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Schallenberg in Südafrika - Keine Einigkeit bei Gazakrieg

"We agree to disagree" - Südafrikas Außenministerin Naledi Pandor brachte am Donnerstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem Amtskollegen Alexander Schallenberg (ÖVP) in Pretoria die Meinungsverschiedenheiten auf den Punkt, die ihr Land und Österreich bezüglich des Gazakonflikts haben. Während Pandor vordringlich Israel aufforderte, die Angriffe auf den Gazastreifen zu beenden, fand es Schallenberg "inakzeptabel", den Hamas-Terror nicht beim Namen zu nennen.

Zwar räumte die Ministerin auf Anfrage ein, dass die Hamas-Angriffe vom 7. Oktober "nicht richtig" gewesen seien und die im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln freikommen müssten, doch dürfe dies kein Freibrief für Israel sein, "in besetzten Gebieten" Zivilisten anzugreifen. "Man muss beide Seiten sehen, es darf keinerlei unschuldige Opfer geben", so Pandor. Schallenberg wiederum verurteilte vor allem die Aktivitäten der radikalislamistischen Terrorgruppe, stellte aber auch klar, dass zwischen der Hamas und der palästinensischen Zivilbevölkerung unterschieden werden müsse.

Zwar sei der Nahost-Konflikt an sich "nicht vom Himmel gefallen", sondern verfüge über eine längere Geschichte, argumentierte der Außenminister, doch habe die Hamas gezielt die Zivilbevölkerung in Israel angegriffen. Israels Armee hingegen versuche, derartige Opfer zu vermeiden. Sie verteile Flugblätter, bevor sie militärische Aktionen setze. "Aber eine Seite hat gezeigt, dass sie keinen Frieden will, und das ist die Hamas", sagte Schallenberg, der aber auch die Gewalt radikaler israelischer Siedler gegenüber der palästinensischen Bevölkerung kritisierte. Diese sei "nicht nur nicht hilfreich, sondern auch unsolidarisch." Zudem gelte das humanitäre Völkerrecht für alle Seiten.

In Südafrika wird das Thema generell etwas anders gesehen. Vor allem die schwarze Bevölkerung ist laut Studien mehrheitlich der Ansicht, dass Israel gegenüber den Palästinensern eine "Apartheidpolitik" verfolgt.

Es seien jedoch "sehr offene Gespräche" auf Augenhöhe gewesen, auch wenn man nicht in allen Fragen hundertprozentig einer Meinung sei, hieß es unisono. Außenministerin Pandor hatte letztlich die Lacher auf ihrer Seite, als sie das Thema Meinungsverschiedenheiten mit einem Satz vom Tisch wischte: "Schauen Sie, ich mag den Herrn Minister ja."

Südafrika hat zum Westen ein belastetes Verhältnis, historisch gesehen wegen des Kolonialismus und der Unterstützung des Apartheidregimes. In der jüngeren Vergangenheit wurde auch die anfangs ungleiche Verteilung von Covid-Impfstoffen von Südafrika als "Impfapartheid" kritisiert. Südafrika ist auch Mitglied der sogenannten BRICS-Staaten, die sich als Gegenmodell zur westlich dominierten Welt sehen.

International positioniert sich Südafrika zwar als "blockfrei", doch sorgten in der jüngeren Vergangenheit gemeinsame Marinemanöver mit China und Russland vor der südafrikanischen Küste für Kritik. Auch wurde Südafrika verdächtigt, Waffen an Russland verschifft zu haben. Zudem pflegen weite Teile der Regierungspartei "Afrikanischer Nationalkongress" (ANC) ein enges Verhältnis zum Aggressorstaat Russland. Auch hier gibt es einen historischen Hintergrund: Während des Apartheid-Regimes hatte die kommunistische Sowjetunion die schwarzen Befreiungskämpfer Südafrikas unter anderem mit Waffen unterstützt.

Allerdings, so meinen internationale Beobachter, sei zumindest Präsident Cyril Ramaphosa ein wenig von der eher prorussischen Position abgerückt, nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin im Juni eine von ihm angeführte afrikanische Friedensdelegation bei ihren Bemühungen, im Ukraine-Krieg zu vermitteln, ein wenig desavouiert hatte.

Multilateral seien sich Österreich und Südafrika einig, dass der UNO-Sicherheitsrat reformiert gehöre, wurde beiderseits betont. Die jetzige Zusammensetzung stamme aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, erinnerte Schallenberg. Es sei Zeit, dass nun auch afrikanische Länder in diesem UNO-Gremium und auch in anderen Bereichen mehr Gewicht bekommen.

