Johnson schaltet sich nach Erkrankung in Politik ein
Der britische Premierminister Boris Johnson schaltet sich nach seiner überstandenen Corona-Erkrankung wieder kräftig in die Regierungspolitik ein. Johnson habe mit Außenminister Dominic Raab, der ihn teilweise vertritt, und weiteren Mitarbeitern am vergangenen Freitag ein dreistündiges Gespräch per Videocall gehabt, berichtete die Zeitung "Sunday Telegraph".
Bereits zuvor habe er mehrmals von seinem Landsitz Chequers aus Anweisungen gegeben. Nach Regierungsangaben vom Samstag hatte Johnson "einige Kontakte" mit Kabinettsmitgliedern gehabt, es wurde aber nicht das Ausmaß genannt. Er halte sich an die Anweisungen seines Arztes, hieß es.
Dass sich Johnson wieder so schnell in die Regierungsgeschäfte einmischt, soll mit zunehmender Kritik an der Regierung bei der Bekämpfung der Pandemie zu tun haben. Nach einem Bericht der "Sunday Times" war zu Beginn des Ausbruchs wochenlang der Ernst der Lage in Großbritannien nicht erkannt worden. Man habe sich stattdessen zu sehr auf den Brexit konzentriert. Johnson fehlte der "Times" zufolge auch bei fünf wichtigen Sitzungen des Nationalen Sicherheitsrats (Cobra) zur Pandemie. Staatsminister und Vize-Premier Michael Gove sagte dem Sender Sky News am Sonntag, die Vorwürfe seien "grotesk".
Der 55-jährige Premier musste wegen seiner Lungenerkrankung Covid-19 auf der Intensivstation einer Londoner Klinik behandelt werden. Seit einigen Tagen erholt er sich nun auf dem Landsitz Chequers in der Nähe der Hauptstadt. An seiner Seite ist seine schwangere Verlobte Carrie Symonds. Die 32-Jährige hatte sich nach eigenen Angaben auch mit dem Coronavirus infiziert, aber nur leichte Symptome entwickelt.
Eine Woche nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus geht es Johnson nach Regierungsangaben auch bereits deutlich besser. Johnson "erholt sich gut und ist gut gelaunt", sagte Gove am Sonntag dem Sender Sky News. Johnson habe die "Lage absolut im Griff" und einen guten Überblick über die Regierungsgeschäfte, sagte Gove.
In den britischen Kliniken werden Ausrüstungen zum Schutz gegen das Coronavirus bedrohlich knapp - auch die für Ärzte und Pfleger empfohlenen langärmeligen, flüssigkeitsabweisenden Einweg-Kittel auf vielen Intensivstationen. Daher haben die Behörden auch die Verwendung anderer Kittel erlaubt. Dies stieß am Wochenende auf heftige Kritik unter anderem von Gewerkschaften. Sie befürchten ein erhöhtes Ansteckungsrisiko für Ärzte und Pfleger. Ein Lichtblick: Aus der Türkei wurden 84 Tonnen Schutzausrüstungen in Großbritannien erwartet - sie reichen Kritikern zufolge aber nur für drei Tage.
Im Vereinigten Königreich mangelt es auch an Klinikpersonal und Beatmungsgeräten für Covid-19-Patienten. Sauerstoff-Lieferungen für die Beatmung gehen Ärzten zufolge ebenfalls zurück. Die Statistiken zu Infizierten und Todesfällen gelten als wenig aussagekräftig, unter anderem weil in Großbritannien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bisher wenige Tests vorgenommen worden sind. In den Statistiken zu den Sterbefällen tauchen keine Toten in Pflegeheimen auf. Deren Zahlen gehen Schätzungen zufolge in die Tausende.
Experten befürchten, dass Großbritannien mit Blick auf die Sterbequote das am schlimmsten betroffene Land in Europa werden könnte. Die Ausgangsbeschränkungen sind daher bis zum 7. Mai verlängert worden.
Zusammenfassung
- Der britische Premierminister Boris Johnson schaltet sich nach seiner überstandenen Corona-Erkrankung wieder kräftig in die Regierungspolitik ein.
- Johnson habe mit Außenminister Dominic Raab, der ihn teilweise vertritt, und weiteren Mitarbeitern am vergangenen Freitag ein dreistündiges Gespräch per Videocall gehabt, berichtete die Zeitung "Sunday Telegraph".
- Sauerstoff-Lieferungen für die Beatmung gehen Ärzten zufolge ebenfalls zurück.