Kaiser: Lehrerfreistellung ab 60 Zwei-Klassen-Gesellschaft
Die SPÖ hat am Donnerstag dagegen mobil gemacht, dass Lehrer laut Informationsschreiben des Bildungsministeriums ab 60 auch dann dem Unterricht fernbleiben dürfen, wenn sie keiner Risikogruppe angehören. Sozialsprecher Josef Muchitsch ortet in einer Stellungnahme gegenüber der APA eine Ungleichbehandlung gegenüber allen anderen Arbeitnehmern, Kärntens LH Peter Kaiser sieht dies ähnlich.
Gesundheitssprecher Philip Kucher sieht eine "Husch-Pfusch-Lösung". "Auch die Angehörigen sind bei Lehrerinnen und Lehrern umfasst. Bei allen anderen Berufsgruppen nicht, obwohl wir seit Wochen dafür kämpfen", zeigt sich Muchitsch empört. Er will noch am Donnerstag im Sozialausschuss vom zuständigen Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) eine Erklärung fordern.
Wiens Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky ist befremdet vom Vorgehen von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) - dieser habe die klaren Regelungen des Gesundheitsministeriums "einfach unterlaufen". "Das schafft nicht nur eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, sondern erschwert die Planbarkeit in den die Bildungseinrichtungen enorm", kritisiert Czernohorszky und fordert einheitliche, klare Regelungen zu Freistellungen für alle Berufsgruppen.
Vor einer "Zwei-Klassen-Gesellschaft warnt auch Kaiser. Kärntens LH, der formal auch Präsident der Bildungsdirektion ist, zeigt sich gegenüber der APA "fassungslos" über die Empfehlung aus einem Informationsschreiben des Bildungsministeriums an die Bildungsdirektionen, die "quasi einer Anweisung an die Länder gleichkommt", diese Regelungen auch auf die Landeslehrer anzuwenden. Würden aber alle Lehrer über 60 diese Möglichkeit zur Freistellung nutzen, könnte man in Kärnten wegen der Altersstruktur unter den Pädagogen den Unterricht nur schwer abhalten, warnt Kaiser.
Er befürchtet die Schaffung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft und verweist auf den öffentlichen Dienst, wo es etwa Mitarbeiter in den Krankenanstalten gebe, die ebenfalls über 60 und weit exponierter seien. Auch mit Blick auf die gesamte Gesellschaft könne es nicht sein, dass einer "privilegierten Gruppe von höchster Stelle angeraten würde, sie kann daheimbleiben, weil sie über 60 ist und sonst nichts, und andere müssen arbeiten", so Kaiser. "Es müssen alle gleich behandelt werden."
Konkret wird in der "Information zum Einsatz von Lehrpersonen ab dem 4. Mai" festgehalten, wie bei Bundeslehrern (an AHS und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen/BMHS) mit Lehrern der Covid-19-Risikogruppe umzugehen ist. Die für die Bundeslehrer dargelegte Regelung soll laut Kaiser von den Bildungsdirektionen analog für die Landeslehrer angewandt werden.
Wenn Lehrer ein entsprechendes Attest vorlegen, soll die Schulleitung prüfen, ob diese etwa im Home Office arbeiten oder die Arbeitsbedingungen so verändert werden können, dass das Infektionsrisiko so weit wie möglich reduziert ist. Ist das nicht möglich, sind sie von Aufgaben an der Schule (vor allem Präsenzunterricht, Betreuung und Beaufsichtigung von Schülern) freigestellt.
Lehrern über 60 steht es frei, "gegenüber der Schulleitung eine (widerrufbare) Erklärung abzugeben, dass sie aus Gründen des Alters vom Unterricht freigestellt werden wollen". Diese Freistellung gilt bis 31. Mai, bei Andauern der Coronakrise kann sie bis Ende des Schuljahrs verlängert werden. Wegen des fortgeschrittenen Schuljahrs werde der Ausfall im Regelfall über Mehrdienstleistungen vorhandener Lehrer kompensiert werden. Neuanstellungen soll es nur ausnahmsweise geben, an den BMHS sollen für einzelne Stunden Lehrbeauftragte bestellt werden können.
Das Bildungsministerium verteidigt seine Entscheidung: Man habe eine Fürsorgepflicht und müsse die Gesundheit der Lehrer schützen, zudem gelte die Befreiung nur für Präsenzunterricht, hieß es auf APA-Anfrage. An den Schulen gebe es nun einmal die Herausforderung, dass die Lehrer durch den Aufenthalt mit zehn bis 15 Schülern in einem Raum einem besonderen Risiko ausgesetzt seien. Pädagogen aus dieser Altersgruppe, die sich nicht als gefährdet empfinden, könnten freilich trotzdem unterrichten, betont die zuständige Sektionschefin Margareta Scheuringer.
Jene Lehrer über 60, die sich aus Sorge um ihre Gesundheit vom Arbeiten im Schulhaus freistellen lassen wollen, können außerdem weiterhin im digitalen Unterricht oder etwa in der Schulentwicklung eingesetzt werden. Laut Statistik Austria waren 2018/19 zwölf Prozent der Lehrer 60 Jahre oder älter.
Zusammenfassung
- Die SPÖ hat am Donnerstag dagegen mobil gemacht, dass Lehrer laut Informationsschreiben des Bildungsministeriums ab 60 auch dann dem Unterricht fernbleiben dürfen, wenn sie keiner Risikogruppe angehören.
- Sozialsprecher Josef Muchitsch ortet in einer Stellungnahme gegenüber der APA eine Ungleichbehandlung gegenüber allen anderen Arbeitnehmern, Kärntens LH Peter Kaiser sieht dies ähnlich.