Die bilateralen Beziehungen könnten intensiver sein, hatte Pandor gleich zu Beginn gemeint. Schallenberg bekräftigte: "Südafrika ist ein wichtiger Partner. Wir müssen enger kooperieren, einander zuhören und versuchen, einander zu verstehen." Kooperationschancen gebe es in ökonomischen Belangen, unter anderem in den Bereichen "Grüne Energie", Bioagrarprodukte oder Wasserwirtschaft. Pandor gab Schallenberg auch eine Einladung von Präsident Cyril Ramaphosa für Bundespräsident Alexander van der Bellen mit. Auch dass im Rahmen des Besuchs ein Kulturforum samt Unterzeichnung eines bilateralen "Memorandum of Understanding" am Programm stand, mache Hoffnung, dass auch im Bildungs- und Kulturbereich künftig mehr zusammengearbeitet werden könne.

Der ÖVP-Minister wird in Südafrika von einer Delegation der Wirtschaftskammer (WKÖ) begleitet. Am Donnerstag fand zudem folgerichtig ein "Business Forum South Africa-Austria "statt. An sich waren auch Termine mit den Ministern Ebrahim Patel (Wirtschaft) und Pravin Gordhan (Staatsunternehmen) geplant. Diese wurden aber gecancelt. Da Südafrika Ende Oktober die Rugby-WM gewann, versprach Präsident Ramaphosa der Bevölkerung einen Feiertag, der dann für diesen Freitag angesetzt wurde. Da am Wochenende auch die bis Jänner dauernden Schulferien starten, waren offenbar auch Regierungsmitglieder bereits in Reiselaune.

Zwar erlebte Südafrika in den vergangenen Jahren wegen der Covid-Krise und dem schwierigen ökonomischen Umfeld im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine eine gewisse Eindämmung des Wirtschaftswachstums, dennoch betrug dieses laut WKÖ im Jahr 2022 immerhin 1,9 Prozent. Knapp ein Drittel aller österreichischen Afrika-Exporte geht nach Südafrika und mehr als ein Drittel der entsprechenden Importe kommt von dort.

Gute Chancen für österreichische Unternehmen bestehen weiterhin im Ausbau der südafrikanischen Infrastruktur und bei Industrieausrüstungen. Das gilt insbesondere für den Energie- und Umweltsektor. Im Speziellen werden die Bereiche erneuerbare Energie, Technologien zur Energieeinsparung sowie Anlagen zur Wasser- und Abwasseraufbereitung als zukunftsträchtig angesehen. Auch im Gesundheitsbereich gibt es laut WKÖ für österreichische Firmen im privaten Sektor gute Möglichkeiten für einen Markteintritt.

Gegen Ende seines Aufenthalts wird Schallenberg am Freitag noch dem "Constitution Hill" in Johannesburg einen Besuch abstatten, wo heute das südafrikanische Verfassungsgericht seinen Sitz hat. In dem früheren Gefängniskomplex für politische Häftlinge war in der Zeit der Apartheid vor 1990 auch Nelson Mandela inhaftiert. Von 1994 bis 1999 hatte der zu diesen Zeiten bereits als Freiheitsheld gefeierte Kämpfer gegen Rassendiskriminierung und soziale Ungleichheit als Friedensnobelpreisträger (1993) das Präsidentenamt inne. Mandela starb 2013 im Alter von 95 Jahren.

2024 könnte freilich die seither anhaltende Dominanz von Mandelas Partei ANC (Afrikanischer Nationalkongress) zu Ende gehen. Umfragen zufolge dürfte der ANC bei den Parlamentswahlen, die zwischen Mai und September 2024 stattfinden sollen, erstmals unter die 50-Prozent-Marke rutschen. Die ANC-Politikerin Pandor gab sich gegenüber den Medien kämpferisch: "Warten wir einmal die Wahlkampagnen ab." Doch sei Südafrika eine Demokratie, und eine allfällige Niederlage würde selbstverständlich akzeptiert werden.

Nach drei Jahrzehnten der ANC-Herrschaft hat die Ungleichheit auch nach Angaben der Weltbank zugenommen. Korruption ist verbreitet, die Sicherheitslage hat sich verschlechtert. Im Jahresschnitt werden in Südafrika über 20.000 Morde registriert. Die soziale Ungleichheit ist weiterhin groß. Auch infrastrukturelle Defizite häufen sich. Stromabschaltungen sind an der Tagesordnung, weil das Netz sonst überlastet werden. Zudem gibt es auf den Raub von Kupferkabeln spezialisierte Banden, die die Stromversorgung auch zum Erliegen bringen.

ribbon Zusammenfassung
  • Im Jahresschnitt werden in Südafrika über 20.000 Morde registriert.