APA/HELMUT FOHRINGER

Mikl-Leitner macht weiter Druck auf Koalitionsverhandler

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner macht weiter Druck auf die Koalitionsverhandler im Bund. "Es reicht nicht, auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu kommen", es brauche "wirkliche Leuchtturmprojekte" und "große Würfe", sagte die ÖVP-Politikerin im APA-Interview. Das Wichtigste sei, "ernsthaft und vor allem auch ehrlich und rasch zu verhandeln". Vor den Gemeinderatswahlen am 26. Jänner ortet die Landesparteichefin "generell massiven Gegenwind" für die ÖVP.

Es sei "evident", dass Österreich vor allem ein Ausgabenproblem habe, sagte die Landeshauptfrau. Es gelte, jeden Budgetposten genau zu durchleuchten - wie das auch Niederösterreich mit einer Aufgabenkritik geplant habe, um die Verwaltung effizienter zu machen. Das diskutierte Aus für den Klimabonus und die Bildungskarenz seien in den Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS "sicherlich zwei Positionen, auf die man sich verständigen kann" und würden auch "ordentliche Summen" bringen. Zum Vorschlag der Pinken, die Landeschefs in die Koalitionsgespräche mit einzubinden, sagte Mikl-Leitner: "Selbstverständlich stehen die Landeshauptleute in permanentem Kontakt mit den Verhandlungsteams."

Bei den Regierungsverhandlungen gelte es, die "größten Sorgen" der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen: Verlust von Wohlstand und der "Identität unseres Landes". Es sei "ein Gebot der Stunde, zu entlasten und nicht zu belasten". Die nächste Bundesregierung müsse - etwa mit steuerfreien Überstunden und Bürokratieabbau - die Wettbewerbsfähigkeit stärken und die Deindustrialisierung stoppen, verlangte Mikl-Leitner. Handlungsbedarf sieht die Landeschefin auch bei den Netzkosten: Niederösterreich dürfe als "Musterschüler" bei der Produktion von erneuerbarer Energie "nicht bestraft werden".

Außerdem brauche es "ganz klare Kante seitens der Bundesregierung gegenüber Integrationsunwilligen". In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sei in ganz Europa "falsch verstandene Toleranz gelebt worden", die "hausgemacht" sei: "Wir müssen und dürfen von Menschen, die zu uns kommen, schon erwarten, dass sie sich an unsere Gesetze halten, dass sie sich an unsere Gesellschaft anpassen, und dass sie vor allem auch unsere Art zu leben und Gleichbehandlung akzeptieren." Erneut pochte Mikl-Leitner auf strengere Regeln für die Staatsbürgerschaft und Strafen für Integrationsunwillige: "Das ist eine ganz klare Botschaft, dass wir keine Gegengesellschaften akzeptieren."

Angesprochen auf Schwarz-Blau als mögliche Alternative im Bund zu einer Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS meinte die schwarze Landesparteiobfrau: "Jetzt ist keine Zeit für Spekulationen. Es geht darum, ernsthaft und rasch zu verhandeln, Ideologie beiseite zu lassen und den besten Weg zu suchen, um wieder Wachstum zu generieren."

"Sehr viel Verärgerung und Enttäuschung" in der Bevölkerung ortet die Landeshauptfrau über die Entscheidung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, ÖVP-Obmann Bundeskanzler Karl Nehammer und nicht dem Freiheitlichen Herbert Kickl als Chef der stimmenstärksten Partei den Regierungsbildungsauftrag zu erteilen. Dass sich dieser Unmut in Verlusten für die Volkspartei bei den Gemeinderatswahlen am 26. Jänner 2025 niederschlagen werde, sei "selbstverständlich eine Gefahr", daher gehe Niederösterreich hier einen "eigenständigen Weg".

Der Urnengang in 568 der 573 Kommunen finde "in einer äußerst herausfordernden Zeit" statt - "mit anhaltender Krisenstimmung, sehr vielen Unsicherheiten, Polarisierung sowie Spannungen und Streitereien auf bundespolitischer Ebene", sagte Mikl-Leitner. Die Kandidaten hätten es sich nicht verdient, dass die bundespolitische Stimmung oder Ärger über die EU auf das Ergebnis bei den Gemeinderatswahlen abfärbt, meinte sie: "Es geht hier nicht um die Streitereien im Bund. Es geht hier nicht um die Bürokratie in Brüssel, sondern es geht ums Daheim." Als ÖVP-Ziel für den Urnengang nannte die Landesparteiobfrau, "in so vielen Gemeinden wie möglich als Erster durchs Ziel zu gehen". Aufgrund des größeren politischen Wettbewerbs müssen sich die Schwarzen auf Mandatsverluste einstellen.

