ÖVP verliert Ruf als Mittelstandspartei
Für die drei Verbände zeichnet sich damit ein "Dreikampf um die Mitte" ab, der sich laut Umfrage 36 Prozent der Befragten zugehörig fühlen (Schwankungsbreite 3 Prozentpunkte). Gleichzeitig hat sich im Vergleich zum Jahr 2020 der Anteil der Wähler, die in keiner der Nationalratsparteien eine Mittelstandspartei sieht, auf 20 Prozent fast verdoppelt. Weitere 14 Prozent gaben an, sie wüssten nicht, welche Partei sich für den Mittelstand engagiert.
"Wenn der Mittelstand aus der Mitte verdrängt wird und keinen Platz mehr im politischen Entscheidungsprozess findet, verlieren alle an Wohlstand und die Wirtschaft ihr Rückgrat", warnte Gewerbeverein-Präsident Peter Lieber laut Presseunterlage. Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen wollten wissen, was mit ihrem Geld passiere und ob das für sie und für alle gerecht sei. "Wir stehen im internationalen Wettbewerb und dürfen den Anschluss an die wohlhabende Welt nicht verlieren, nur weil die bekannten Seilschaften von der Reformresistenz profitieren."
Die Umfrageergebnisse würden außerdem zeigen, dass "die Kluft zwischen dem als Hauptleistungsträger anerkannten Mittelstand und der als Lobbying-Profiteure angesehenen Welt der Konzerne und Politik" immer größer werde, so Lobby-der-Mitte-Obmann Wolfgang Lusak. Laut der Gallup-Erhebung haben immer weniger Befragte den Eindruck, dass der Mittelstand zu den Profiteuren von Lobbying gehört. Der Wert sackte hier seit 2020 von 27 auf nunmehr 4 Prozent ab. Bei Klein- und Mittelbetrieben hat sich der Einfluss aus Sicht der Befragten auf nunmehr 11 Prozent gedrittelt, bei den Beamten, Non-Profit- und Sozialorganisationen halbierte er sich. Als größte Profiteure von Lobbying werden weiterhin Konzerne (74 Prozent), Politik (66) und Finanzwirtschaft (41) gesehen.
Für den Vorstandsvorsitzenden des Senats der Wirtschaft Hans Harrer ist "die Politik in ihrer Ignoranz gegenüber dem Mittelstand" eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort, Medien warf er eine "Glorifizierung" von Trends wie der 4-Tage- oder 32-Stunden-Woche vor. Die Politik müsse aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen, die Medien ihre "ideologiegetriebenen Manipulationen" beenden und die Bevölkerung "endlich für eine Stärkung des Mittelstandes" eintreten. "Andernfalls riskieren wir nicht nur den Verlust von Arbeitsplätzen und Wohlstand, sondern setzen unsere Demokratie und den sozialen Frieden aufs Spiel."
Zusammenfassung
- Eine Gallup-Umfrage zeigt, dass nur noch 17 Prozent der Österreicher die ÖVP als Mittelstandspartei sehen, ein deutlicher Rückgang von 31 Prozent im Jahr 2020.
- Die SPÖ behauptet sich mit 19 Prozent als stärkste Mittelstandspartei, während die FPÖ auf 17 Prozent ansteigt und somit gleichauf mit der ÖVP liegt.
- Wirtschaftsverbände kritisieren die Vernachlässigung des Mittelstands durch die Politik und warnen vor Wohlstandsverlusten sowie einer Gefährdung der Demokratie und des sozialen Friedens.