Lücken im System
Aufholbedarf: Die "Gaps" in der Gleichberechtigung von Frauen
Anfang 2023 lebten in Österreich mehr Frauen als Männer, nämlich rund 4,6 zu 4,5 Millionen. Trotz ihrer numerischen Überlegenheit sind sie trotzdem in vielen Teilen benachteiligt.
Diese "Gender Gaps" sollen vor allem am 8. März, dem internationalen Frauentag, sichtbar gemacht werden.
Politik
Die neue Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) betonte im Vorfeld des Frauentags, dass sie "Feministin" sei. Eine deutliche Abgrenzung zur früheren Frauenministerin, Susanne Raab (ÖVP). Sie lehnte diese Bezeichnung stets ab. Der Anteil an Ministerinnen sinkt in der Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS trotzdem.
Waren es unter der Regierung von Karl Nehammer noch neun Frauen und acht Männer Ressortchef:innen bzw. Staatssekretär:innen, sind es nun zehn Frauen und elf Männer. Das entspricht einer Quote von 48 Prozent.
Frauen in der Bundesregierung
- Die Geschlechterverteilung war am ungleichsten in der Großen Koalition von Bundeskanzler Josef Klaus (ÖVP). Bis 1966 war keine einzige Frau im Kabinett vertreten.
- In der folgenden Klaus-Alleinregierung war nur eine Frau Regierungsmitglied: Grete Rehor (ÖVP).
- Bis in die Regierungszeit von Franz Vranitzky (SPÖ) gab es höchstens drei weibliche Regierungsmitglieder.
- 1994 waren erstmals fünf Frauen in der Regierung vertreten: Sonja Moser, Maria Rauch-Kallat, Johanna Dohnal, Christa Krammer und Brigitte Ederer. Damals bestand das Regierungsteam aber immerhin auch aus 21 Personen.
- 2007 wurde unter Alfred Gusenbauer (SPÖ) erstmals eine 40-Prozent-Quote erreicht. Danach sank der Frauenanteil jedoch erneut.
- Eine Geschlechterparität gab es bislang nur einmal – in der Expertenregierung von Brigitte Bierlein (2019).
Im Nationalrat ist der Frauenanteil noch niedriger als im Kabinett der Bundesregierung. Derzeit sind von 183 Abgeordneten 67 Frauen, also etwa 36,61 Prozent.
Ebenfalls gibt es auf Gemeinde-Ebene viel Aufholbedarf. Nur rund jede zehnte der 2.093 Gemeinden hat eine Bürgermeisterin.
Arbeit
Auch abseits des Politikerinnen-Daseins werden Frauen in der Arbeitswelt benachteiligt. Viel zitiert wird dort der sogenannte "Gender Pay Gap", d.h. der Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern.
In Österreich beträgt der aktuell 12,18 Prozent. Laut der Website "Equal Pay Day" bedeutet das umgerechnet, dass Frauen etwa 44 Tage umsonst arbeiten. Eine Angleichung der Gehälter – also eine gerechte Lohnverteilung – wird demnach erst für 2080 prognostiziert. Wer aktuell also arbeitstätig ist, wird die Schließung dieser Lücke in seiner Arbeitszeit nicht mehr erleben.
Hinzu kommt der "Gender Care Gap". Er beschreibt die unbezahlte Sorgearbeit, die Frauen leisten. Dazu zählen etwa Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit, Ehrenamt und weitere Tätigkeiten für die Familie. Frauen übernehmen in Österreich fast um die Hälfte mehr Care-Arbeit als Männer – nämlich 43 Prozent.
Berechnet wird diese Lücke, indem die durchschnittliche tägliche Dauer von unbezahlten Care-Tätigkeiten gemessen wird. Männer, die angeben, dass sie solche Arbeit leisten, verbringen damit im Schnitt etwa 2 Stunden 59 Minuten. Bei Frauen sind es allerdings 4 Stunden 15 Minuten. Also beinahe um die Hälfte mehr. Pro Tag.
Medizin
Etwas weniger bekannt, aber mindestens genauso wichtig, ist der "Gender Health Gap". Er bezeichnet die Geschlechterungleichheit in der medizinischen Forschung und der Versorgung. So ist die Krankheitslast von Frauen höher als die von Männern. Während Frauen hierzulande durchschnittlich 83,7 Jahre alt werden, verbringen sie rund 19,3 Jahre davon in mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit. Bei Männern sind es 16,2 Jahre.
Eine Ursache für die gesundheitliche Kluft zwischen den Geschlechtern ist in der Forschung zu finden. Dort sind Frauen auch nach Fortschritten weiterhin in klinischen Studien unterrepräsentiert – Daten- und Wissenslücken sind die Folge. Und die können lebensgefährlich sein.
So gelten etwa Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, besonders Herzinfarkte, weiterhin als typische Männerkrankheiten. Zwar erleiden Männer häufiger einen Herzinfarkt, für Frauen gilt aber ein größeres Sterberisiko. Tatsächlich sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 37 Prozent die Todesursache Nummer eins bei Frauen, so die MedUni Wien.
Die richtige Diagnose zu stellen, kann aber komplizierter sein. Denn die "typischen" Symptome wie ein stechender Brustschmerz sind an das männliche Krankheitsbild angepasst, bei Frauen stehen oft Übelkeit, Schweißausbrüche oder Kurzatmigkeit im Vordergrund.
Geplante Maßnahmen
Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) kündigte im Vorfeld des Frauentags einen "ambitionierten Fahrplan" an, der u.a. gerade auch die Förderung von Frauen in Wissenschaft und Forschung hervorhob. Zudem seien Maßnahmen zum besseren Gewaltschutz und zur Lohntransparenz geplant.
Nach der Pressekonferenz blieb trotzdem vor allem ihr Bekenntnis zum Feminismus in Erinnerung. Eigentlich eine Aussage, die als Frauenministerin keiner Meldung wert sein sollte. Schließlich umfasst der Begriff laut Duden nur das Einsetzen für die "Gleichberechtigung, Selbstbestimmung und Freiheit aller Geschlechter, v. a. von Frauen".
Zusammenfassung
- Am 8. März wird zum 114. Mal der internationale Frauentag gefeiert.
- Im Mittelpunkt stehen Themen rund um die Gleichberechtigung von Frauen - und da gibt es auch in Österreich noch viel Aufholbedarf.
- Die “Gaps”, also die Lücken, zwischen den Geschlechtern sind teilweise weiterhin regelrechte Klüfte.
- Besonders in der Politik, im Arbeitsleben und in der Gesundheit haben Frauen zu kämpfen.