Die Zusammenarbeit mit der FPÖ in der Landesregierung beschrieb Mikl-Leitner als "konstruktiv und professionell": "Zwei Parteien haben natürlich unterschiedliche Ansichten und Zugänge. Aber unsere Aufgabe ist es, mehr als 200 Punkte unseres Arbeitsübereinkommens abzuarbeiten." Als vier Großprojekte nannte die 60-Jährige neben einer Aufgabenkritik die Gesundheitsreform 2040 plus, die Kinderbetreuungsoffensive und die "Mission, innerhalb der nächsten 20 Jahre einen Nobelpreis nach Niederösterreich zu holen".

In der Diskussion um empfohlene Spitalsschließungen verwies die Landeshauptfrau auf eine Expertengruppe, die bis Ende März 2025 Vorschläge für eine Reform vorlegen soll. Dann werde eine politische Entscheidung getroffen. "Ich vertraue diesem Expertengremium", betonte sie. Geänderte Rahmenbedingungen wie zunehmende Spezialisierung im Gesundheitswesen und eine alternde Bevölkerung gelte es zu berücksichtigen. "Es steht außer Frage, dass eine Erst- und Akutversorgung 24 Stunden, sieben Tage die Woche garantiert sein muss", hielt die Landeshauptfrau fest.

Nach einer negativen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur geplanten Marchfeld Schnellstraße (S8) "werden wir weiterhin für eine Verkehrsentlastung kämpfen", erklärte Mikl-Leitner, deshalb wurden auch Rechtsmittel angekündigt. Im Vorfeld seien bereits "zahlreiche Alternativen geprüft" worden, hielt sie weiters fest. "Es kann nicht sein, dass eine Region unter Spielchen der Verkehrsministerin (Leonore Gewessler (Grüne), Anm.) leidet." Die Projekte S1, S8 und Lobautunnel müssten umgesetzt werden, verlangte Mikl-Leitner. Außerdem richtete die Landeschefin die Forderung Richtung Bund, "dass die Verfahren in Zukunft radikal kürzer sein müssen und Entscheidungen nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag aufgeschoben werden dürfen".

Nach der Flutkatastrophe von Mitte September, die sich auch in einem größeren Budgetdefizit des Landes niederschlägt, betonte Mikl-Leitner: "Jeder Cent und jeder Euro, den wir in die Hochwasserhilfe investiert haben, ist ein guter." Angesprochen auf mögliche Versäumnisse beim Hochwasserschutz erklärte die Landeshauptfrau, dass Milliardeninvestitionen in derartige Maßnahmen "geholfen haben, Schlimmeres zu verhindern". Wichtige Projekte werden nun vorgezogen. Die Überflutungen in Niederösterreich hatten "eine Dimension, wie wir es noch nicht erlebt haben", blickte sie zurück. "Mir ist wichtig, dass wir alles tun, um die Sicherheit von Land und Leuten zu steigern", verwies sie auf eine Arbeitsgruppe, die Vorschläge etwa zu den Themen Hochwasserschutz, Raumordnung oder Wohnbauförderung machen soll. Generell müsse hier "Menschenschutz vor Naturschutz" gehen, betonte die Landeschefin. Bisher haben insgesamt fast 17.000 Familien und Betriebe rund 300 Millionen Euro an Unterstützung erhalten.

ribbon Zusammenfassung
  • Johanna Mikl-Leitner fordert von den Koalitionsverhandlern im Bund größere Projekte und ehrliche, schnelle Verhandlungen, um Österreichs Ausgabenproblem zu adressieren.
  • Die Landeshauptfrau sieht die größten Sorgen der Menschen in Wohlstandsverlust und Identitätsfragen und fordert Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
  • Mikl-Leitner betont die Notwendigkeit einer klaren Haltung gegenüber Integrationsunwilligen und fordert strengere Staatsbürgerschaftsregeln.
  • Bei den Gemeinderatswahlen am 26. Jänner 2025 in 568 von 573 Kommunen erwartet sie Herausforderungen aufgrund der bundespolitischen Stimmung.
  • Nach der Flutkatastrophe erhielten fast 17.000 Familien und Betriebe rund 300 Millionen Euro Unterstützung, um die Sicherheit zu verbessern.