APA/HELMUT FOHRINGER

Falschaussage: Acht Monate bedingt für überraschten Kurz

Nach zwölf Prozesstagen gab es am Freitag ein Urteil: Ex-Kanzler Kurz ist wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss zu acht Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden. Sein ehemaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli erhielt eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Beiden wurden von einigen Punkten freigesprochen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Es waren zwölf lange Prozesstage mit dubiosen russisches Zeugen, ehemaligen Finanzministern im Zeugenstand und viel Hick-Hack zwischen Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und Verteidigung.

Nun gibt es ein Urteil im Prozess um Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss:

  • Sebastian Kurz ist zu acht Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden.
  • Bernhard Bonelli erhielt eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten.
  • Die Freiheitsstrafen werden den beiden unter einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. 
  • Weiters werden beide zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt. 
  • Der Schuldspruch für Kurz und Bonelli betrifft die Aufsichtsratsbestellung in der Staatsholding ÖBAG.
  • Einen Freispruch gab es für Kurz, was die Besetzung des ÖBAG-Vorstandes durch Thomas Schmid betrifft.
  • Kurz und Bonelli wurden zu ihren Aussagen bezüglich der Schmid-Schiefer Vereinbarung freigesprochen.
  • Die Urteile ist nicht rechtskräftig.

Video: Kurz nach Schuldspruch: "Werden dagegen vorgehen"

"Ich bin in zwei von drei Vorwürfen freigesprochen worden", sagte Kurz unmittelbar nach Urteilverkündung vor den zahlreichen Journalist:innen im Wiener Straflandesgericht. Sowohl er als auch Bonelli meldeten dennoch bereits Berufung gegen Schuld Strafe an. "Ich bin sehr optimistisch, dass wir in zweiter Instanz recht bekommen", zeigte sich Kurz trotz des Urteils, von dem er überrascht sei, selbstbewusst.

Vor der Urteilsbegründung hatte er vor dem Richter noch eine emotionale Rede geschwungen, bei der seine Stimme teils brach. Bonelli redete gleich von Wallfahrten und Bildern, die seine Kinder von Gott und vom Richter gemalt hätten.

Falscher Eindruck

Doch der Vorsitzende Michael Radasztics ließ sich davon nicht beeindrucken: "Sie erweckten insgesamt den Eindruck, dass Sie im Wesentlichen nichts damit zu tun gehabt haben", meinte er in Richtung Kurz bezüglich der Aufsichtsratsbesetzungen in der ÖBAG. Aussagen im Beweisverfahren hätten da ein anderes Bild gezeichnet.

Die befragten Aufsichtsräte haben zwar dasselbe ausgesagt, nämlich, dass sie nicht wussten, was vorher besprochen worden sei. Ihre Aussagen seien daher mit Vorsicht zu genießen. Es sei nicht wie beim Fußball-Match: Man könne nicht die Anzahl der Zeugen gegenüberstellen, so der Richter.

Den Kronzeugen-Anwärter Schmid bezeichnete er als glaubwürdig. Daran hätten auch die russischen Zeugen, die Kurz vorbrachte, nicht gerüttelt. "Und man kann ihm auch nicht vorhalten, dass er Kurz um jeden Fall schaden wollte", sagte der Richter über Schmid.

Richter sah keinen Aussagenotstand

Dass Kurz Angst vor strafrechtlicher Verfolgung hatte (Aussagenotstand), nahm der Richter ihm nicht ab. Vielmehr habe der Kanzler damals Angst gehabt, dass ihm die Opposition Postenschacher vorwerfen würde. Aussagenotstand ließ er nur bei Bonelli in einem Punkt gelten.

Zwar billigte der Richter Kurz und Bonelli zu, dass die Situation vor einem Gericht anders als vor einem Untersuchungsausschuss sei, rechtlich sei sie dennoch gleich zu beurteilen. Der Richter betonte, dass U-Ausschüsse wichtige Instrumente der Kontrolle des Parlaments gegenüber der Regierung seien. Der Bundeskanzler habe dort eine besondere Vorbildwirkung – deswegen fällt seine Strafe höher aus als jene gegen Bonelli.

