Israels Armee räumt "Versagen" bei Siedler-Angriffen ein
Am Mittwoch hatten nach Angaben von Einwohnern 200 bis 300 jüdische Siedler das Dorf Turmus Ayya angegriffen und Gebäude, Felder und Fahrzeuge zerstört oder in Brand gesetzt - ein Vergeltungsangriff nach dem Tod von vier Israelis bei einem Angriff mit Schusswaffen auf eine Tankstelle nahe einer jüdischen Siedlung am Dienstag, der wiederum als Vergeltungsangriff auf eine israelische Razzia am Montag galt, bei der sieben Palästinenser getötet wurden.
Allein seit Anfang der Woche starben damit im besetzten Westjordanland mindestens 18 Menschen, darunter mehrere Jugendliche, sowohl durch das israelische Militär als auch durch Angriffe von Palästinensern oder jüdischen Siedlern.
Turmus Ayya ist die Heimat einer größeren Anzahl palästinensischer US-Amerikaner, die sich über den mangelnden Schutz aus Washington frustriert und hilflos zeigten.
Eine Delegation aus mehr als 20 diplomatischen Vertretungen, darunter EU und USA, besuchte das Dorf am Freitag, um die Schäden zu begutachten. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk warnte: "Die neuesten Tötungen, die Gewalt und eine hetzerische Rhetorik führen Israel und die Palästinenser nur weiter in den Abgrund." Der US-Botschafter in Israel, Tom Nides, kritisierte die Siedler. Die USA sähen solcher Gewalt nicht tatenlos zu. Zugleich sprach er den Familien der Anschlagsopfer sein Mitgefühl aus.
Kritik kam auch von Österreich. Israel als Besatzungsmacht müsse dafür sorgen, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt und proaktive Schritte zum Schutz der palästinensischen Gemeinden unternommen werden, hieß es am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung mit 15 weiteren europäischen Ländern. Kritisiert wurde auch der Siedlungsausbau und der palästinensische Anschlag.
Die Gewalt im israelisch-palästinensischen Konflikt hat seit Jahresbeginn deutlich zugenommen. Bisher wurden in diesem Jahr laut Zählungen der Nachrichtenagentur AFP bereits mindestens 174 Palästinenser, 25 Israelis, eine Ukrainerin und ein Italiener getötet.
Jüdische Siedler errichteten im besetzten Westjordanland neue Außenposten, wie am Freitag bekannt wurde. Das israelische Militär teilte mit, seit Donnerstag seien mehrere der illegalen Ansiedlungen entdeckt worden. Sie würden nach nicht näher beschriebenen Prioritäten aufgelöst, hieß es weiter. Der rechtsextreme Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, erklärte dagegen bei dem Besuch eines dieser Außenposten: "Wir halten euch den Rücken frei, lauft auf die Hügel, besiedelt das Land." Die Tageszeitung "Yediot Ahronot" berichtete, seit Donnerstag seien mindestens sieben neue Siedlungen mit Wissen der Regierung errichtet worden.
Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte nach dem palästinensischen Anschlag den beschleunigten Bau von rund 1.000 Wohnungen in der Region angekündigt. "Unsere Reaktion auf Terror ist, ihn mit aller Macht zu bekämpfen, und unser Land aufzubauen", hieß es in einer Mitteilung.
Israel eroberte während des Sechstagekrieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem. Die meisten Staaten werten jüdische Siedlungen im besetzten Westjordanland als illegal und als Hindernis für eine Friedenslösung. Der UNO-Sicherheitsrat bezeichnete 2016 diese Siedlungen als Verletzung des internationalen Rechts und forderte Israel auf, alle Siedlungsaktivitäten zu stoppen. Die Palästinenser wollen im Westjordanland, im Gazastreifen und in Ost-Jerusalem einen eigenen Staat einrichten.
Israels Regierung beruft sich auf biblische, historische und politische Verbindungen zum Westjordanland, um den Anspruch auf das Land zu rechtfertigen. Seit der Regierungsübernahme der religiös-nationalistischen Koalition im Jänner wurden über 7.000 neue Wohneinheiten genehmigt, die meisten davon tief im Westjordanland. Nach Angaben der Vereinten Nationen leben rund 700.000 Siedler in 279 Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem. 2012 waren es noch 520.000.
Zusammenfassung
- Die israelische Armee hat eingeräumt, bei der Verhinderung eines Angriffs jüdischer Siedler auf das palästinensische Dorf Turmus Ayya mit einem Toten im besetzten Westjordanland am Dienstag "versagt" zu haben.
- "Wir hatten bei der ersten Angriffswelle nicht genügend Kräfte vor Ort", sagte der Armeesprecher Daniel Hagari am Freitag.
- Die Palästinenser wollen im Westjordanland, im Gazastreifen und in Ost-Jerusalem einen eigenen Staat einrichten.