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Israel unter Druck: US-Militärhilfe auf der Kippe?

Die US-Regierung hat Israel aufgefordert, die humanitäre Lage im Gazastreifen innerhalb von 30 Tagen spürbar zu verbessern. Andernfalls drohe ein Verstoß gegen US-Gesetze zur militärischen Unterstützung. Das könnte möglicherweise die amerikanische Militärhilfe für Israel gefährden.

Das US-Außenministerium bestätigte am Dienstag entsprechende Medienberichte. Washington übte zudem deutliche Kritik an Israels Angriffen auf Beirut. Eine Reaktion Israels gab es vorerst nicht.

Konkret geht es um einen Brief, der am Sonntag von den USA an Israel gerichtet wurde. Israel hat nun 30 Tage, um die humanitäre Situation zu verbessern. 

Israel startete zuletzt eine neue Offensive im Norden Gazas, bei der Zivilisten zu Tode kamen. Laut den USA und der "BBC" wurden 90 Prozent aller Fluchtströme vom Norden in den Süden des Landes verwehrt oder behindert, was auch vom Internationalen Roten Kreuz zuletzt scharf kritisiert wurde.

Wieder Essenslieferungen in Nord-Gaza

Laut der "BBC" sprachen israelische Behörden davon, den Brief ernst zu nehmen.

Israel hatte am Montag wieder Essenslieferungen in den Norden Gazas zugelassen, nachdem diese seit Anfang Oktober unterbunden worden waren. Laut UN befinden sich rund 400.000 Palestinenser:innen in dem Gebiet. 

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Zuletzt gelangten verstörende Berichte an die Öffentlichkeit: Laut "NYT" und auch Recherchen der "Tagesschau" setzt Israels Armee Palästinenser als "menschliche Schilder" ein, um Gebiete zu erkunden.

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Angriffe auf Zelte bei Krankenhaus

Laut Medienberichten wurden bei einem israelischen Angriff auf das Al-Aqsa Krankenhaus vier Personen getötet. Dabei wurde von Luftschlägen ein Zeltcamp außerhalb des Krankenhauses entzündet, laut "Deutscher Welle" erlitten mehr als zwölf Personen, die dort Zuflucht gesucht hatten, in den Zelten schwere Verbrennungen.

Auf Bildern der "Associated Press" sind auch Kinder unter den Verwundeten zu sein.

Laut israelischer Armee war der Angriff gegen Militante gerichtet, die sich unter den Zivilist:innen versteckt haben sollen.

USA wollen "Ergebnisse"

Das State Department der USA wollte jedoch eine Frage nach den konkreten Konsequenzen - sollte Israel der Aufforderung nicht nachkommen - nicht direkt beantworten. Es gehe nicht "um irgendwelche Drohungen", sagte Sprecher Matthew Miller, sondern um "Ergebnisse" für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen.

Das am Sonntag versandte Schreiben von US-Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin richtete sich an den israelischen Verteidigungsminister Joav Galant sowie den Minister für strategische Angelegenheiten, Ron Dermer.

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"Tiefe Besorgnis"

In dem Brief äußern Blinken und Austin "tiefe Besorgnis" über die humanitäre Lage in Gaza und fordern "dringende und nachhaltige Maßnahmen" seitens der israelischen Regierung.

Laut dem Schreiben ging etwa die Menge der Hilfslieferungen seit dem Frühjahr um mehr als 50 Prozent zurück.

Die US-Regierung brachte zudem deutliche Kritik an den Angriffen der israelischen Luftwaffe auf Ziele in Libanons Hauptstadt Beirut zum Ausdruck gebracht.

"Wir haben deutlich gemacht, dass wir gegen die Kampagne sind", die in den vergangenen Wochen in Beirut zu beobachten gewesen sei, sagte Miller.

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Massive Angriffe auf Libanon

Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter und zugleich größter Waffenlieferant. Die israelische Armee hatte seit dem 23. September ihre Angriffe gegen Ziele der pro-iranischen Hisbollah-Miliz im Libanon massiv verstärkt.

