Raab denkt über Leistungspflicht bei Deutschkursen nach
Sie könne sich vorstellen, dass in einem bestimmten Zeitraum ein "gewisses Sprachniveau" erreicht werden müsse, um die Sozialhilfe zu behalten, sagte Raab bei der Präsentation des Integrationsberichtes am Donnerstag. Die Grünen lehnen "Verschärfungen unter dem Deckmantel 'Leistungspflicht'" ab.
Wartefrist für Sozialleistungen
"Wir denken darüber nach, wie man das gesetzlich abbilden kann", erklärte die Integrationsministerin. Derzeit gelte lediglich eine Teilnahmepflicht, um die Sozialhilfe nicht zu verlieren. Gleichzeitig sprach sie sich abermals für eine Wartefrist für Sozialleistungen für Neuzugewanderte in Österreich nach dänischem Vorbild aus. Schließlich soll nicht das hiesige Sozialsystem der Anreiz für Zuwanderung sein.
Sie habe "kein Verständnis" dafür, dass viele trotz zahlreicher Kurse nicht den Sprung in den Arbeitsmarkt schaffen und stattdessen in einer "Endlos-Kurs-Schleife" hängen. "Ich halte es, gerade bei der derzeitigen Arbeitsmarktsituation, für inakzeptabel, dass Menschen Jahre im Sozialhilfesystem verweilen." Dabei gehe es nicht immer um "Deutsch auf Hochschulniveau", sondern um Basiskenntnisse.
Raab will Wartefristen für Sozialleistungen
Keine Unterstützung des Koalitionspartners
Auf die Unterstützung des Koalitionspartners kann Raab dabei nicht zählen. "Kürzungen bestehender Sozialleistungen oder Verschärfungen unter dem Deckmantel 'Leistungspflicht'" stünden für sie nicht zur Diskussion, heißt es in einem Statement der Grünen gegenüber der APA.
Mit Sozialleistungen unterstütze man "jene Menschen, die unsere Hilfe wirklich brauchen". Diese treffsicher zu gestalten, sei eine wichtige Aufgabe der Politik. Maßgeblich sei dabei nicht das Ausmaß der Beschäftigung oder der "Leistung", sondern der Bedarf an Unterstützung.
Hoher Alphabetisierungsbedarf
Ein Problem ist laut Raab der teilweise hohe Alphabetisierungsbedarf. Von den 2022 Gekommenen hätten sieben von zehn Alphabetisierungsbedarf. Bei den Syrern sei dieser Anteil mit 78 Prozent am höchsten. Dass der Alphabetisierungsbedarf zugenommen habe, bestätigte auch die Vorsitzende des Integrationsbeirats, Katharina Pabel. Diese Gruppe stoße zwar auf ein gutes System, es liege jedoch auf der Hand, dass sie bestimmte Deutschniveaus nur schwer erreichen können. Daher plädiert Pabel für eine Flexibilisierung des Deutschangebots, etwa wie die vom Integrationsfonds (ÖIF) angebotenen Online-Deutsch-Lerneinheiten, die unter anderem auf Einstiegsjobs zugeschnitten sind.
Überhaupt müsse die Aufmerksamkeit vor allem auf Jugendliche gelegt werden, so Pabel. Daher habe sich auch der Expertenrat im heurigen Bericht diesen Schwerpunkt ausgesucht. Ziel müsse sein, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund bei Bildung, Integration in den Arbeitsmarkt und soziale Integration Chancengleichheit erfahren. Die Auswertung der Daten zeige nämlich, dass Migranten schlechter abschneiden als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Viel weniger oft absolvieren sie eine Lehre oder wechseln in höher bildende Schulen, so Pabel.
Auch sei ihr Anteil in der Gruppe der "NEETs" größer, also jener, die sich nicht in Ausbildung, Arbeit oder Schulung befinden. Als Maßnahme schlägt der Expertenrat etwa eine systematischere und kontextbezogenere Berufsberatung vor. Besonders müsse der Fokus dabei auf Mädchen und junge Frauen mit Migrationshintergrund gelegt werden. Zudem sollte ein Augenmerk auf wegen der Flucht unterbrochene Bildungswege liegen.
