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Laut Hamas in der Nacht 128 Menschen im Gazastreifen getötet

Im Gazastreifen sind nach Angaben des von der militanten Palästinenserorganisation Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums in der Nacht zum Montag mindestens 128 Menschen bei israelischen Militäreinsätzen getötet worden. Die meisten von ihnen seien Frauen und Kinder, erklärte das Ministerium. Die Hamas sprach zudem von anhaltenden israelischen Angriffen im Zentrum und im Süden des Gazastreifens. Auch an der Grenze Israels zum Libanon wurde wieder gekämpft.

Das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) warf der israelischen Marine einen Angriff auf einen Lebensmittelkonvoi vor, der auf dem Weg in den Norden des Gazastreifens war. "Glücklicherweise wurde niemand verletzt", erklärte am Montag der UNRWA-Chef im Gazastreifen, Thomas White, im Onlinedienst X. Der Angriff sei vom Meer aus erfolgt. Die israelische Armee hat die vollständige Kontrolle über die Küstengewässer des Gazastreifens.

Spanien wird das zuletzt heftig kritisierte UNRWA mit einer Sonderzahlung in Höhe von 3,5 Millionen Euro unterstützen. Damit solle sichergestellt werden, dass diese "unverzichtbare Organisation" ihre Aktivitäten kurzfristig aufrechterhalten könne, erklärte Außenminister José Manuel Albares am Montag in Madrid. Die Lage im Gazastreifen sei "verzweifelt", betonte Albares.

Das UNRWA hatte vor wenigen Tagen gewarnt, man werde die gesamte Arbeit womöglich schon in vier Wochen einstellen müssen, wenn zugesagte Gelder nicht bezahlt würden. Mehr als ein Dutzend Länder, zu denen die größten Geber USA und Deutschland, aber auch Österreich gehören, haben insgesamt mehr als 400 Millionen Euro an Zahlungen ausgesetzt. Hintergrund sind Vorwürfe, Mitarbeiter des Hilfswerks seien an den Terroranschlägen der Hamas auf Israel am 7. Oktober beteiligt gewesen.

Der Gaza-Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas dauert mittlerweile seit fast vier Monaten an. Ausgelöst hatten ihn die von der EU und den USA als Terrororganisation eingestufte Hamas und weitere militante Palästinensergruppen durch einen beispiellosen Großangriff auf Israel am 7. Oktober. Israelischen Angaben zufolge wurden dabei etwa 1.160 Menschen getötet, darunter viele Zivilisten. Rund 250 Menschen wurden zudem als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Als Reaktion auf den Angriff startete Israel einen massiven Militäreinsatz in dem Palästinensergebiet. Nach jüngsten Hamas-Angaben, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seit dem Beginn der israelischen Offensive mindestens 27.365 Menschen im Gazastreifen getötet.

Auch an der Nordgrenze Israels zum Libanon dauert die Gewalt an. Israels Militär gab am späten Sonntagabend bekannt, Kampfflugzeuge hätten erneut eine Kommandozentrale der mit der Hamas verbündeten, vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz im Süden des Libanon attackiert. Zudem sei ein Beobachtungsposten der Hisbollah angegriffen worden. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.

Ob es Opfer gab, teilte die Armee nicht mit. Zuvor hatten sich die Hisbollah und Israels Streitkräfte in dem Grenzgebiet erneut Gefechte geliefert.

Am Sonntagabend beriet Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant in Tel Aviv mit Amos Hochstein, einem Berater von US-Präsident Biden, über die gefährliche Lage in dem Grenzgebiet. Man sei zu einer diplomatischen Lösung der Krise bereit, aber zugleich auf "jedes andere Szenario" vorbereitet, sagte Gallant nach Angaben seines Ministeriums bei dem Treffen.

Nach Auskunft des israelischen Armee-Sprechers Daniel Hagari wurden drei Truppendivisionen an die nördliche Grenze verlegt. Er sprach am Wochenende eine deutliche Warnung an die Hisbollah aus: Ein Krieg sei nicht Israels erste Priorität, "aber wir sind auf jeden Fall vorbereitet".

