Netanyahu kontert Biden: Kein souveräner Palästinenserstaat
US-Präsident Biden hatte zuvor nach einem Telefonat mit Netanyahu auf die Frage von Journalisten, ob eine Zweistaatenlösung unmöglich sei, solange Netanyahu noch im Amt sei, gesagt: "Nein, ist sie nicht."
Laut der "Jerusalem Post" stellte das Büro des israelischen Regierungschefs in einer Stellungnahme klar, dass Netanyahu in seinem Gespräch mit Biden die Position bekräftigt habe, die er seit Jahren konsequent vertrete. "Nach der Beseitigung der Hamas muss Israel die volle Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen behalten, um sicherzustellen, dass der Gazastreifen keine Bedrohung für Israel darstellt, und das steht im Widerspruch zur Forderung nach palästinensischer Souveränität", wurde Netanyahus Büro zitiert.
Netanyahu hatte erst vor dem Gespräch mit Biden eine Zweistaatenlösung, auf die der wichtige US-Verbündete drängt, mit den Worten abgelehnt: "Israels Ministerpräsident muss imstande sein, auch "nein" zu sagen, wenn es nötig ist, selbst zu unseren besten Freunden." Er denke, dass man in der Lage sein werde, eine Lösung zu finden, sagte Biden nach dem Telefonat mit Netanyahu zu Journalisten in Washington. Es gebe "verschiedene Arten von Zweistaatenlösungen".
Auch der britischer Verteidigungsminister Grant Shapps kritisierte die ablehnende Haltung Netanyahus zu einer Zweistaatenlösung. "Ich denke, es ist enttäuschend, wenn man Benjamin Netanyahu sagen hört, dass er nicht an eine Zweistaatenlösung glaubt", sagte Shapps am Sonntag dem Fernsehsender Sky News. Fairerweise müsse man sagen, dass Netanyahu das schon lange sage. "Ich glaube nicht, dass wir eine Lösung finden werden, bis wir eine Zweistaatenlösung haben", sagte Shapps. Großbritannien werde daran festhalten.
"Die Palästinenser verdienen einen souveränen Staat", sagte Shapps der BBC. Und Israel verdiene es, sich und seine Sicherheit verteidigen zu können. Er sehe nicht, wie es eine Lösung geben könne, wenn man nicht eine Zweistaatenlösung anstrebe. Man habe in der israelischen Regierung viele verschiedene Ansichten, sagte Shapps. "Wir unterscheiden also sehr stark zwischen den Ansichten einzelner und unserer allgemeinen Unterstützung für Israel als Land."
Auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres kritisierte das Vorgehen Israels im Gazastreifen und die ablehnende Haltung gegenüber einer Zweistaatenlösung erneut scharf. "Israels Militäreinsätze haben massenhafte Zerstörung verbreitet und Zivilisten in einem Ausmaß getötet, wie ich es in meiner Zeit als Generalsekretär noch nie erlebt habe", sagte er am Sonntag. "Das ist herzzerreißend und völlig inakzeptabel." Auch die Verweigerung einer Zweistaatenlösung sei nicht hinnehmbar. Guterres äußerte sich bei einem Entwicklungsländer-Gipfel der ugandischen Hauptstadt in Kampala. Den Palästinensern das Recht auf Staatlichkeit zu verweigern, würde "einen Konflikt auf unbestimmte Zeit verlängern, der zu einer großen Bedrohung für den Weltfrieden und die Sicherheit geworden ist".
Vor dem Hintergrund des anhaltenden Vorgehens der israelischen Armee gegen die Hamas im Gazastreifen hat der politische Anführer der militanten Palästinenser-Organisation, Ismail Haniyeh, bei einem Besuch in der Türkei über einen baldigen Waffenstillstand sowie eine Zweistaatenlösung "für einen dauerhaften Frieden" gesprochen. Weitere Themen des Treffens mit dem türkischen Außenmister Hakan Fidan waren die Freilassung der aus Israel in den Gazastreifen entführten Geiseln und eine Aufstockung der humanitären Hilfe für die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen, hieß es am Sonntag aus Diplomatenkreisen.
Demnach fand das Treffen zwischen Fidan und dem in Katar lebenden Haniyeh bereits am Samstag statt. Der letzte offizielle Kontakt zwischen den beiden Politikern war ein Telefonat am 16. Oktober - unmittelbar nach dem beispiellosen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober und dem Beginn des daraus folgenden Krieges. Die Hamas spricht Israel das Existanzrecht ab, lehnt wie Netanyahu eine Zweistaatenlösung ab und strebt die Schaffung eines palästinensischen Staates auf dem ganzen Gebiet westlich des Jordans an.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte seit Beginn des Konflikts angeboten, zwischen der Hamas und Israel zu vermitteln. Für ihn stellt die radikalislamische Palästinenserorganisation eine "Befreiungsbewegung" dar, während er Israel mehrfach als "Terrorstaat" bezeichnete. Bisher erfolgten jegliche Vermittlungsbemühungen jedoch über Katar und Ägypten.
Am 7. Oktober töteten hunderte Kämpfer der nicht nur von Israel sondern auch von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas bei einem brutalen Angriff auf Israel etwa 1.140 Menschen getötet und rund 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Nach israelischen Angaben befinden sich nach wie vor 132 Geiseln in der Gewalt der Hamas, 27 von ihnen sollen tot sein. Als Reaktion auf den Überfall erklärte Israel der Hamas den Krieg und startete einen massiven Militäreinsatz im Gazastreifen. Nach jüngsten Angaben des Hamas-Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dort seither mehr als 24.900 Menschen getötet.
Zusammenfassung
- Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hat die Darstellung von US-Präsident Joe Biden zurückgewiesen, eine Zweistaatenlösung im Nahen Osten, ein offizieller Palästinenser-Staat neben Israel, sei nach dem Gaza-Krieg mit ihm machbar.
- US-Präsident Biden hatte zuvor nach einem Telefonat mit Netanyahu auf die Frage von Journalisten, ob eine Zweistaatenlösung unmöglich sei, solange Netanyahu noch im Amt sei, gesagt: "Nein, ist sie nicht."