Anfangs hatten sich die Luftangriffe vor allem gegen die Hisbollah-Hochburgen im Süden des Landes sowie in südlichen Vororten von Beirut gerichtet. Zuletzt griff die Armee auch Ziele im Zentrum der Hauptstadt sowie im Norden und Osten des Landes an.

Laut Behörden wurden bei israelischen Angriffen erneut Dutzende Menschen getötet. Am Montag seien in verschiedenen Regionen insgesamt 41 Menschen getötet worden, wie das Gesundheitsministerium am Dienstagnachmittag mitteilte. 124 weitere seien verletzt worden.

Die meisten Menschen wurden demnach bei einem Luftangriff im Norden des Landes getötet. Der Angriff im überwiegend von Christen bewohnten Ort Aito traf nach Angaben von Sicherheitskreisen ein Gebäude, in dem Binnenflüchtlinge Zuflucht gesucht hatten.

Nach Darstellung des israelischen Militärs wurde ein Ziel mit Verbindung zur Hisbollah angegriffen. Der Fall werde untersucht. Alle Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Tausende Tote im Libanon

Insgesamt sind seit Ausbruch der Gefechte zwischen der proiranischen Hisbollah-Miliz und dem israelischen Militär vor gut einem Jahr 2.350 Menschen im Libanon getötet und 10.906 weitere verletzt worden. Das Gesundheitsministerium unterscheidet in seiner Aufzählung nicht zwischen Hisbollah-Mitgliedern und Zivilisten.

Zuletzt hatten die USA ihre militärische Unterstützung aber verstärkt. Das Verteidigungsministerium teilte mit, dass erste Komponenten des Raketenabwehrsystems THAAD sowie US-Militärpersonal am Montag in Israel eingetroffen seien. Das System soll die Verteidigungsfähigkeit des Landes stärken.

USA unter Druck

Diese Doppelstrategie verdeutlicht den Balanceakt der US-Regierung: Einerseits betont Washington immer wieder sein sicherheitspolitisches Engagement und Israels Recht auf Selbstverteidigung. Israel erhält umfassende militärische und nachrichtendienstliche Unterstützung.

Andererseits steht die US-Regierung unter innenpolitischem Druck. Kriegsgegner kritisieren das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen scharf und fordern einen Stopp von US-Waffenlieferungen an das Land.

Das sogenannte "Leahy"-Gesetz spielt dabei eine zentrale Rolle. Es untersagt den USA, Militärhilfen an Streitkräfte zu leisten, die in schwere Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind.

Die Kritiker verweisen auf Zweifel, dass Israel diese Vorgabe einhält. Laut Menschenrechtsorganisationen würden demnach etwa durch die Blockade von Hilfslieferungen, Luftangriffe auf Wohngebiete und den Mangel an Schutz für Zivilisten im Gazastreifen grundlegende Menschenrechtsstandards verletzt. Israel weist diese Vorwürfe zurück und betont, dass seine Operationen den internationalen Gesetzen entsprechen.

40.000 Tote, fast 100.000 Verletzte

Im Gazastreifen wurden nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde seit Beginn der israelischen Militäroffensive vor einem Jahr mindestens 42.344 Menschen getötet. Mindestens 99.013 Palästinenser seien verletzt worden, so die Behörde unter Kontrolle der Hamas. Unter den Opfern seien auch zahlreiche Frauen und Kinder.

Israel führt seit dem 7. Oktober des Vorjahres Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen. Vor knapp einem Jahr hatte die islamistische Terrormiliz gemeinsam mit ihren Verbündeten den Süden Israels überfallen und dabei mehr als 1.200 Menschen getötet.

ribbon Zusammenfassung
  • Die US-Regierung hat Israel aufgefordert, die humanitäre Lage im Gazastreifen innerhalb von 30 Tagen spürbar zu verbessern.
  • Andernfalls drohe ein Verstoß gegen US-Gesetze zur militärischen Unterstützung.
  • Das könnte möglicherweise die amerikanische Militärhilfe für Israel gefährden.