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Meinl-Reisinger über die NEOS: Vom Start-Up zum KMU

Mit 91 Prozent wird Parteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger am Samstag bei der Mitgliederversammlung in Wien-Ottakring wiedergewählt. In einer rund 30 Minuten langen Rede schwört die Parteichefin ihre pinken Anhänger:innen auf eine mögliche Regierungsbeteiligung im Herbst ein.

Das Wichtigste vorweg: Achtung Brandgefahr! Wenn sich die NEOS an einem heißen Julitag zur Mitgliederversammlung in der Rösthalle im 16. Wiener Gemeindebezirk treffen, herrscht striktes Rauchverbot. Das hat wenig mit dem Nichtraucherschutz zu tun, sondern mit den Dutzenden Strohballen, die das Veranstaltungszelt einschließen. Eine achtlos weggeworfene Zigarette könnte hier wohl Verheerendes ausrichten, warnt Generalsekretär Douglas Hoyos bereits zu Beginn der Veranstaltung. Der Glimmstängel passt am Ende des Tages wohl auch nicht so ganz zu einer vergleichsweise jungen Partei, die viel Wert auf ein modernes Image legt.

Letzte Etappe vor der Nationalratswahl

Für die 46-jährige Parteichefin Beate Meinl-Reisinger stellt die Mitgliederversammlung die letzte Hürde vor der Nationalratswahl dar. Eine Gegenkandidat:in für die Kür gibt es nicht. Abgestimmt wird rein digital, etwa via Smartphone. Schlussendlich wird sie mit 91 Prozent wiedergewählt - 2019 waren es 92,9 Prozent. Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl am 29. September ist die pinke Frontfrau bereits.

In einer launigen, rund 30 Minuten lange Rede stellt die Parteichefin ganz offensiv den Anspruch, in der nächsten Regierungsperiode erstmals auch auf Bundesebene mit dabei zu sein. Der kleine, harmlose Juniorpartner möchte man nicht werden. "Dafür hätten wir uns nicht gründen müssen", meint Meinl-Reisinger.

Passend zur Marke einer liberalen Partei versinnbildlicht Parteichefin Beate Meinl-Reisinger diesen Anspruch mit einem Vergleich: Seit der Gründung im Jahr 2012 hätte man sich von einem politischen Start-Up zu einem KMU entwickelt – also ein klein und mittelständisches Unternehmen.

"Österreich braucht NEOS mehr denn je"

Mit Kritik am politischen Mitbewerber spart die Parteichefin nicht. Türkis und Grün hätten Österreich in den letzten Jahre nicht, wie von der ÖVP behauptet, gut durch die Krise geführt, sondern im Gegensatz zu anderen Ländern keine strukturellen Reformen gewagt. Stattdessen hat man vor der Herbstlohnrunde die Beamtengehälter und Pensionen um zehn Prozent erhöht. Hier versucht die 46-Jährige auch, wie sie es nennt, den Gewerkschaften ins Gewissen zu reden. Es nütze nichts, für die Mitarbeiter viel rauszuholen, wenn Unternehmen ihre Produktion dann ins Ausland verlagern würden und Tausende ihre Jobs verlieren.

Sideletter, Nebenabsprachen und Postenschacher werde es mit NEOS nicht geben. Enttäuscht zeigt sie sich in diesem Sinne auch von den Grünen. Diese hätten mit ihrem Verhalten in der Regierung das Recht verloren, künftig mit dem "Anstand" auf Stimmenfang zu gehen.

Blaue "Öxit-Zündelei"

Rote Linien zieht man nicht nur bei der FPÖ, deren "Öxit-Zündelei" man für gefährlich hält, sondern auch bei der Einführung neuer Steuern. Rein inhaltlich bleibt man bei klassisch liberalen Positionen. Die Abgabenquote müsse auf unter 40 Prozent und die Lohnnebenkosten allgemein sinken.

Auch die Parteien selbst sollen künftig weniger kassieren und das freigewordene Geld lieber in eine Medienförderung gesteckt werden: "Dann gewinnt die Demokratie und die Bürger. Die Parteien verlieren und das ist auch gut so!" Beim Thema Bildung möchte man, ganz im Sinne des Parteigründers Mathias Strolz, "jedem Kind die Flügel heben".

Nationalsratsabgeordneter Gerald Loacker (NEOS) übt Kritik an der zwei Milliarden-Euro-Verteilung der kalten Progression.

NEOS als Zünglein an der Waage?

Dass die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung für NEOS nicht schlecht stehen könnten, zeigt ein Blick auf die Umfragen. Sollte die ÖVP bei ihrer Linie bleiben und die FPÖ unter Herbert Kickl auch nach dem 29. September ausschließen, bleibt eigentlich nur eine Koalition aus mindestens drei Parteien übrig. Eine Mehrheit aus ÖVP und SPÖ gilt als unwahrscheinlich, die Grünen als dritter Partner würden wohl auf wenig Gegenliebe in den Reihen der Volkspartei stoßen.

Dass die NEOS große Lust auf eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene haben, wird an diesem Samstag unmissverständlich deutlich. Derzeit stellt man nur in Wien den Vizebürgermeister, nachdem die Partei in Salzburg nicht nur aus der Regierung, sondern auch aus dem Landtag geflogen ist.

Die mauen Ergebnisse auf Landes- und Gemeindeebene, die man in den vergangenen Jahren einstecken musste, sind bei der Mitgliederversammlung selbstverständlich kaum ein Thema. Viel lieber verweist man auf das durchaus gute Abschneiden bei der EU-Wahl, bei der NEOS erstmals in ihrer Geschichte überhaupt ein zweistelliges Ergebnis (10,14 Prozent) einfahren konnte. Doch ausgerechnet EU-Spitzenkandidat Helmut Brandstetter, der dieses liberale Kunststück geschafft hat, weilt im Urlaub. 

ribbon Zusammenfassung
  • Mit 91 Prozent wird Parteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger am Samstag bei der Mitgliederversammlung in Wien-Ottakring wiedergewählt.
  • n einer rund 30 Minuten langen Rede schwört die Parteichefin ihre pinken Anhänger:innen auf eine mögliche Regierungsbeteiligung im Herbst ein.