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Israelische Truppen rücken in Rafah weiter vor

Israelische Truppen dringen immer weiter in die mit Flüchtlingen überfüllte Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens ein. Einwohner berichteten am Dienstag, Panzer seien in Bezirken im Osten der Stadt an der Grenze zu Ägypten vorgerückt. Am Dienstag bewegten sich Panzer von Osten aus in weiter westlich gelegene Viertel. Fast 450.000 Menschen flohen laut UNO-Schätzungen binnen einer Woche aus Rafah. Nach Erkenntnissen des Militärs befinden sich im Gebiet israelische Geiseln.

Das hätten Offiziere Generalstabschef Herzi Halevi bei dessen Truppenbesuch im östlichen Rafah am Dienstag berichtet, sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Dienstagabend. "Wir sind entschlossen zu tun, was immer nötig ist, um die Bedingungen zu schaffen, dass sie bald zu uns zurückkehren", sagte er. Auf die Berichte, dass israelische Truppen weiter in die Stadt vorgedrungen seien, ging Hagari nicht ein. Er sagte, seit Beginn der Rafah-Offensive in der vergangenen Woche seien mehr als 100 palästinensische Kämpfer getötet und zehn Tunnelanlagen der islamistischen Hamas entdeckt worden.

Kämpfer der radikal-islamischen Hamas und Soldaten lieferten sich Gefechte, schrieb ein Einwohner der Nachrichtenagentur Reuters über einen Kurznachrichtendienst. Auch in anderen Teilen der Küstenregion wurde gekämpft. Einwohner im Norden und Süden sprachen von den heftigsten Gefechten seit Monaten.

Die israelische Armee war vor gut einer Woche von Osten auf die Stadt vorgerückt und kontrolliert seitdem auch den palästinensischen Teil des Rafah-Grenzübergangs nach Ägypten. Israel übt militärischen Druck auf die islamistische Hamas in Rafah aus, um die Freilassung von im Oktober entführten Geiseln zu erreichen. Israel will auch die verbliebenen Bataillone der Extremisten zerschlagen.

Damit bleibt die israelische Regierung bei ihrer Linie, trotz wachsender internationaler Kritik die Angriffe auf Rafah fortzusetzen. Nach ihrer Darstellung haben sich dort die letzten vier Hamas-Bataillone verschanzt. In die Stadt haben sich über eine Million Palästinenser geflüchtet, die aus anderen Teilen des Gazastreifens vertrieben worden sind. Israel hat die Menschen in Rafah dazu aufgefordert, bestimmte Viertel zu räumen.

Seit der vergangenen Woche sind nach Angaben des Palästinenserhilfswerks UNWRA eine halbe Million Menschen aus der Stadt geflohen. "Die Menschen sind ständig mit Erschöpfung, Hunger und Angst konfrontiert", hieß es in dem X-Post von UNRWA. "Es ist nirgendwo sicher. Eine sofortige Waffenruhe ist die einzige Hoffnung."

Die UNO warnt seit Wochen vor einer humanitären Katastrophe. UNO-Generalsekretär António Guterres zeigte sich am Dienstag "entsetzt". Die USA haben wegen der Vorstöße auf Rafah ihre Militärhilfe für Israel eingeschränkt. Katars Ministerpräsident Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani erklärte am Dienstag, die israelischen Einsätze würden die Bemühungen um eine Feuerpause und um die Freilassung israelischer Geiseln zunichtemachen.

Über einen temporären Hafen des US-Militärs vor der Küste des Gazastreifens sollen in Kürze erste Hilfsgüter eintreffen. "In den kommenden Tagen werden die Vereinigten Staaten als Teil einer internationalen Anstrengung in Abstimmung mit den Vereinten Nationen und dem Welternährungsprogramm damit beginnen, die Lieferung von humanitärer Hilfe in den Gazastreifen über den zypriotischen Seekorridor zu ermöglichen", sagte Pentagon-Sprecher Pat Ryder am Dienstag in Washington. "Wir rufen alle Parteien auf, die Lieferung lebensrettender Hilfe nicht zu behindern."

Im Ringen um die Versorgung des Gazastreifens forderte die israelische Regierung von Ägypten, mehr Verantwortung am Grenzübergang Rafah zu übernehmen. "Der Schlüssel, um eine humanitäre Krise im Gazastreifen zu verhindern, liegt jetzt in der Hand unserer ägyptischen Freunde", erklärte der israelische Außenminister Israel Katz. Die Regierung in Kairo müsse davon "überzeugt" werden, den Grenzübergang wieder zu öffnen. Ägypten wies die Darstellung zurück. Die Schließung des Übergangs zum Gazastreifen liege nicht in der Verantwortung Ägyptens, zitierte der ägyptische Fernsehsender Al Qahera News einen Insider.

