marinesprecher Kapitän Dmytro Pletentschuk am Donnerstag im Gespräch mit Radio Liberty, ohne Details zu nennen. Am Vorabend hatten mehrere Telegram-Kanäle - darunter auch die Militärverwaltung der Hafenstadt Odessa - berichtet, das Kriegsschiff sei mutmaßlich auf See vor Sewastopol mit einer russischen Seemine kollidiert. Die Angaben waren nicht unabhängig zu überprüfen.
Die "Pawel Derschawin" gehört zu den vier Korvetten, die von der russischen Schwarzmeer-Flotte auch als schwere Patrouillenboote eingestuft werden. Diese Kriegsschiffe können auch zum Abschuss von Marschflugkörpern eingesetzt werden, mit denen Russland seit Beginn des Angriffskrieges vor fast 20 Monaten regelmäßig die Ukraine beschießt. Im September wurde eines dieser Schiffe, die "Sergej Kotow", von der Ukraine angegriffen und nach Angaben Kiews schwer beschädigt. Zu dem angeblichen Schaden an der "Pawel Derschawin" gab es aus Moskau zunächst keinen Kommentar.
Die ukrainische Polizei schloss unterdessen nach dem verheerenden russischen Raketenangriff auf das Dorf Hrosa im ostukrainischen Gebiet Charkiw vergangene Woche die Identifizierung der Toten ab. Bei dem Angriff auf eine Trauerfeier kamen nach Angaben von Innenminister Ihor Klymenko 59 Menschen ums Leben. Alle Opfer seien ortsansässige Zivilisten, darunter Senioren, Lehrer und Ärzte. "Mehrere Generationen ganzer Familien starben", schrieb Klymenko am Donnerstag auf Telegram.
Genau eine Woche zuvor traf eine russische Rakete vom Typ Iskander ein Café und ein Lebensmittelgeschäft in dem Dorf Hrosa, das 35 Kilometer von der Front entfernt liegt. Dort fand zu diesem Zeitpunkt eine Trauerfeier für einen gestorbenen Soldaten aus dem Dorf statt, zu der Familie und Freunde geladen waren. Die von ukrainischen Behörden bisher veröffentlichten Opferlisten zeigten, dass der Großteil der Opfer Frauen und Männer im Alter von 50 Jahren und älter waren. Fünf Verletzte sollen der Sprecherin des Innenministeriums zufolge noch im Krankenhaus liegen.
Ukrainische Ermittlungsbehörden stellten nach eigenen Angaben inzwischen die Identitäten einiger der Verantwortlichen für den Angriff fest. Die Zielkoordinaten soll die russische Armee von zwei Brüdern aus dem Dorf erhalten haben, die beim Rückzug Moskaus aus der Region im vergangenen Jahr nach Russland geflohen seien. Die Staatsanwaltschaft veröffentlichte angeblich Chat-Verläufe der mutmaßlichen Kollaborateure und schrieb sie zur Fahndung aus. Der Tod der Zivilisten in Hrosa hatte international Empörung ausgelöst.
Zusammenfassung
- Die ukrainischen Streitkräfte halten nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ihre Stellung in der Stadt Awdijiwka im Osten des Landes.
- Die ukrainische Armee schoss nach eigenen Angaben in der Nacht auf Donnerstag 28 russische Drohnen abgeschossen.
- In der Region Mykolajiw seien vier Drohnen zerstört worden, in der Region Odessa zehn.
- "Mehrere Generationen ganzer Familien starben", schrieb Klymenko am Donnerstag auf Telegram.