Österreich: Rechtsstaatsverfahren zu Ungarn "ergebnisoffen"
Das Außenamt hatte am Montag zu dem Thema verlauten lassen, Österreich unterstütze, "dass das Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn gewissenhaft fortgesetzt wird". Die Sprecherin verdeutlichte am Mittwoch: "Gewissenhaft heißt ergebnisoffen." Gleichzeitig betonte sie: "Es gibt keinen Grund, das Verfahren einzustellen."
FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker bezeichnete die Drohung mit dem Stimmentzug für Ungarn als "zutiefst undemokratischer Akt, der aufs Schärfste zu verurteilen ist". Er betonte in der Aussendung vom Mittwoch weiter: "Die Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn stellen allein schon eine unzulässige Einmischung in die nationale Souveränität eines EU-Mitgliedsstaates dar. Den EU-Eliten geht es dabei einzig und allein nur darum, eine unliebsame Regierung zu disziplinieren." Hafenecker attackierte in diesem Zusammenhang auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP): Dieser laufe "wie ein Dackel diesem undemokratischen Irrsinn hinterher".
Das Artikel-7-Verfahren kann gegen einen EU-Mitgliedstaat eröffnet werden, wenn dieser gegen die Grundwerte der EU verstößt. Bisher wurde ein solches Verfahren in der EU nur gegen Polen und Ungarn verhängt. Erst kürzlich wurde das Verfahren gegen Polen im Gefolge eines Regierungswechsels wieder gestoppt.
Die letzte Phase des Artikel-7-Verfahrens, die sogenannte "nukleare Option", mit der auch ein Entzug der Stimmrechte einhergehen kann, wurde bisher noch nie eingeleitet. Die Hürden dafür sind hoch: Für einen Entzug brauch es zunächst einen einstimmigen Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs (ohne allerdings die Stimme des betroffenen Landes) sowie einen Beschluss des EU-Parlaments. In einem weiteren Schritt kann der Rat der EU-Mitgliedstaaten mit einer qualifizierten Mehrheit (72 Prozent der Länder, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren) konkrete Maßnahmen entscheiden.
Der Vorstoß der belgischen Ministerin kommt einen Monat vor der Übergabe der EU-Ratspräsidentschaft von Belgien an Ungarn. Der als Russland-freundlich geltende ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat zuletzt immer wieder einstimmige Beschlüsse mit seinem Veto verhindert oder hinausgezögert, insbesondere solche mit Bezug auf die Ukraine.
Zusammenfassung
- Das Außenministerium in Wien fordert ein ergebnisoffenes EU-Rechtsstaatsverfahren zu Ungarn und widerspricht damit der Interpretation, dass Österreich einen Stimmentzug unterstützt.
- FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker verurteilte die Drohung mit dem Stimmentzug für Ungarn als zutiefst undemokratisch und kritisierte Außenminister Alexander Schallenberg scharf.
- Das Artikel-7-Verfahren gegen Ungarn könnte in seiner letzten Phase zu einem Entzug der Stimmrechte führen, wofür es jedoch hohe Hürden gibt, einschließlich eines einstimmigen Beschlusses der EU-Staats- und Regierungschefs.