Mattle und Dornauer warben für "Mitte-Politik" auch im Bund
Die "Große Koalition" aus SPÖ und ÖVP habe viele Jahre gut funktioniert, verhehlte Dornauer bei einem gemeinsamen Pressegespräch im Innsbrucker Landhaus erneut nicht seine Favorisierung einer solchen Zusammenarbeit auch auf Bundesebene. "Angesichts der Herausforderungen ist es wichtig, nicht in Extreme abzudriften", forderte Dornauer. "Ich glaube, dass wir in diesem pragmatischen Spektrum mit dieser sinnstiftenden Kooperation gut beraten sind", bekannte der Tiroler SPÖ-Chef. Das SPÖ-ÖVP-Kabinett von Ex-Kanzler Werner Faymann (SPÖ) etwa sei "vielfach unterschätzt" worden, erinnerte Dornauer auch an die Bewältigung der Finanzkrise. Als "künftiges Mitglied im SPÖ-Präsidium" betonte Dornauer, dass eine solche Zweierkoalition dem Land gut tun würde.
Auch Mattle erklärte, dass eine "Politik der Mitte" für das "hohe Maß an Wohlstand und Sicherheit" in Österreich und Tirol verantwortlich sei. Die Frage sei jedoch: "Wie stark in der Mitte ist die Sozialdemokratie verhaftet." Bei Diskussionen über eine Arbeitszeitreduktion auf 32 Stunden "können wir nicht mit". SPÖ-Bundesparteivorsitzender Andreas Babler sei jedoch erst "seit kurzem im Amt", wie Mattle ergänzte.
Indes waren der Landeschef und sein Gegenüber auf SPÖ-Seite sichtlich bemüht, das gute Einvernehmen zu demonstrieren und auf eine funktionierende Regierungsarbeit im Land zu verweisen. Ihm würde von der Bevölkerung signalisiert: "Ihr könnt eh gut miteinander." Das zu hören, sei ein großes Kompliment, sagte Mattle. Nicht zu streiten sei in der Außenwirkung sehr wichtig. Es sei immer auch wichtig, dass "das Team funktioniert", lobte der Landeschef die gesamte Regierungsmannschaft. Auch Dornauer bekannte, einen "positiven Esprit" zu spüren. "Wir vertrauen uns gegenseitig und können miteinander", freute sich der Tiroler SPÖ-Chef über die Zusammenarbeit. Dass es keinen Streit gebe sei dabei nicht nur Außenwirkung, sondern in der Regierung gelebte Realität, so Dornauer. Der Opposition empfahl er indes, Kritik "differenziert und nicht pauschal" zu üben.
Mattle und Dornauer, die sich als ein Herz und eine Seele präsentierten, zählten das bereits Geschaffte auf und stellten auf Nachfrage in Abrede, dass es vielmehr nur um Krisenbewältigung gegangen sei. Während Dornauer einräumte, dass man natürlich eine gewisse Einarbeitungszeit zugestehen müsse, meinte Mattle: "Das eine schließt das andere nicht aus." Gleichzeitig gelte natürlich, dass "in Zeiten von Krisen auch Stabilität nötig" sei. Wenn man etwa auf das Thema Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung blicke, sei man hier sehr wohl "schnell vorangekommen", betonte der Landeshauptmann.
Der Ausbau der Kinderbetreuung war schließlich auch eines der Projekte, welches die Landesregierung in ihrer Zwischenbilanz als Erfolg nannte. Tirol hatte zuletzt einen Fahrplan präsentiert, an dessen Ende ein Rechtsanspruch auf Vermittlung eines Kinderbetreuungsplatzes ab dem zweiten Lebensjahr stehen soll. Zudem sei die Teuerung in Folge des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine bekämpft worden. Auch die Energiewende und den Photovoltaik-Ausbau schrieb sich das Regierungsduo auf die Fahnen. Schließlich seien von Wohnen bis hin zur Eröffnung von zwei Frauenhäusern sowie der Schaffung von Erinnerungskultur im Landhaus Pflöcke eingeschlagen worden, betonten Mattle und Dornauer.
