"Narodni Dom" wieder in slowenischem Besitz
Genau 100 Jahre nach dessen Niederbrennen wurde das slowenische Volkshaus (Narodni Dom) in Triest unter Anwesenheit der Präsidenten Italiens und Sloweniens formell an die slowenische Volksgruppe zurückgegeben. In einem Versöhnungsakt gedachten die beiden Staatschefs Hand in Hand der slowenischen Faschismus-Opfer in Basovizza sowie der italienischen Opfer der kommunistischen Nachkriegsverbrechen.
Unter den Augen von Sergio Mattarella und Borut Pahor wurde in Triest ein Memorandum über die Rückgabe des wiedererrichteten Volkshauses unterzeichnet. Es soll jedoch noch einige Jahre dauern, bis das Gebäude, in dem sich zur Zeit die Fakultät für Übersetzer und Dolmetscher befindet, tatsächlich an die slowenische Minderheit übergeben werden kann, berichtet die slowenische Nachrichtenagentur STA. Die Rückgabe des von Faschisten niedergebrannten Kulturhauses, das in der slowenischen Minderheit als Mahnmal für die Verfolgung und ethnische "Säuberung" gilt, wird als eine symbolische Versöhnungsgeste gedeutet.
Der slowenische Präsident bezeichnete die Unterzeichnung als ein historisches Ereignis, als einen "Jahrhundertakt". "Das Unrecht wurde wiedergutgemacht, der Gerechtigkeit wurde gedient", sagte Pahor laut STA bei der Zeremonie. "Das ist ein feierlicher Tag. Slowenien und Italien feiern gemeinsam", betonte er. Es handle sich um einen verdienten Sieg von allen, die an Mitgefühl, Respekt und ein vereintes Europa glaubten. "Heute geht es um verbotene Träume, die Wirklichkeit geworden sind", so Pahor. Der heutige Akt sei ein "Akt der Hoffnung", der den Optimismus wecke und nicht nur die Slowenen und Italiener, sondern ganz Europa und all seine Nationen betreffe, fügte er hinzu.
Mattarella betonte unterdessen, dass die Geschichte nicht ausgelöscht und schwierige Erfahrungen von Menschen in der Region nicht vergessen werden könnten. "Deshalb rufen uns die Gegenwart und die Zukunft zur Verantwortung", sagte er laut STA. Mit dem slowenischen Präsidenten hätten sie einen wichtigen Schritt zum Dialog zwischen zwei Kulturen gemacht, die für die Region sehr wichtig seien, betonte der italienische Präsident weiter.
Anlässlich der Feierlichkeiten haben die beiden Staatschefs den 1913 in Triest geborenen slowenischen Schriftsteller Boris Pahor ausgezeichnet. Der 106-jährige Autor, der Augenzeuge des Brandes war, schrieb darüber in seiner Novelle "Grmada v pristanu". Der KZ-Überlebende widmete die höchsten Staatsorden beider Länder allen, die in Konzentrationslagern ihr Leben verloren haben, berichtete die STA.
Vor der Zeremonie in Triest, die wegen der Corona-Pandemie in einem begrenzten Rahmen stattfand legten die Präsidenten einen Kranz vor der Foiba (Karsthöhle) von Basovizza nieder, einer Gedenkstätte für ermordete und vertriebene italienische Zivilisten durch Titos Partisanen von 1943 bis 1945. Danach legten sie einen Kranz auch bei dem unweit gelegenen Denkmal für vier antifaschistische Kämpfer der slowenisch-kroatischen Untergrundorganisation TIGR (Abkürzung für Trst - Istra - Gorica - Rijeka) nieder. Das Mahnmal liegt an dem Ort, wo die jungen Männer 1930 nach einem Prozess vor einem faschistischen Gericht erschossen wurden. Die Staatschefs haben sich laut Medienberichten vor den beiden Mahnmalen an den Händen gehalten.
"Eine historische Geste", schrieb die italienische Zeitung "La Repubblica" darüber, dass Mattarella und Pahor Hand in Hand vor der Basovizza-Foiba standen. "Es ist ein Zeichen des Friedens mit einem großen symbolischen Wert, das versucht, eine über 70 Jahre andauernde Wunde zu heilen", schrieb die Zeitung online. Pahor sei der erste Staatsmann aus dem aufgelösten Ex-Jugoslawien, der das Denkmal offiziell besuchte und der militärischen und zivilen Opfer gedachte, so "La Repubblica". Die Geste habe sich anschließend bei dem Denkmal für die gefallenen Slowenen wiederholt. Auch hier hielten die beiden Staatschefs die Hände, nachdem sie einen Kranz niedergelegt hatten. "Diesmal war es Präsident Pahor, der um die Hand des Präsidenten bat, während Mattarella den ersten Schritt bei der Foiba gemacht hatte", so die italienische Zeitung.
Ähnlich schrieb die Zeitung "Primorski Dnevnik", eine slowenischsprachige Tageszeitung aus Triest über die "große symbolische Aufladung" bei der Kranzniederlegung vor dem slowenischen Denkmal. Mattarella gedachte als erster italienischer Staatsoberhaupt der vier Freiheitskämpfer, die laut dem nach wie vor gültigen Urteil in Italien als Terroristen gelten.
Der slowenische Präsident geriet im Vorfeld seines Besuchs bei der Basovizza-Foiba massiv in die Kritik. Es gab mehrere Aufrufe, die Kranzlegung abzusagen, um mit dieser Geste dem italienischen Geschichtsrevisionismus keinen Vorschub zu leisten. Auf dem Weg nach Italien wurde er am Grenzübergang Fernetici von ein paar Dutzend Demonstranten erwartet, die gegen seinen Besuch der umstrittenen Gedenkstätte protestierten. "Nicht in meinem Namen", "Die Basovizza-Foiba ist voll von faschistischen Lügen" und "Verräter", stand laut slowenischen Medienberichten auf den Transparenten.
Zusammenfassung
- Genau 100 Jahre nach dessen Niederbrennen wurde das slowenische Volkshaus in Triest unter Anwesenheit der Präsidenten Italiens und Sloweniens formell an die slowenische Volksgruppe zurückgegeben.
- In einem Versöhnungsakt gedachten die beiden Staatschefs Hand in Hand der slowenischen Faschismus-Opfer in Basovizza sowie der italienischen Opfer der kommunistischen Nachkriegsverbrechen.