Polizei bekommt Antisemitismus-Schulung
Schon derzeit ist der Besuch der Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen Teil der Polizeiausbildung. Künftig soll es zusätzlich acht Einheiten, zur Hälfte online, geben, die sich auf verschiedene Arten mit dem Thema Antisemitismus auseinandersetzen, wie Landau, der selbst jüdische Wurzeln hat, erklärte. So geht es etwa um konkrete Biografien aus der Zeit zwischen 1939 und 1945, um Opfer wie Täter, aber auch Schattierungen sichtbar zu machen. Ein weiteres Modul befasse sich mit Verantwortung im polizeilichen Handeln. Zudem sollen die angehenden Polizeibeamten jungen Jüdinnen und Juden begegnen, um zu erfahren, "was heißt jüdisches Leben im 21. Jahrhundert". Geplant ist auch ein Skriptum, das über problematische Begrifflichkeiten und Phrasen aufklärt. Im September startet der Probebetrieb, die Module sollen nicht nur im Rahmen der Grundausbildung, sondern auch der Fortbildung absolviert werden können.
Die jungen Polizistinnen und Polizisten sollen damit "das Rüstzeug bekommen, um antisemitische Straftaten rechtzeitig zu erkennen und die negative Vielfalt des Antisemitismus auch kennenlernen und begreifen", meinte Nehammer. Es geht dem Minister dabei auch um "komplexe Einsätze" wie die Demonstrationen von Corona-Leugnern, wo es unter anderem auch judenfeindliche Parolen gab, oder auch die jüngsten Anti-Israel-Demonstrationen in Wien. Kritik, die Polizei gehe hier teils zu lasch vor, wies Nehammer einmal mehr zurück. Man habe Dokumentationsteams vor Ort und greife sehr wohl ein – in welcher Form, sei aber immer eine Abwägung der Verhältnismäßigkeit.
Was Antisemitismus innerhalb der Polizei betrifft, glaubt der Minister, dass dieser weniger verbreitet sei als im Durchschnitt der Gesellschaft, weil bereits im Auswahlverfahren darauf geachtet werde, ob es sich um geeignete Kandidaten handle. Aber, betont der Minister, "wenn es das gibt, dann muss es abgestellt werden, dann braucht es eben auch diese Kultur des Benennens". Die neue Ausbildung solle auch auf dieser Ebene dazu führen, "dass man sensibilisiert wird für das Thema".
Aufgefallen war zuletzt, dass vergangenes Wochenende im Gegensatz zu früheren Jahren kein Regierungsmitglied der ÖVP bei der Befreiungsfeier des Mauthausen Komitees anwesend war. Der ÖVP-Abgeordnete Martin Engelberg hatte dies damit begründet, die Veranstaltung werde "parteipolitisch missbraucht" und erinnere ihn an eine "1. Mai Feier".
Dazu gefragt betonte Nehammer, dass man der Befreiung von Regierungsseite "intensiv gedacht" habe. Man habe beispielsweise auch ein neues Format des Gedenkens entwickelt und am 4. Mai die Namen der Opfer auf die Mauern des ehemaligen KZ projizieren lassen und verlesen. Bei den Befreiungsfeiern des Mauthausen Komitees der vergangenen Jahre habe er den Eindruck gehabt, dass "bei dieser Form der Feier zu wenig drauf geachtet wird, dass es eben nicht parteipolitisch motiviert ist und dominiert wird, sondern dass es tatsächlich um das Gedenken an die Opfer geht".
Landau dagegen findet es "wirklich schade", dass mit der bisherigen Tradition gebrochen wurde, wonach alle Gruppen gemeinsam gedenken. Engelbergs Aussagen kritisierte Landau als "unglücklich".
Unterschiedlicher Meinung sind Nehammer und Landau auch, was das viel beachtete Hissen der israelischen Fahne an Kanzleramt und Außenministerium während des aktuellen Nahost-Konflikts betrifft. Landau, der selbst Verwandtschaft in Israel hat, sieht die Aktion "problematisch", weil er die Fahne als eine "Positionierung an einer Stelle" wahrnimmt. Solidarität mit den Opfern sei angebracht, aber "ich habe die gleiche Solidarität mit den zivilen Opfern auf palästinensischer Seite".
Österreich habe aufgrund seiner Geschichte eine besondere Verantwortung für den Staat Israel, unterstrich wiederum Nehammer. "Die Solidarität und Verbundenheit zwischen Israel und Österreich rechtfertigt es aus meiner Sicht zu hundert Prozent, die israelische Fahne zu hissen - als Symbol der Solidarität, dass Menschen aus Angst vor Raketen in Bunker laufen müssen, die abgefeuert werden von terroristischen Organisationen."
Zusammenfassung
- Dafür hat der Bildungsexperte Daniel Landau ein neues Ausbildungsmodul erarbeitet, das acht Stunden umfasst und ab Herbst starten soll.
- Es gehe um ein "Rüstzeug", um Antisemitismus rechtzeitig zu erkennen, meinte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).
- Engelbergs Aussagen kritisierte Landau als "unglücklich".
- Solidarität mit den Opfern sei angebracht, aber "ich habe die gleiche Solidarität mit den zivilen Opfern auf palästinensischer Seite".