Der Tiroler Landeshauptmann räumte auch ein, nicht in allen Punkten zufrieden zu sein. Konkret störe ihn etwa, in der Causa der Zillertaler "Wasserstoffbahn" noch nicht am Ziel zu sein. "Ich habe nicht gedacht, dass wir das so lange mitziehen", ärgerte er sich. Auch beim Dauerthema Ausbau der Innsbrucker Fachhochschule MCI könnte man weiter sein als dies aktuell der Fall wäre, sagte Mattle. Dem stimmte der federführend dafür zuständige Dornauer zu, verwies jedoch auf intensive Arbeit an dem Thema und versprach Kostentransparenz.
Zu den gestiegenen Energiekosten verwies das Regierungsduo auf bereits aufgestellte Förderungsmaßnahmen wie den Heizkosten-, Energie- und Tirol-Zuschuss. Allerdings müsse man auch realistisch sein, meinte Mattle: "Energie wird nicht mehr so billig werden wie 2018." Erneuerbare Energien müsse man hier jedoch als Chance begreifen, forderte der ÖVP-Landeschef. Hinsichtlich des landeseigenen Energieversorgers Tiwag bekannte der Landeschef erneut, mit der Kommunikation unzufrieden zu sein. Der Arbeitspreis sei nun jedoch "gut".
Mattle kam gerade von einem Besuch aus Rom zurück, bei dem der Dauerbrenner Transit im Mittelpunkt stand. Er berichtete von einem "guten Gefühl", das er aus Italiens Hauptstadt mitgenommen habe. Der Landeshauptmann hatte sich dort mit Regierungsstaatssekretär Alfredo Mantovano, ein enger Mitarbeiter von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (Fratelli D'Italia), getroffen. Dabei hatte er das Gefühl, dass Tirol "gehört werde", meinte Mattle. Nun soll eine "technische Lösung" gefunden werden, verwies der ÖVP-Chef einmal mehr auf das zwischen den Regionen Bayern, Tirol und Südtirol paktierte "Slot-System". Bisherige Anti-Transit-Maßnahmen würden indes weiter aufrecht bleiben, versprach Mattle.
Für die Zukunft warnte der Landeshauptmann vor einer drohenden Rezession, wobei man vorerst wohl noch mit einem Wirtschaftswachstum rechnen könne: "Wir achten genau darauf, wie sich die Dinge entwickeln." Nun werde es darum gehen, "zukunftsgerichtete Politik" zu machen, sagte der Landeschef. Besonderes Augenmerk gelte beispielsweise der Energiewende bzw. Autonomie, der Kinderbetreuung, aber auch etwa zu nützendem Investitionspotenzial im Bereich Gebäudesanierung.
Während sich die Koalitionäre mit Lob überhäuften, zog Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger eine "bittere Bilanz" ihrer bisherigen Arbeit. "Die schwarz-rote Landesregierung ist damit beschäftigt massive Skandale aufzuarbeiten, anstatt inhaltlich Weichen zu stellen, damit es der Bevölkerung besser geht", kritisierte der Obmann der zweitstärksten Partei im Land in einer Aussendung. Schwarz-Rot produziere "Überschriften, ohne entsprechende Handlungen dahinter", reagierte Abwerzger auf die koalitionär zur Schau gestellte Eintracht. Die Koalition sei seit ihrer Angelobung vor einem Jahr nur mit der Aufarbeitung der Vergangenheit beschäftigt, denn: Ex-ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter habe einen "politischen Scherbenhaufen hinterlassen" und die Regierung sei folgerichtig "blockiert."
Zusammenfassung
- Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) und Stellvertreter Georg Dornauer (SPÖ) haben am Mittwoch anlässlich des einjährigen Regierungsjubiläums in Tirol für eine "Politik der Mitte" auch im Bund geworben.
- Indes bewarben beide die Zusammenarbeit in der Landesregierung und strichen Projekte von Photovoltaik-Ausbau bis zur Kinderbetreuung hervor.
- SPÖ-Bundesparteivorsitzender Andreas Babler sei jedoch erst "seit kurzem im Amt", wie Mattle ergänzte.