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Ökonominnen wollen "Klima-Update" für Sozialstaat

Der Sozialstaat braucht Ökonominnen zufolge ein "Klima-Update". Weil sich Risiken aufgrund des Klimawandels häufen, müsse der Sozialstaat in Zukunft sozial gerecht sowie ökologisch nachhaltig sein und zum Klimaschutz beitragen, betonten Katharina Bohnenberger und Margit Schratzenstaller in einem Mediengespräch von "Diskurs. Das Wissenschaftsnetz" am Mittwoch. Im Budget gebe es zur Finanzierung der Maßnahmen "großes Umschichtungspotenzial", so Schratzenstaller.

Nicht zuletzt Extremwetterereignisse wie das Hochwasser im September führen laut der WIFO-Ökonomin zu "fundamentalen Änderungen" in der Gesellschaft. Neue ökosoziale Risiken beinhalten beispielsweise Pflegebedarf aufgrund von Hitzestress oder die Teuerung von Lebensmitteln, erklärte Bohnenberger, die am Institut für Sozioökonomie der Universität Duisburg-Essen tätig ist. Betroffen seien vor allem Personen, die sowieso schon benachteiligt waren. Für diese Probleme gebe es noch keine klaren Zuständigkeiten, Maßnahmen würden eher adhoc getroffen.

Es brauche daher eine Entwicklung hin zu klimafreundlichen Sozialleistungen und umweltkompatiblen Anreizen durch das Sozial- und Arbeitsrecht, betonte Bohnenberger, die eine Klimasozialversicherung als mögliche Maßnahme für ein "Klima-Update" ins Treffen führte. Schratzenstaller plädierte mit Bezug auf eine vom Sozialministerium beauftragte Studie des WIFO und des Instituts für angewandte Sozialforschung und Beratung abif dafür, klimaschädliche Subventionen wie das Dieselprivileg einzuschränken. Nur unzureichend genutzt würde in Österreich zudem das Lenkungspotenzial von Umweltsteuern wie auf Bodenverbrauch oder Individualverkehr. Der CO2-Preis bilde außerdem nicht den tatsächlichen Preis ab, der zum Erreichen der Klimaziele notwendig wäre. Budgetäre Konsequenzen einer unzureichenden Klimapolitik wie der Ankauf von Emissionszertifikaten sollen verhindert werden.

Die WIFO-Ökonomin appellierte, die Abgaben auf Arbeit zu senken, gleichzeitig aber Finanzierungsquellen wie die Grundsteuer oder eine Erbschaftssteuer zu nutzen. Es brauche mehr "Green Budgeting", also die Überprüfung und Umgestaltung von Einnahmen und Ausgaben aus ökologischer Perspektive. Zudem sollen Infrastrukturen ökologisches Handeln ermöglichen. Beispielsweise werde die Entscheidung für den Zug Reisenden aufgrund von Kosten und unzureichenden Angebots "derzeit nicht leicht gemacht".

Wie viel Geld für eine Transformation des Sozialstaats notwendig sei, dazu gebe es keine umfassenden Schätzungen. Jedenfalls müsse der Finanzierungsspielraum geschaffen werden, "ohne sich allzu sehr neu zu verschulden". Es gebe ein "großes Umschichtungspotenzial", so Schratzenstaller.

In Österreich lobte Bohnenberger das Kapitel "Ökosozialstaat" im Sozialbericht 2024, wo diese Thematik bereits adressiert wurde. Die Expertinnen gaben sich - auch im Lichte der aktuellen Regierungsbildung - optimistisch, dass künftig Maßnahmen in diese Richtung gesetzt werden. Die Krise in der Budgetpolitik biete die Chance, "sich andere Optionen zu überlegen", meinte Schratzenstaller. Und selbst, wenn die neue Regierung diese Themen "nicht so stark auf dem Schirm hat", werde es vonseiten der EU Bedarf geben, Lösungen zu finden, fügte Bohnenberger hinzu.

ribbon Zusammenfassung
  • Ökonominnen fordern ein 'Klima-Update' für den Sozialstaat, um auf die zunehmenden Risiken des Klimawandels zu reagieren und soziale Gerechtigkeit mit ökologischer Nachhaltigkeit zu vereinen.
  • Das Budget bietet großes Umschichtungspotenzial, um Maßnahmen zu finanzieren, die unter anderem klimaschädliche Subventionen wie das Dieselprivileg einschränken und das ungenutzte Lenkungspotenzial von Umweltsteuern besser nutzen.
  • Eine Klimasozialversicherung und die Senkung von Arbeitsabgaben zugunsten alternativer Finanzierungsquellen wie der Grundsteuer werden als mögliche Schritte zur Anpassung des Sozialstaats an die ökologischen Herausforderungen diskutiert.