Jede vierte Person mit Migrationshintergrund
Mittlerweile weist jede vierte Person hierzulande Migrationshintergrund auf. Wie Tobias Thomas, Generaldirektor der Statistik Austria, erläuterte, lebten 2022 2,35 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich. Der Anteil jener, deren Eltern beide im Ausland geboren sind, stieg von 25,4 Prozent im Jahr davor auf nunmehr 26,4 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Größte Gruppe der 1,7 Mio. in Österreich lebenden Ausländern waren mit Stichtag 1. Jänner deutsche Staatsbürger (225.000), gefolgt von 147.500 rumänischen sowie 121.900 serbischen und 119.700 türkischen Staatsbürgern. Auf den Rängen fünf bis zehn finden sich die Herkunftsländer Kroatien, Ungarn, Bosnien und Herzegowina, Syrien, die Ukraine und Polen. Die stärksten Zuwächse seit 2015 in absoluten Zahlen gab es bei Rumänen (plus 74.100), Ukrainern (plus 71.00), Syrern (plus 70.900) und Deutschen (plus 54.500).
Wie Thomas ausführte, beurteilen Zugewanderte das Zusammenleben deutlich besser als in Österreich Geborene. Während rund 61 Prozent der Zugewanderten dieses "sehr" bzw. "eher gut" einschätzen, sind das bei den hier Geborenen lediglich 28 Prozent. Ein gutes Drittel (34 Prozent) der autochthone Bevölkerung bezeichnet es hingegen als "eher" bzw. "sehr schlecht".
NEOS: ÖVP soll endlich in die Gänge kommen
Kritik kam am Donnerstag von der Opposition. NEOS-Integrationssprecher Yannick Shetty warf Raab vor, sich "mit der populistischen Forderung nach Sozialleistungskürzungen weiter an die FPÖ anzubiedern". Stattdessen sollte die ÖVP, die seit Jahrzehnten in der Regierung sitzt, in die Gänge kommen und endlich überfällige Reformen bei der Zuwanderung und am Arbeitsmarkt umsetzen. Ähnlich auch die Kritik des roten Integrationssprechers Christian Oxonitsch: "Seit zehn Jahren führt die ÖVP das Integrationsressort. Und seit zehn Jahren hören wir von der ÖVP, dass im Integrationsbereich zu wenig weitergeht." Oxonitsch erinnerte daran, dass die ÖVP gemeinsam mit den Freiheitlichen das Integrationsjahr am österreichischen Arbeitsmarkt abgeschafft habe. Verpflichtende Sommerdeutschkurse forderte angesichts des Integrationsberichts einmal mehr Wiens Vizebürgermeister und Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS).
FPÖ-Chef Herbert Kickl wiederum warf der ÖVP in einer Aussendung vor, die klare Trennung zwischen Zuwanderung und Asyl immer mehr aufzulösen. "Asyl ist Schutz auf Zeit und nicht der Deckmantel für eine Masseneinwanderung, vornehmlich nur in unser Sozialsystem." Die Freiheitlichen seien die einzigen, die diese Trennlinie "nachweislich, nachhaltig und konsequent mit der 'Festung Österreich'" ziehen, so Kickl.
Landau: Braucht langfristige Perspektive für Ukrainevertriebene
Eine langfristige Perspektive für Ukrainevertriebene verlangte Caritas-Präsident Michael Landau. Mittlerweile fühlten sich bereits mehr als die Hälfte Österreich zugehörig, und eine baldige Rückkehr in die Ukraine sei unwahrscheinlich. Kritik an Raab kam indes vom ÖGB. "Sinnvoller" wäre es die eigenen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen, anstatt über eine Leistungspflicht bei Deutschkursen nachzudenken, findet die ÖGB-Arbeitsmarktexpertin Sylvia Ledwinka.
Zusammenfassung
- Sie könne sich vorstellen, dass in einem bestimmten Zeitraum ein "gewisses Sprachniveau" erreicht werden müsse, um die Sozialhilfe zu behalten, sagte Raab bei der Präsentation des Integrationsberichtes am Donnerstag.
- Bei den Syrern sei dieser Anteil mit 78 Prozent am höchsten.
- Ziel müsse sein, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund bei Bildung, Integration in den Arbeitsmarkt und soziale Integration Chancengleichheit erfahren.