Die Hamas berichtete, einen Truppentransporter im Stadtteil Al-Salam zerstört und dabei mehrere Soldaten getötet zu haben. Die israelische Armee nahm zu den Darstellungen zunächst nicht Stellung, sondern erklärte lediglich, "mehrere bewaffnete Terroristenzellen" ausgeschaltet zu haben.

Später erklärte das israelische Militär bei einem gezielten Luftangriff auf ein Kommandozentrum der Hamas mehr als zehn Hamas-Mitglieder getötet zu haben. Die Räumlichkeiten sollen sich in einer Schule befunden haben und seien vom militärischen Flügel der Hamas genutzt worden, um Angriffe auf das israelische Militär im zentralen Bereich des Gazastreifens zu planen, sagte ein Sprecher am Dienstag. Die Hamas habe den "Kriegsraum" mitten in einer UNRWA-Schule eingerichtet.

Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig geprüft werden. Von der Gesundheitsbehörde im Gazastreifen hieß es, bei dem Angriff auf die Schule seien 15 Binnenflüchtlinge getötet worden. Israel hat der Hamas wiederholt vorgeworfen, zivile Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser für ihre Ziele zu nutzen und die Zivilbevölkerung als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.

An anderer Stelle im Gazastreifen, nahe Gaza-Stadt im Norden, zerstörten Bulldozer nach Berichten von Anrainern Häuserzeilen, um eine Schneise für den Vorstoß von Panzern zu schaffen. In Jabalia ebenfalls im Norden berichteten Bewohner, dass israelische Truppen mit Artillerie-Unterstützung von Panzern versuchten, bis zum örtlichen Markt vorzustoßen.

Die Hamas feuerte am Dienstag erneut eine Rakete aus dem Gazastreifen auf die israelische Küstenstadt Ashkelon ab. Der militärische Hamas-Arm reklamierte den Angriff bei Telegram für sich. In der Stadt nördlich des Gazastreifens heulten die Warnsirenen. Die israelische Nachrichtenseite Ynet berichtete, das Geschoss sei von der Raketenabwehr abgefangen worden. Es gab zunächst keine Berichte über Verletzte oder Sachschaden. Am Sonntag war eine Rakete in einem Wohnhaus in Ashkelon eingeschlagen. Dabei wurden drei Menschen verletzt.

Die Terrororganisation Hamas hat zuletzt wieder verstärkt israelische Ortschaften vom Gazastreifen aus angegriffen. Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als sieben Monaten sind nach israelischen Angaben mehr als 16.600 Geschosse aus dem Küstenstreifen auf Israel abgefeuert worden.

Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde teilte mit, seit Kriegsbeginn seien 35.173 Palästinenser im Gazastreifen getötet und mehr als 79.000 weitere verletzt worden. Die unabhängig kaum zu verifizierende Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO erklärte, die von der Gesundheitsbehörde im Gazastreifen täglich veröffentlichten Zahlen der Opfer unter der palästinensischen Bevölkerung seien vertrauenswürdig. An den Daten sei "nichts falsch", sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier in Genf im Hinblick auf in Israel geäußerte Zweifel an den Angaben.

Bei dem beispiellosen Massaker der Hamas und anderer islamistischer Gruppen in Israel am 7. Oktober 2023 wurden rund 1.200 Menschen getötet und 250 weitere als Geiseln genommen. Der Terrorangriff war Auslöser des derzeitigen Gazakriegs. Die Angehörigen der noch im Gazastreifen verbliebenen Geiseln bangen weiter um deren Rückkehr. Die Verhandlungen über einen Geisel-Deal waren zuletzt festgefahren.

ribbon Zusammenfassung
  • Israelische Truppen setzen ihren Vorstoß in die überfüllte Stadt Rafah im Gazastreifen fort, um die Freilassung von Geiseln zu erzwingen.
  • Fast 450.000 Menschen haben die Stadt Rafah aufgrund der Kämpfe verlassen, berichtet die UNO.
  • Bei den Gefechten in Rafah wurden laut israelischer Armee mehr als 100 palästinensische Kämpfer getötet.
  • Die USA haben ihre Militärhilfe für Israel aufgrund der anhaltenden Angriffe auf Rafah reduziert.
  • Seit Beginn des Konflikts wurden über 35.000 Palästinenser getötet und mehr als 79.000 verletzt.