Schallenberg sieht OSZE "an Herz-Lungen-Maschine"
Nach der monatelangen russischen Blockade des offiziellen Vorsitzkandidaten Estland hatten sich die OSZE-Botschafter am Montag kurzfristig auf den kleinsten EU-Staat Malta als Präsidentschaftsland 2024 verständigt. Damit wurde die Gefahr eines Zerfalls des einzigen regionalen Forums, in dem die Nordamerika, Europa und die Staaten der Sowjetunion vertreten sind, gebannt.
Die Einigung auf Malta sei eine "sehr schöne und elegante Lösung, die zeigt, dass keiner der Staaten die OSZE an die Wand fahren will", sagte Schallenberg. Dennoch sei man seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs damit beschäftigt, die Organisation "über Wasser zu halten". Die OSZE müsse effizienter arbeiten, denn es werde "80 Prozent" der Arbeit dafür aufgewendet, die Organisation am Leben zu halten.
Dem erst Anfang November als potenzielles OSZE-Vorsitzland in Erscheinung getretenen Malta will Österreich mit Büroräumlichkeiten am OSZE-Sitz Wien sowie die Sekundierung von zwei bis drei Diplomaten unter die Arme greifen, kündigte Schallenberg an. Darüber habe er am Montag auch schon mit dem maltesischen Premier Robert Abela bei dessen Besuch in Wien gesprochen. Bei Zuwendungen für die OSZE handle es sich um "gut angelegte Energie und Geld", betonte Schallenberg.
Schallenberg begrüßte die Entscheidung des nordmazedonischen OSZE-Vorsitzes, den russischen Außenminister Sergej Lawrow die Teilnahme am Jahrestreffen der Organisation am Mittwoch und Donnerstag in Skopje zu ermöglichen. Er sei im Vorjahr der einzige westliche Außenminister gewesen, der die Ausladung Lawrows durch den damaligen polnischen Vorsitz kritisiert habe, erinnerte Schallenberg. "Wir dürfen als Westen nicht die Scheu haben, uns mit den Russen zusammenzusetzen. Die Tendenz, sich in der Außenpolitik in eigene Echokammern zu vertiefen, halte ich für lebensgefährlich." In der OSZE werde Diplomatie gemacht, für die er selbst stehe. "Das ist klassischer Multilateralismus im besten Sinne", betonte er.
Wegen der Teilnahme Lawrows haben die Außenminister der Ukraine sowie der baltischen Staaten ihre Teilnahme am Treffen in Skopje abgesagt. Im Fall der Ukraine könne er diesen Schritt "emotional verstehen", weil tagtäglich Menschen vom Aggressor Russland umgebracht werden, sagte Schallenberg. Zugleich betonte er, dass die OSZE "unersetzlich" sei für die Zeit nach dem Ukraine-Krieg. Sie sei auch "unsere Lebenslinie in Richtung Zentralasien und Kaukasus", betonte er. "Wir brauchen wieder mehr OSZE in der Zukunft und nicht weniger."
Zu einem Bericht der Tageszeitung "Die Presse" (Dienstagsausgabe), wonach Österreich wegen der Aussicht auf eine mögliche FPÖ-Regierungsbeteiligung nicht als OSZE-Vorsitzland zum Zug gekommen sei, sagte Schallenberg: "Die Partner sehen den Wahlkalender und die Umfragen. Es erweist sich einmal mehr, dass die Kickl-FPÖ einen Schatten vorauswirft und ein Unsicherheitsfaktor ist. Den Preis zahlt dann ganz Österreich." Zugleich bekräftigte der Außenminister, dass Österreich nie Kandidat für den Vorsitz gewesen sei. Schallenbergs Aussagen kontrastieren auch mit jenen von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der am Montag auf eine Frage nach möglichen Vorbehalten gegenüber Österreich gemeint hatte, es habe keine "Intervention" gegen Österreich gegeben, da im übrigen als Vorsitzland "nie zur Diskussion" gestanden sei.
Schallenberg wollte am Mittwochabend an einem informellen Abendessen der OSZE-Außenminister teilnehmen. Die Jahrestagung beginnt offiziell am Donnerstagvormittag mit Reden der Chefdiplomaten. Im Hintergrund wollten die OSZE-Botschafter an einer Lösung für die drängenden Personalfragen feilen: Die Amtszeiten der vier OSZE-Topjobs, darunter jener von Generalsekretärin Helga Schmid, laufen am Sonntag aus. Schallenberg zeigte sich zuversichtlich, dass es auch hier eine Lösung geben wird. "Ich gehe davon aus, dass es klappen wird", sagte er. Fixiert ist laut dem Außenminister auch das übernächste Vorsitzland. 2025 soll Finnland die OSZE-Präsidentschaft innehaben. Sorgen macht Schallenberg insbesondere das seit zwei Jahren ungelöste OSZE-Budgetproblem. Derzeit schreibe man immer noch das Budget des Jahres 2022 fort, was angesichts der Teuerung ein massives Problem sei und die 13 OSZE-Missionen bedrohe, die insbesondere auch auf dem Westbalkan wichtige Arbeit leisteten.
Zusammenfassung
- Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sieht die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) nach der in letzter Minute abgewendeten Führungskrise nicht über den Berg.
- Bei Zuwendungen für die OSZE handle es sich um "gut angelegte Energie und Geld", betonte Schallenberg.
- Wegen der Teilnahme Lawrows haben die Außenminister der Ukraine sowie der baltischen Staaten ihre Teilnahme am Treffen in Skopje abgesagt.