Heinz Fischer zu Israel: "Für Verteidigung gibt es Grenzen"
"Auch für die Verteidigung gibt es Grenzen und Internationales Recht, das beachtet werden muss", sagt Fischer im Interview mit der Austria Presseagentur.
Recht auf Verteidigung
Die Verbrechen der radikalislamistischen Terrororganisation Hamas mit rund 1.200 Toten und fast 250 Verschleppten seien "gigantisch und unverzeihlich", stellt Fischer, von 2004 bis 2016 Bundespräsident, klar. "Das steht für mich außer Zweifel." Auch habe Israel ein Recht, sich zu verteidigen.
Aber letzten Endes weine eine palästinensische Mutter genauso um ihr getötetes Kind wie eine israelische Mutter um das ihre. "Wenn ich daran denke, dann finde ich, dass die Vereinten Nationen recht haben, wenn sie die Einhaltung des Völkerrechts und der Menschenrechte anmahnen. Noch dazu, wo die Menschen, und zwar die Zivilbevölkerung, aus dem Gaza-Streifen nicht flüchten können."
UNO-Menschenrechtsrat: Verstöße gegen Völkerrecht
Fischer habe sich ausführlich mit dem Vorsitzenden des UNO-Menschenrechtsrats, dem Österreicher Volker Türk, unterhalten, erklärt der 85-jährige Altbundespräsident. Türk sei sehr besorgt über das militärische Vorgehen Israel und die humanitäre Lage im Gazastreifen. Laut Hamas gebe es fast 24.000 Tote, Türk habe Verstöße gegen das Völkerrecht geortet.
Israels Regierung kritisierte den UNO-Menschenrechtsrat in Folge als voreingenommenes Gremium und erklärte, sich an seine oder die Weisungen seiner Experten nicht mehr gebunden zu fühlen. Dazu meinte Fischer: "Wenn der UN-Menschenrechtsrat Vorgänge in einer chinesischen Provinz kritisiert, dann schenken wir ihm - auch ich - volles Vertrauen. Wenn der Menschenrechtsrat Vorgänge im Gaza-Streifen kritisiert, noch dazu Vorgänge, die wir im Fernsehen täglich ziemlich genau beobachten können, dann bezeichnet das Israel als 'voreingenommen'."
Österreich-Nein zu Waffenruhe "Fehler"
Dass Österreich Mitte Dezember gegen eine Resolution für eine sofortige humanitäre Waffenruhe im Gazastreifen gestimmt hatte, bezeichnete Fischer als "Fehler". "Man sagt, dass der Resolution eine ausdrückliche Verurteilung der Hamas gefehlt habe. Das ist richtig, aber man verschweigt, dass die Resolution die Forderung nach einer Feuereinstellung, die Forderung nach humanitären Maßnahmen, nach Beachtung internationalen Rechts, und vor allem auch die Forderung nach sofortiger Freilassung aller Geiseln enthalten hat." Das sei fast allen EU-Staaten - außer Tschechien und Österreich - wichtig genug gewesen, nicht gegen die Resolution zu stimmen, betonte das ehemalige Staatsoberhaupt.
"Österreich hat also mit seinem 'Nein' zwar gemeinsam mit Israel und den USA gestimmt, aber anders als Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Schweiz, Schweden, Finnland, Australien, Neuseeland, Kanada und die restlichen EU-Staaten mit Ausnahme der Tschechischen Republik. Das hat sowohl in Österreich, als auch international viel Erstaunen und Stirnrunzeln eingebracht."
Die Resolution sei das Ergebnis und "der größte gemeinsame Nenner intensiver Bemühungen im Rahmen der Vereinten Nationen" gewesen und habe viele äußerst wichtige und richtige Forderungen enthalten. Allenfalls hätte es auch das eine oder andere Argument für eine Enthaltung gegeben, räumte der ehemalige Politiker aus den Reihen der SPÖ ein. Die Ablehnung sei jedoch seiner Meinung nach eine falsche Entscheidung gewesen.
Zusammenfassung
- Israel habe nach den "gigantischen Verbrechen" der Hamas am 7. Oktober natürlich das Recht, sich zu verteidigen, sagt Altbundespräsident Heinz Fischer.
- Aber wegen der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen hat er Bedenken.
- Dass Österreich gegen eine UNO-Resolution für einen humanitären Waffenstillstand stimmte, war "ein Fehler".