ÖVP bricht Verhandlungen mit SPÖ ab, Nehammer tritt zurück
Nach dem Ausscheiden der NEOS versuchten ÖVP und SPÖ am Samstag im Bundeskanzleramt die Verhandlungen weiterzuführen. Doch die Gespräche gerieten rasch ins Stocken.
Die ÖVP teilte schließlich am Abend schriftlich mit, dass Karl Nehammer die Gespräche abgebrochen habe. "Eine Einigung ist in wesentlichen Kernpunkten nicht möglich, so hat es keinen Sinn für eine positive Zukunft Österreichs", erklärte Nehammer. Die ÖVP wolle in Kürze über die weitere Vorgehensweise informieren.
Nehammer zieht sich zurück
Auf "X" teilte Nehammer unterdessen mit, dass er sich als Bundeskanzler und ÖVP-Chef "in den nächsten Tagen" zurückziehen wolle. Er wolle einen geordneten Übergang ermöglichen. "Nimm dich selbst nicht so wichtig" sei ein Satz, den ihm sein Vater mitgegeben habe. Es sei ihm eine Ehre gewesen, dem Land zu dienen.
Die Schuld für das Ende der Regierungsgespräche schob er der SPÖ zu - dort hätten "die destruktiven Kräfte die Oberhand gewonnen". Er werde kein Programm unterschreiben, das wirtschaftsfeindlich, wettbewerbsfeindlich und leistungsfeindlich sei, betonte Nehammer. Ihm sei schon klar, dass man in einer Koalition Kompromisse eingehen müsse - dies dürfe aber nicht zulasten der Menschen gehen. Es habe nie einen Zweifel gegeben, dass die ÖVP Eigentums- oder Erbschaftssteuern nicht zustimmen werde. Das habe er vor den Verhandlungen gesagt, dabei sei er auch geblieben.
https://twitter.com/karlnehammer/status/1875608844984094740?s=46&t=cUQrqnd0T3k0ZqAVLAEFuQ
Die SPÖ bestätigte unterdessen ebenfalls auf "X", dass die ÖVP abgebrochen habe. "Wir waren bis zuletzt bereit, in diesen schwierigen Zeiten für unsere Republik Verantwortung zu übernehmen", so die Roten.
https://twitter.com/SPOE_at/status/1875606111568720295
"Kein Spielraum" für Nehammer
Die ÖVP habe "klargestellt, dass Nehammer von seiner Partei keinen Verhandlungsspielraum bekommt". "Die ÖVP wollte, dass das riesige Budgetloch, das sie verursacht hat, von der arbeitenden Bevölkerung und Pensionist:innen gestopft wird", kritisierte die SPÖ. In der ÖVP hätten sich die Kräfte durchgesetzt, die für die FPÖ seien, so Andreas Babler in einer Pressekonferenz. Er bedankte sich bei Karl Nehammer.
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Nehammer war im Laufe des Samstags von Wirtschaft und Landesparteien immer mehr unter Druck gesetzt worden. In Medien kursierten schon Gerüchte über mögliche Nachfolger - unter anderem wurden Sebastian Kurz, Wolfgang Hattmansdorfer oder Karoline Edtstadler genannt.
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NEOS fühlen sich bestätigt
Die NEOS, die sich am Freitag aus den Dreierverhandlungen zurückgezogen haben, sehen sich in einer ersten Reaktion bestätigt: "ÖVP und SPÖ sind leider nicht fähig, über die gegenseitigen Verletzungen hinwegzukommen und ein gemeinsames Bild für dieses Land zu entwickeln", teilten die Pinken auf "X" mit.
https://twitter.com/neos_eu/status/1875619055534547102
Auch die NEOS bringen Karl Nehammer "großen Respekt" entgegen: "Auch sein persönliches Bemühen und redliches Verhandeln konnte die Verkrustung in den alten schwarz-roten Strukturen nicht aufbrechen."
Weiteres Vorgehen unklar
Wie es nun weiter geht, war vorerst unklar. Bundespräsident Alexander Van der Bellen ließ sich noch am Samstag informieren, weitere Schritte will er erst am Sonntag setzen. Das Staatsoberhaupt hatte ja Nehammer persönlich den Regierungsbildungsauftrag erteilt und nicht FPÖ-Chef Herbert Kickl als Obmann der bei der Nationalratswahl stimmenstärksten Partei. Van der Bellen begründete dies damit, dass sowohl Volkspartei als auch Sozialdemokraten nicht mit den Freiheitlichen koalieren wollten. Die ÖVP will am Sonntag bei Treffen beraten, wie es weitergeht.
Kickl sieht Präsident unter Zugzwang
"Man wird sehen, ob die Volkspartei das Machtwort der Wähler von der Nationalratswahl zumindest jetzt ansatzweise verstanden hat", spekulierte unterdessen FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer Aussenudng.
Den Bundespräsidenten sieht der Freiheitlichen-Obmann unter Zugzwang: "Alexander Van der Bellen hat eine maßgebliche Mitverantwortung für das entstandene Chaos und die verlorene Zeit. Das kann er nicht von sich wegschieben." Van der Bellen stehe mit Nehammer und Babler "vor den Trümmern ihrer Kickl-Verhinderungsstrategie".
Zusammenfassung
- Die ÖVP hat die Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ abgebrochen.
- "Eine Einigung ist in wesentlichen Kernpunkten nicht möglich, so hat es keinen Sinn für eine positive Zukunft Österreichs", erklärte Nehammer in einem schriftlichen Statement.
- Auf "X" teilte Nehammer unterdessen mit, dass er sich als ÖVP-Chef und Bundeskanzler zurückziehen wolle.