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Serbien

Vučić widerlegt: Foto zeigt Schallkanone auf Polizeiauto

Heute, 12:33 · Lesedauer 3 min

Nach den Vorwürfen, die serbische Regierung habe eine Schallkanone gegen Demonstranten eingesetzt, verstrickt sich das serbische Innenministerium in Widersprüche. Fotos zeigen eine Schallkanone auf einem Geländewagen der Polizei. Präsident Vučić behauptete bis vor kurzem, so ein Gerät "gibt es in Serbien nicht".

Die Vorwürfe, die serbische Regierung hätte bei den Massenprotesten am Samstag in Belgrad eine Schallkanone gegen die Demonstrierenden eingesetzt, wies die Regierung von Präsident Aleksandar Vučić vehement zurück.

Vučić selbst nannte die Vorwürfe sogar eine "abscheuliche Lüge" und kündigte rechtliche Schritte gegen diejenigen an, die der Polizei den Einsatz einer Schallkanone "unterstellen".

Plötzliche Panik bei Schweigeminute

Auf Aufnahmen war zu sehen, wie die Demonstrierenden bei dem friedlichen Protest am Samstag während einer Schweigeminute plötzlich zu fliehen versuchten und dabei zum Teil übereinander stolperten.

Zeugen berichteten serbischen Medien zufolge von einem plötzlichen schmerz- und angsterzeugenden Geräusch

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Am Mittwoch tauchten nun Bilder auf, auf denen auf dem Geländewagen der Bereitschaftspolizei eine Schallkanone, ein sogenanntes Long Range Acoustic Device (LRAD), zu sehen ist.

Ein Foto, dass die Oppositionspolitikerin Marinika Tepić auf "X" (vormals Twitter) teilte, zeigt die Demonstrationen auf der rechten Seite und die Polizei, inklusive angebrachtem LRAD am Geländewagen, auf der linken Seite vor dem serbischen Parlament. 

Innenministerium verstrickt sich in Widersprüche

Der serbische Innenminister Ivica Dačić bestätigte am Dienstag, dass die Polizei seit 2021 über Schallwaffen verfüge. Diese würden sich jedoch in "Kartons in unseren Lagern" befinden, würden nicht eingesetzt und seien "an keinem unserer Fahrzeuge oder Systeme montiert", so Dačić gegenüber der Zeitung "Danas". 

Auf die Frage, warum er zuvor denn gesagt hat, Serbien besitze solche Waffen nicht, meint Dačić, das sei eine "ungeschickte" Behauptung gewesen. "Damit war gemeint, dass das Innenministerium dieses Instrument nicht in sein Arsenal an Zwangsmitteln aufgenommen hat", erklärte der Innenminister. 

Nachdem Fotos das Gerät auf einem Polizeiwagen montiert zeigen, klingt die Darstellung des Innenministers wieder etwas anders: Man besitze Schallwaffen, habe sie aber "nur als Lautsprecher" eingesetzt. 

Minister: Gerät auf Ebay erhältlich

Um zu zeigen, dass die Geräte, die die serbische Polizei verwendet, nur für Lautsprecherdurchsagen genutzt werden und ungefährlich seien, führte sie Dačić am Dienstag vor einer Gruppe von Journalist:innen vor. Die Geräte seien nicht als Waffen geführt und seien deshalb frei käuflich.

Zur Demonstration seiner Behauptung zeigte er den Anwesenden eine Ebay-Anzeige für ein solches Gerät.

Mit seiner Bestätigung über den Besitz solcher Schallwaffen widerlegt Dačić aber indirekt auch eine Falschbehauptung des Präsidenten: Vučić behauptete nämlich zuvor, Serbien besitze so eine Schallwaffe überhaupt nicht. Besonders brisant: Die Verwendung der Schallkanone als Waffe ist in Serbien verboten

info Long-Range Acoustic Device (LRAD)

Ein Long-Range Acoustic Device (LRAD, auch Schallkanone genannt) ist ein von Streitkräften und privaten Sicherheitsdiensten benutztes akustisches Gerät, mit dem sowohl normale Lautsprecher-Durchsagen als auch schmerzhaft laute Töne ausgesendet werden können.

Beim LRAD werden akustische Signale im Bereich von 2.100 bis 3.100 Hertz ausgesendet. Aufgrund des hohen Schalldrucks können die Töne mindestens über einen Kilometer weit wahrgenommen werden. Der vom LRAD einsetzbare schrille Ton führt im Nahbereich zu einem starken Schmerzreiz und dient dazu, den Gegner zu verletzen oder außer Gefecht zu setzen.

Das LRAD wurde im Auftrag des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten als nicht-tödliche Waffe entwickelt.

Menschen verlangen internationale Untersuchung

Seit der Massendemonstration am Samstag bis Montag sind mehr als 3.000 Aussagen von Teilnehmern der Demonstration gesammelt worden, die den Einsatz einer Schallkanone belegen sollen.

Mehr als eine halbe Million Menschen unterzeichnete innerhalb von weniger als 24 Stunden eine Petition, die eine internationale Untersuchung des Vorfalls verlangt. Konkret sollen das UNO-Menschenrechtskommissariat, der Europarat und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) tätig werden.

Zusammenfassung
  • Nach den Vorwürfen, die serbische Regierung hätte eine Schallkanone gegen sein demonstrierendes Volk eingesetzt, verstrickt sich das serbische Innenministerium in Widersprüche.
  • Veröffentlichte Fotos zeigen eine Schallkanone auf dem Geländewagen der Polizei.
  • Präsident Vučić hatte bis vor kurzem behauptet, so ein Gerät "gibt es in Serbien nicht".