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Griechische Küstenwache weitet Suche nach Bootsunglück aus

Nach dem schweren Bootsunglück mit vermutlich Hunderten Toten im Mittelmeer gibt es praktisch keine Hoffnung mehr, noch Überlebende zu finden. Das Suchgebiet in den Gewässern südwestlich von Griechenland wurde am Freitag nochmals ausgeweitet, wie die Küstenwache mitteilte. Laut Medienberichten soll die Suche im Laufe des Tages aber eingestellt werden. Am Donnerstagabend waren von den 104 Überlebenden neun Verdächtige in der Hafenstadt Kalamata festgenommen worden.

Die Ägypter gelten als mutmaßliche Schleuser und Organisatoren der Unglücksfahrt. Der mit schätzungsweise 500 bis 700 Menschen besetzte Fischkutter war in der Nacht zum Mittwoch rund 50 Seemeilen südwestlich der Halbinsel Peloponnes in internationalen Gewässern gesunken. Zuvor soll an Bord eine Massenpanik ausgebrochen sein, die das übervolle Schiff zum Kentern brachte. Seither wurden 78 Todesopfer geborgen. Die Behörden vermuten, dass das Boot sehr schnell sank. Deshalb sei es den Menschen unter Deck vermutlich nicht gelungen, sich ins Freie zu retten. Alle Geretteten waren nach offiziellen Angaben Männer: 47 Syrer, 43 Ägypter, zwölf Pakistaner und zwei Palästinenser.

Der 34-jährige Syrer Qassem Abu Zeed ist aus Hamburg nach Kalamata gereist, er ist auf der Suche nach seiner Frau Esra und deren Bruder Abdullah. "Sie haben jeweils 4.500 US-Dollar für die Überfahrt bezahlt", berichtet sein Freund Hamza Ayash dem "Guardian". "Wir wollen nur wissen, was mit ihnen passiert ist." Langsam verliere man die Hoffnung.

Am Freitag begannen die Behörden, die Überlebenden in ein Auffanglager nördlich von Athen zu bringen, wo die Menschen registriert werden und Asylanträge stellen können. Lediglich die neun mutmaßlichen Schleuser blieben in Kalamata in Polizeigewahrsam. Dabei handelt sich nach Angaben der Küstenwache um Ägypter im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Ihnen werden fahrlässige Tötung, Menschenhandel und die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Der Unglücksort befindet sich in der Region der tiefsten Stelle des Mittelmeers, dem bis zu 5.267 Meter tiefen Calypsotief. Eine Bergung des Wracks ist deshalb kaum wahrscheinlich. Expertinnen und Experten halten einen solchen Versuch für sehr aufwendig und teuer.

"Ich wünschte, ich hätte den Einfluss, das Sterben zu stoppen", sagte Frontex-Chef Hans Leijtens im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag). "Aber wir können keine Wunder vollbringen. Wir überwachen ein Meer, das doppelt so groß ist wie Frankreich, Spanien und Italien zusammen." Es sei "sehr schwer, jedem zu helfen, der in Not" gerate. "Denn die Menschen sind bereit, große Gefahren auf sich zu nehmen. Und natürlich versuchen sie unbemerkt, auf die europäische Seite zu kommen", so Leijtens. Der Niederländer ist seit März Chef der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache. Im vergangenen Juli hatten der "Spiegel" und "Le Monde" von einem geheimen Bericht der Anti-Betrugsbehörde Olaf berichtet, der Frontex unter Leijtens Vorgänger Fabrice Leggeri das bewusste Wegsehen beim Zurückdrängen von Flüchtenden auf dem Meer durch die griechische Küstenwache vorwarf.

Die Lage auf dem Mittelmeer sei sehr dramatisch, sagte Leijtens. "Meine Kollegen haben am Dienstag das Fischerboot entdeckt, auf dem mutmaßlich 600 Menschen Richtung Griechenland unterwegs waren - wohl eng zusammengepfercht von Schmugglern. Wir haben das Boot den Behörden vor Ort gemeldet, wie es unsere Aufgabe ist. Es ist unfassbar traurig, dass es am Mittwoch gesunken ist und es zu einem erneuten tragischen Unglück gekommen ist."

In Griechenland wirft indes unter anderem Alexis Tsipras, Chef der größten Oppositionspartei Syriza, der Küstenwache eine Mitschuld vor. In einem Streitgespräch fragte er den Interimsminister für Bürgerschutz, Evangelos Tournas, warum diese nicht eingegriffen habe. Tournas erklärte, ein Eingreifen in internationalen Gewässern sei nicht möglich, wenn der Kapitän des Bootes dies ablehne. Hilfe sei der Besatzung mehrfach angeboten, diese aber konsequent ausgeschlagen worden.

Das Unglück und die Debatte fallen in eine innenpolitisch unruhige Phase in Griechenland. Am 25. Juni finden erneut Parlamentswahlen statt, nachdem bei den Wahlen im Mai keine Regierung zustande kam. Politikerinnen und Politiker vor allem linker Parteien sehen die konservative Regierung der vergangenen vier Jahre in der Verantwortung. Aufgrund von ihr eingeführten strengen Kontrollen auf dem Meer wählten Schleuser nun gefährlichere, längere Routen an Griechenland vorbei direkt nach Italien, lautet ein Vorwurf.

Noch weiter geht der ehemalige EU-Parlamentsabgeordnete Kriton Arsenis. Er beschuldigt die Küstenwache, dass sie das Boot aus griechischen Gewässern bringen wollte: "Das Boot der Geflüchteten war mit einem Seil am Schiff der Küstenwache befestigt", sagte Arsenis in einem Video, das die norwegische NGO Agean Boat Report auf Twitter veröffentlichte. Demnach hat Arsenis mit Überlebenden gesprochen. Plötzlich sei das Schiff gesunken. Doch diese Information scheine in den Berichten der Küstenwache nicht auf. Die griechische Küstenwache hat sich zu dem Vorwurf bisher nicht geäußert.

ribbon Zusammenfassung
  • Nach dem schweren Bootsunglück mit vermutlich Hunderten Toten im Mittelmeer gibt es praktisch keine Hoffnung mehr, noch Überlebende zu finden.
  • Das Suchgebiet in den Gewässern südwestlich von Griechenland wurde am Freitag nochmals ausgeweitet, wie die Küstenwache mitteilte.
  • Laut Medienberichten soll die Suche im Laufe des Tages aber eingestellt werden.
  • Noch weiter geht der ehemalige EU-Parlamentsabgeordnete Kriton Arsenis.