Vier unter der Lupe: Neue Schau im Wiener Aktionismus-Museum
"Man bekommt einen neuen Blick darauf, was Wiener Aktionismus war", betonte Badura-Triska bei einer Presseführung zur am Freitag öffnenden Präsentation. "Zum ersten Mal sind diese Aktionen mit umfangreichem Material dokumentiert", ergänzte WAM-Direktorin Julia Moebus-Puck. Dahinter liegen oft jahrelange Recherchen der jeweiligen Kuratoren und Kuratorinnen. Zu sehen sind u.a. Fotografien, Filme, Zeitungsausschnitte und Manuskripte zu den jeweiligen Aktionen, um die Performances näher zu erläutern und Einblick in das bildhafte Denken der Künstler zu geben.
Von den "Vier Aktionen" war nur jene von Nitsch öffentlich, erläuterte Badura-Triska. Im Rahmen des Festes des psychophysischen Naturalismus, einer gemeinsamen Veranstaltung mit Muehl, am 28. Juni 1963 legte sich Nitsch - im WAM in zahlreichen schwarz-weißen Fotografien nachvollzogen - zunächst mit einem toten Lamm ins Bett. Anschließend wurde der Kadaver über dem Bett aufgehängt und vom Künstler mit einer Klampfe "bearbeitet". "die analytische-tachistische malträtierung und zerreißung des lamm-kadavers in analogie zur passion christi", schrieb Nitsch u.a. dazu, auf einer Texttafel nachzulesen.
Wenig Verständnis zeigten Presse und Obrigkeit. "Die Wiener Polizei hatte Mordalarm", berichtete die "AZ". "Doch die angebliche Bluttat erwies sich als makabrer Scherz zweier zweifelhafter Künstler. Sie hatten ein in einen Sack verpacktes frischgeschlachtetes Lamm in den Donaukanal geworfen." Neben dem Artikel findet sich der Polizeibericht und die Auskunft, dass Nitsch und Muehl wegen diverser Ordnungsübertretungen 400 Schilling Strafe zu zahlen oder zwei Wochen Arrest anzutreten hatten (was die beiden nicht zuletzt aus finanziellen Gründen taten). Das WAM macht nun eine sachliche Betrachtung und tiefere Analyse der Aktion sowie auch einen durchaus erwünscht kritischen Diskurs abseits des Skandal-Geschreis möglich.
Opulenteste Aktion von Brus
Die Präsentation von Muehls "Materialaktion Nr. 11, Mama und Papa" vom 4. August 1964 kleidete Kurator Pascal Zoss in 300 Bildern von zwei Fotografen. "Zunächst galt es, die Chronologie der Handlung so genau wie möglich wieder zu finden", so Zoss. Mit "Silber" (Frühjahr 1965) wurde die wohl opulenteste Aktion von Brus ausgewählt, laut Kurator Roman Grabner "motivisch vollgespickt mit Elementen aus Literatur und bildender Kunst des Fin de Siècle". Brus' Partnerin Anna, die dabei mit Leinentüchern umwickelt und zum Paket verschnürt wurde, spricht als Ergänzung in einem Film über ihre Erfahrung als Frau mit dem Aktionismus und ihrem Mitwirken.
Im letzten Teil der Schau wird die vorletzte Aktion (18. Dezember 1965) von Rudolf Schwarzkogler gewürdigt, der sich nach acht vom Aktionismus abwenden sollte. "In ihrer Reduziertheit unübertroffen", schwärmt Kurator Marcello Farabegoli über die Aktion mit der "marionettenhaften Passivität des anonymisierten Körpers" als zentrales Motiv. Die Fotografien zeigen eine andere, eher subtile Ästhetik im Vergleich etwa zu Muehl. Ein wieder entdeckter Film von Brus, der die Aktion mit der Kamera festhielt, ergänzt hier die Fotografien.
Neues Buch zum Aktionismus
Nach dieser durchaus spannenden und inhaltsreichen Auseinandersetzung mit "Vier Aktionen" zeigt das WAM heuer noch ab 27. Mai Thomas Feuerstein, ab 28. August folgt die erste museale Soloausstellung von Marko Markovich. "Er steht dem Wiener Aktionismus in seiner Radikalität um nichts nach", sagte Moebus-Puck. Parallel zu "Vier Aktionen" wird ein überarbeitetes Buch zur Materie angeboten, das sich "in leicht nachvollziehbarer Form, aber ohne Auslassungen" (Badura-Triska) an ein breites Publikum wendet.
(S E R V I C E - "Vier Aktionen" im Wiener Aktionismus Museum, 14.2.-27.7., 1., Weihburggasse 26, MI-FR 13 bis 18 Uhr, SO und Feiertage 11-18 Uhr; wieneraktionismus.at)
Zusammenfassung
- Das Wiener Aktionismus Museum präsentiert die Ausstellung 'Vier Aktionen', die ab 14. Februar zu sehen ist und sich mit den Werken von Brus, Muehl, Nitsch und Schwarzkogler befasst.
- Hermann Nitschs Aktion führte 1963 zu einem Polizeieinsatz und einer Geldstrafe von 400 Schilling, da er einen Lammkadaver bearbeitete.
- Neben der Ausstellung wird ein neues Buch über den Wiener Aktionismus veröffentlicht, das sich an ein breites Publikum richtet.