Schmid widersprach russischen Zeugen

Eine Kombination aus unbedingter Geldstrafe und bedingter Haftstrafe, wie es die WKStA forderte, hielt Radasztics für nicht angebracht, auch eine reine Geldstrafe lehnte der Richter aus "generalpräventiven Gründen" ab. Die Voraussetzungen für eine bedingte Haftstrafe seien ganz bestimmt gegeben gewesen. Mildernd wirkte sich aus, dass Kurz und Bonelli unbescholten waren.

Apropos russische Zeugen: Der zweite sagte am Vormittag vor der Urteilsverkündung noch aus. Der russische Geschäftsmann berichtete im Wesentlichen das Gleiche wie sein Partner.

Schmid soll bei dem Gespräch in Amsterdam sinngemäß gemeint haben, die WKStA habe ihn unter Druck gesetzt und er habe bei seiner Befragung nicht immer die Wahrheit gesagt – aber nur, wenn man dessen Aussagen "analysiert" und "zwischen den Zeilen liest".

Kontakte zu Kurz' Verteidiger Otto Dietrich habe er keine gehabt, beteuerte der Geschäftsmann. Dessen Kollege hatte ja in seiner Befragung angegeben, die eidesstättigen Erklärungen habe Kurz-Anwalt Otto Dietrich formuliert.

Andere Bewerber:innen für den Job habe es wohl gegeben, Namen offenbarte der Zeuge aber nicht. Dies sei ein "Geschäftsgeheimnis". Probleme während der Befragung gab es aber auch mit der Übersetzung durch einen Russisch-Dolmetscher, was zu Beschwerden der Verteidigung führte – diese hatte eine eigene Dolmetscherin im Saal.

WKStA wollte Dietrich kurz als Zeugen befragen

Danach durfte auch noch Thomas Schmid via Videoschaltung zum Bewerbungsgespräch aussagen. Dass dieses stattfand, bestätigte er. Ein befreundeter Banker aus London habe ihm das Bewerbungsgespräch vermittelt, berichtete er. Von Anfang an sei er, Schmid, skeptisch gewesen, da die Ausschreibung doch sehr allgemein gehalten gewesen sei. Er habe dann auch keine näheren Infos zum Job bekommen.

Auch über das Ermittlungsverfahren gegen ihn sei beim Bewerbungsgespräch nicht konkret gesprochen wurden, sagte Schmid auf die Frage von Richter Michael Radasztics - schon gar nicht über angeblichen Druck durch die WKStA. Er versicherte, dass er nicht unter Druck gesetzt worden sei.

Für Wortgefechte zwischen WKStA und Dietrich sorgte ein - letztlich wieder zurückgezogener - Zeugenantrag der WKStA. Kurz' Verteidiger hätte als Zeuge darüber Auskunft geben sollen, wie er zu den beiden Russen Kontakt aufgenommen hatte und inwieweit er beim Verfassen der "Eidesstättigen" behilflich war. Dietrich erklärte sich und protestierte gegen die Mutmaßung, bei dem Treffen könnte es sich um eine "Falle" gehandelt haben.

Der Liveblog zum Nachlesen:

Liveblog

Sebastian Kurz vor Gericht - Urteil möglich

ribbon Zusammenfassung
  • Der ehemalige Kanzler und Ex-ÖVP-Chef Sebastian Kurz ist am Freitag wegen Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss zu acht Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden.
  • Sein ehemaliger Kabinettschef Bernhard Bonelli erhielt wegen desselben Delikts eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten.
  • Das Urteil für Kurz betraf Aussagen zur Aufsichtsratsbestellung in der ÖBAG. Einen Freispruch gab es zur Vorstandsbesetzung mit Thomas Schmid.
  • Die Urteile sind nicht rechtskräftig.