Prozess in der Schweiz zu Todesschwadron in Belarus
Für Viasna, die Menschenrechtsorganisation des inhaftierten Friedensnobelpreisträgers Ales Bialiatski, ist der Prozess ein Meilenstein. "Alle Ermittlungen wegen der schlimmen Verbrechen, die in Belarus passieren, bedeutet den Menschen viel", sagt Pavel Sapelka, Führungsmitglied von Viasna im Exil, der Deutschen Presse-Agentur vor dem Gerichtsgebäude in St. Gallen. Freie Medien würden in Belarus (Weißrussland) zwar unterdrückt, aber die demokratische Presse tue alles, um über den Prozess zu berichten.
So richtig schlau werden Richter, Ankläger und der Nebenklägeranwalt aus Garawski nicht. Immer wieder tauchen Widersprüche in seinen Aussagen auf. Der große, bullige Mann ist seit einem Autounfall 2008 verletzt und geht am Stock. Immer wieder steht er während der Verhandlung auf, weil langes Sitzen ihm wehtue, wie er sagt. Er trägt Jeans und Kapuzenpulli und weiße Turnschuhe und spricht so leise, dass Richter Olav Humbel ihn mehrfach auffordert, die Stimme zu erheben. Das tut der Angeklagte vor allem dann, wenn er mit Widersprüchen konfrontiert wird. "Ich habe nicht getötet, nur festgenommen", sagt er nach den Worten der Übersetzerin einmal aufgebracht. "Warum soll ich Verantwortung tragen?"
Garawski sagt, er sei dabei gewesen, als der ehemalige Innenminister Juri Sacharenko, der Ex-Leiter der Wahlkommission Viktor Gontschar und der Geschäftsmann Anatoli Krassowski entführt und ermordet worden seien. Er hat darüber auch der Deutschen Welle und anderen Medien berichtet. Die Männer gelten bis heute als vermisst. Die Töchter von Sacharenko und Krassowski sind im Gerichtssaal dabei. "Es ist schwierig für meine Seele", sagt Alena (Jelena) Sacharenko, die in Deutschland wohnt, in der Pause. Sie habe Beruhigungsmittel genommen. Der Angeklagte lässt sie kalt. "Er ist wie ein Tier", sagt sie.
Garawski entschuldigt sich am Ende der Beweisaufnahme. "Ich bereue meine Rolle zutiefst", liest die Übersetzerin seine vorbereitete Antwort vor. Er sei aber nur ein kleines Rädchen gewesen, habe später erkannt, wie verwerflich die Taten waren, und habe es als seine moralische Pflicht angesehen, nicht länger zu schweigen.
Das Gericht muss darüber befinden, ob Garawski seine Rolle womöglich aufgebauscht hat, um in der Schweiz Asyl zu erhalten. Der Richter sagte, Garawski habe sich über die Behandlung und seine Unterkunft in der Schweiz beschwert. Er kritisierte dessen "Anspruchshaltung". Der Asylantrag wurde abgelehnt. Garawski wird aber geduldet, weil ihm bei einer Abschiebung in der Heimat Festnahme und Tod drohen.
In Belarus herrscht der Agrarökonom Lukaschenko seit 1994, nach Angaben von Oppositionellen mit zunehmend brutalen Methoden. Nach den Präsidentschaftswahlen 2020 ließ er sich zum sechsten Mal in Folge zum Sieger erklären. Es kam zu Massenprotesten, die Lukaschenko mit Rückendeckung des engen Verbündeten Russland niederschlagen ließ. Die EU erkennt den inzwischen 69-Jährigen nicht mehr als Präsidenten an.
Zusammenfassung
- Erstmals beschäftigt sich ein Gericht mit möglichen Verbrechen im Auftrag der autoritären Regierung von Alexander Lukaschenko in Belarus.
- Angeklagt ist Juri Garawski.
- Vor Gericht im Schweizer St. Gallen sagt der 45-Jährige, er sei Mitglied einer Todesschwadron und 1999 bei der Ermordung von drei Oppositionellen dabei gewesen.
- Die Töchter von Sacharenko und Krassowski sind im Gerichtssaal dabei.
- Der Angeklagte lässt sie kalt.