Russische Raketenangriffe auf Odessa
In Russlands nördlicher Metropole St. Petersburg gab es eine Explosion in einer Militärakademie, die nach Armeeangaben sieben Soldaten verletzte. In Kiew beriet der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Regierung und Militär über die schwierige Lage im Energiesystem seines angegriffenen Landes.
Auch in der Nacht auf Samstag gab es in weiten Teilen der Ukraine wieder Luftalarm. Besonders betroffen waren der Osten und Süden des Landes. Die Ukraine wehrt seit mehr als zwei Jahren eine russische Invasion ab. Am Samstag wird der 815. Kriegstag gezählt.
Bei dem Beschuss auf Odessa konnte die ukrainische Luftwaffe am Freitag nach eigenen Angaben drei Marschflugkörper der Typen Ch-59 und Ch-69 abfangen. Drei Raketen, mutmaßlich vom Typ Iskander, schlugen allerdings ein und lösten Brände aus. Es habe einen Toten und acht Verletzte gegeben, teilte Gebietsgouverneur Oleh Kiper mit. Auf Charkiw, das dicht an der Grenze zu Russland liegt, warfen russische Flugzeuge zwei gelenkte Gleitbomben ab. Es wurden in beiden Fällen aber keine Angaben gemacht, was getroffen wurde.
In der Nacht auf Freitag hatte die Ukraine russische Militärstützpunkte auf der Halbinsel Krim, den Hafen Noworossijsk am Schwarzen Meer und eine Raffinerie in Tuapse beschossen. Noworossijsk ist für Russland strategisch wichtig, weil ein großer Teil seiner Öl- und sonstigen Exporte über diesen Hafen läuft. Es ist auch Ausweichstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte, deren Haupthafen Sewastopol auf der Krim zu unsicher geworden ist.
Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, über der russischen Festlandküste am Schwarzen Meer seien 44 ukrainische Drohnen abgefangen worden. Überprüfbar waren diese Angaben nicht. In sozialen Medien waren angebliche Videos aus Noworossijsk zu sehen, die zeigten, wie Drohnen einzeln oder in Gruppen den Hafen angriffen und Brände an großen Tanks auslösten.
Die örtlichen Behörden teilten mit, alle Industriebetriebe arbeiteten im Normalbetrieb. Allerdings konnte erst am Nachmittag die Stromversorgung für 16.000 Haushalte wiederhergestellt werden, nachdem ein Transformator beschädigt worden war.
Russische Bodentruppen setzten ihre vor einer Woche begonnene Offensive im Grenzgebiet bei Charkiw fort, wie der ukrainische Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj auf Telegram schrieb. Die russische Armee habe diese neue Front mittlerweile auf etwa 70 Kilometer verbreitert. Dies solle die Ukrainer zwingen, mehr Brigaden aus der Reserve einzusetzen. Es sei dem Gegner aber nicht gelungen, die ukrainischen Linien zu durchbrechen.
Der russische Präsident Wladimir Putin sagte auf seiner China-Reise, seine Armee plane derzeit keine Eroberung von Charkiw. Es solle aber eine Pufferzone geschaffen werden, um die Ukraine vom Beschuss auf das russische Grenzgebiet Belgorod abzuhalten.
Angesichts der Schäden am ukrainischen Stromnetz rief Selenskyj die Bürger zum Stromsparen auf. "Jetzt ist ein sehr rationeller, überlegter Stromverbrauch gefragt", sagte er in seiner abendlichen Videoansprache. Kommunen und Energieversorger sollten darüber informieren, warum zeitweise Stromsperren notwendig seien.
"Durch die russischen Angriffe hat unser Energiesektor nun einen erheblichen Teil seiner Erzeugung verloren", sagte Selenskyj. "Es wird Zeit brauchen, sich davon zu erholen." Große Anstrengungen seien nötig, das Energiesystem so umzubauen, dass es nicht mehr von Russland beschädigt werden könne. Details nannte er nicht.
Am Samstag treten in der Ukraine die neuen Regeln zu Wehrpflicht und Mobilisierung in Kraft, die das Parlament im April beschlossen hatte. Das Außenministerium in Kiew teilte mit, wehrpflichtige ukrainische Männer im Ausland können wieder Leistungen der Konsulate in Anspruch nehmen. Voraussetzung sei, dass die Registrierung bei den Wehrbehörden auf Papier oder elektronisch nachgewiesen werde. Das Verteidigungsministerium richtete eine App ein, mit der die Registrierung online möglich ist.
Wegen des russischen Angriffs haben auch Hunderttausende wehrfähige Männer die Ukraine verlassen. Ende April stoppten die ukrainischen Auslandsvertretungen die Ausstellung oder Verlängerung von Ausweispapieren für Männer ohne Registrierung bei der Wehrbehörde. Ziel war, sie zu einer Rückkehr in die Ukraine zu zwingen.
Die Explosion in der Akademie der Fernmeldetruppen in St. Petersburg verletzte sieben Soldaten. Als offizielle Version verbreitete das Militär, eine alte Granate aus Zeiten des Zweiten Weltkrieges habe von selbst gezündet. Die genauen Umstände würden untersucht. Russische Telegram-Kanäle schlossen nicht aus, dass eine ukrainische Drohne die Akademie angegriffen haben könnte.
Die Explosion habe keinen "terroristischen Charakter", sagte der Gouverneur von St. Petersburg, Alexander Beglow, der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Damit war gemeint, dass es nicht um einen ukrainischen Angriff gehe. Beglow rief die Medien auf, keine Panik zu schüren.
Zusammenfassung
- Russland hat die südukrainische Hafenstadt Odessa mit drei ballistischen Raketen und drei Marschflugkörpern angegriffen, wobei ein Mensch getötet und acht weitere verletzt wurden.
- Die ukrainische Luftwaffe konnte drei Marschflugkörper erfolgreich abfangen, während drei Raketen vom Typ Iskander in Odessa einschlugen und Brände auslösten.
- In der russischen Stadt Noworossijsk wurden 44 ukrainische Drohnen abgefangen, nachdem Angriffe auf den Hafen und eine Raffinerie in Tuapse stattgefunden hatten.
- Eine Explosion in einer Militärakademie in St. Petersburg, verursacht durch eine alte Granate aus dem Zweiten Weltkrieg, verletzte sieben Soldaten.
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief zur Energieeinsparung auf und betonte die erheblichen Schäden im Energiesektor, die durch russische Angriffe verursacht wurden.