Gesundheitsreform passierte trotz Kritik Parlamentsausschuss
Die umfangreiche Sammelnovelle wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien ÖVP und Grünen angenommen, wie die Parlamentskorrespondenz mitteilte. Grünes Licht erhielten außerdem Maßnahmen zur Vermeidung von Medikamentenengpässen. Neben den Regierungsparteien stimmte auch die SPÖ für die Novelle zum Arzneimittelgesetz. Künftig sollen dadurch Pharmafirmen und Arzneimittelhändlern die Bevorratungskosten ersetzt werden, wenn sie vom Gesundheitsministerium per Verordnung zur Lagerung bestimmter Medikamente verpflichtet wurden. Ebenfalls den Gesundheitsausschuss passiert hat eine Ärztegesetz-Novelle, mit der infolge eines VfGH-Urteils die Bestellung der Disziplinarkommission neu geregelt wird.
Neuerlich Kritik hagelte es vor dem Beschluss der Gesundheitsreform vor allem wegen des darin vorgesehenen Bewertungsboards. Michaela Wlattnig von der Arge der Patientenanwältinnen und -anwälte meinte im Ö1-"Morgenjournal", dass die Garantie eines einheitlichen Einsatzes und Zugangs zu solchen Therapien in ganz Österreich für die Patienten zwar zu begrüßen sei. Gleichzeitig kritisierte sie aber, dass nicht nur nach dem medizinisch-therapeutischen Nutzen, sondern auch nach dem Kostennutzen bewertet werden solle. Dies wäre "rechtlich so nicht haltbar", betonte sie: "Der wirtschaftliche Nutzen darf erst dann eine Rolle spielen, wenn es sich um zwei gleichwertige Therapien, Arzneispezialitäten und so weiter handelt."
Bei der Zusammensetzung des Bewertungsboards brauche es "sicherlich noch einen Ausgleich und eine Schärfung hin zur Medizin und zur Wissenschaft". Zudem verlangte die Patientenanwältinnen Präzisierungen. Medikamente müssten auch dann zur Anwendung kommen können, wenn es eine Nichtempfehlung für sie gebe. Und: Auch schon während eines Bewertungsprozesses müsse ein Medikament beim Patienten ankommen können.
Rauch wehrte sich gegen die Kritik. Es werde doch niemand glauben, dass er als ehemaliger Krebspatient den Zugang zu Medikamenten erschweren wolle, sagte er im Ö1-"Mittagsjournal". Das Board werde zum überwiegenden Teil fachlich bzw. wissenschaftlich besetzt und bringe eine objektive Grundlage für die Entscheidung im jeweiligen Krankenhaus. Es sichere Transparenz und den gleichberechtigten Zugang auch zu teuren und sehr seltenen Medikamenten.
"Das ist eine Objektivierung einer Entscheidungsgrundlage, die ich für notwendig halte", so Rauch, der Kritiker noch zu einem klärenden Gespräch einladen will. Eine Verweigerung eines Medikaments durch das Board aus Kostengründen sei "zu 100 Prozent ausgeschlossen". Grundsätzlich gehe es bei der Reform darum, die bestmögliche ärztliche Versorgung unabhängig vom Bundesland und unabhängig vom Einkommen sicherzustellen.
Auf das Gesprächsangebot des Gesundheitsminister wolle man gerne zurückkommen, erklärte Alexander Herzog vom Verband der pharmazeutischen Industrie Pharmig. Allerdings könne es nur dann nützlich sein, wenn es rechtzeitig ausreichend vor einer etwaigen parlamentarischen Beschlussfassung erfolgt. "Passiert das nicht, so wird mit Sicherheit eines eintreten: eine Verschlechterung bei der Versorgung im Krankenhaus", so Herzog in einer Aussendung. Die Gesundheitsreform soll bereits kommende Woche im Nationalratsplenum beschlossen werden.
Die Ärztekammer wiederum, die in den Endverhandlungen der Reform ihre Entmachtungsbefürchtungen bezüglich Honoraren und Gesamtvertrag ohnehin ausgeräumt bekommen hatte, stieß sich am Dienstag daran, dass sie künftig bei der Zulassung von Ambulatorien nichts mehr mitzureden hat. "Die Ärztekammer für Wien ist tief besorgt über diese Entwicklung in Richtung Konzernmedizin, die schon in vielen europäischen Ländern - z.B. Deutschland - negative Folgen gebracht hat", warnte Präsident Johannes Steinhart in einer Aussendung vor Konkurrenz für die niedergelassenen Ärzte: "Ich appelliere an alle Abgeordneten des Gesundheitsausschusses, rasch eine Abänderung herbeizuführen."
Mit der Gesundheitsreform, die parallel zum Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden beschlossen werden soll, werden aus Regierungssicht in den kommenden fünf Jahren rund 14 Milliarden Euro für Gesundheit und Pflege zur Verfügung stehen - durchschnittlich 2,8 Milliarden Euro pro Jahr. Mit dem Geld sollen mehrere hundert zusätzliche Kassenstellen geschaffen werden, zudem will man Strukturreformen in den Spitälern und digitale Angebote für die Patienten finanzieren. In der Pflege werden Gehaltserhöhungen für die Mitarbeiter, finanzielle Unterstützungen für Auszubildende und die Förderung der 24-Stunden-Betreuung langfristig gesichert.
Die Reform bringt auch die Pflicht zur Diagnosecodierung für die niedergelassenen Ärzte, die Anbindung der Wahlärzte an das E-Card-System und einen Ausbau der elektronischen Gesundheitsakte ELGA. Vorgesehen ist zudem eine Plattform zur gemeinsamen Sekundärnutzung von pseudonymisierten Daten aus dem Gesundheitsbereich. Diese sollen allerdings nur Bund, Ländern und Sozialversicherung zugänglich sein, was auf Kritik aus der Wissenschaft stößt.
Zusammenfassung
- Die von Bund, Ländern und Sozialversicherung vereinbarte Gesundheitsreform hat am Dienstag eine erste wichtige Hürde genommen.
- Nach nur kurzer Begutachtungsfrist passierte sie den Gesundheitsausschuss des Nationalrats.
- Im Vorfeld wurde erneut Kritik laut: Die Patientenanwaltschaft stieß sich am geplanten Bewertungsboard für neue und teure Medikamente, und die Ärztekammer will weiter bei Ambulatorien mitreden.
- Rauch wehrte sich gegen die Kritik.