Seit Beginn des Gaza-Krieges kommt es auch in der israelisch-libanesischen Grenzregion fast täglich zu gegenseitigen Angriffen. Auch am Sonntag gab es dort erneut Gefechte. Die Hisbollah schoss nach Angaben des israelischen Militärs mehrere Raketen auf den Norden Israels ab. Als Antwort bombardierten israelische Kampfjets eine Raketenstellung sowie Beobachtungsposten der Hisbollah in zwei Ortschaften im Süden des Libanons.

Israels Außenminister Israel Katz fordert, den diplomatischen Druck auch auf die Hisbollah im Libanon zu erhöhen. Die Zeit für eine diplomatische Lösung im Südlibanon werde angesichts der zunehmenden Gefechte an Israels Nordgrenze knapp, sagte Katz am Montag nach Angaben seines Ministeriums bei einem Besuch seines französischen Kollegen Stéphane Séjourné. "Israel wird militärisch handeln, um die evakuierten Bürger" in sein nördliches Grenzgebiet zurückzubringen, sollte keine diplomatische Lösung für ein Ende der Gewalt erreicht werden.

Im zähen Ringen um ein neues Abkommen zwischen Israel und der Hamas ist wiedeurm US-Außenminister Antony Blinken am Montag zu weiteren Krisengesprächen im Nahen Osten eingetroffen. Das Flugzeug des US-Außenministers sei am Montag in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad gelandet, berichtete ein mitreisender AFP-Journalist. Neben der Freilassung der israelischen Geiseln im Gegenzug zu einer Feuerpause im Gazastreifen geht es Blinken dabei auch um die "humanitären Bedürfnisse" in dem Palästinensergebiet.

Es ist bereits Blinkens fünfte Nahost-Reise seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der Hamas. Nach seinem Besuch in Saudi-Arabien wird Blinken nach Angaben des US-Außenministeriums die Vermittler-Länder Katar und Ägypten sowie Israel und das besetzte Westjordanland besuchen.

Blinken werde "seine diplomatischen Bemühungen fortsetzen, um eine Einigung zu erzielen, die die Freilassung aller verbleibenden Geiseln sicherstellt und eine humanitäre Pause beinhaltet, um eine nachhaltige und verstärkte Bereitstellung humanitärer Hilfe für Zivilisten im Gazastreifen zu ermöglichen", sagte Ministeriumssprecher Matthew Miller.

Nach gut vier Monaten Krieg wächst international der Druck auf beide Seiten, ein neues Abkommen zu besiegeln, das von hochrangigen Vertretern der USA, Israels, Ägyptens und Katars Ende Jänner in Paris aushandelt worden war. Dabei geht es um eine zunächst sechswöchige Feuerpause, die zu einer Freilassung weiterer Geiseln aus der Gewalt der Hamas führen soll.

Zunächst könnten 35 bis 40 israelische Geiseln im Austausch für 200 bis 300 palästinensische Häftlinge und 200 bis 300 Lkw-Hilfslieferungen für den Gazastreifen freikommen, hieß es aus Hamas-Kreisen. Die Hamas spielt allerdings bei dem vorliegenden Entwurf auf Zeit: Am Samstag erklärte der im libanesischen Exil lebende Hamas-Vertreter Osama Hamdan, seine Organisation brauche mehr Bedenkzeit, um ihre "Position bekannt zu geben".

Ende November waren im Zuge einer von Katar, Ägypten und den USA vermittelten einwöchigen humanitären Feuerpause mehr als hundert der von der Hamas verschleppten Geiseln im Gegenzug für 240 palästinensische Gefängnisinsassen freigekommen.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Spannungen an Israels Nordgrenze zum Libanon nehmen zu, während die israelische Armee im Gazastreifen gegen die Hamas kämpft.
  • Israels Militär hat eine Kommandozentrale der Hisbollah-Miliz im Süden Libanons und einen Beobachtungsposten angegriffen, während es fast täglich zu gegenseitigen Angriffen in der israelisch-libanesischen Grenzregion kommt.
  • Bei den Verhandlungen im Gaza-Krieg über eine erneute Feuerpause und die Freilassung von Geiseln gibt es noch keine Einigung, aber die israelischen Verhandlungsführer haben einen in Paris ausgehandelten Rahmenentwurf bereits akzeptiert.