Gedenken an Opfer von Oberwart "Verpflichtung für Gegenwart"
Nach einer langen Phase bis in die 1980er, in der Roma und Romnja großteils zurückgezogen lebten, entstanden gegen Ende des Jahrzehnts erste Vereine und Initiativen. Ceija Stojka publizierte 1988 das Buch "Wir leben im Verborgenen" und machte darin als eine der ersten auf das Schicksal der Volksgruppe in den Konzentrations- und Vernichtungslagern des NS-Regimes aufmerksam. "In Oberwart begannen Menschen, sich gegen Menschenrechtsverletzungen wie systematische Diskriminierungen zu wehren. Am Arbeitsamt oder in der Schule: Menschen wurden als arbeitsunwillig betrachtet, Kinder automatisch in die Sonderschule geschickt, nur aufgrund ihrer Wohnadresse, Hautfarbe oder eines bestimmten Nachnamens", so Benedik.
Durch das Attentat - bei dem Peter Sarközi, Josef Simon sowie Karl und Erwin Horvath ermordet wurden - sei das "Bottom-Up-Engagement" der Community unterbrochen worden. Viele hätten sich gefragt: "Was ist da jetzt passiert? Haben wir uns zu sehr sichtbar und damit angreifbar gemacht?". Die Siedlung in Oberwart stand danach "wie unter einem Brennglas". Die Situation für die Roma und Romnja hätte sich zwar verbessert, "aber um den Preis einer extremen Exponiertheit in den Medien, des ständigen Vorgeführtwerdens von vielen NGOs, die ohne nachzufragen, was die Community eigentlich braucht, dort im guten Glauben viel Schaden angerichtet haben (...) Dadurch, dass es eine Staatsaffäre wird und es ein Staatsbegräbnis gibt, gibt es kein privates Begräbnis mehr, und den Opfern wird auch noch diese letzte Würde genommen".
Zwar war das Attentat für ganz Österreich ein Schock, unmittelbar danach gab es aber mehrere Repressalien gegen die Angehörigen der Opfer. "Das erste, was die Exekutive gemacht hat, waren Razzien bei den Familien der Opfern, weil die Polizei davon ausgegangen ist, dass die Roma selbst diese Gewalt geübt haben. Und das obwohl auf dem Schild 'Roma zurück nach Indien' stand", meinte der Historiker. Monatelang wurde in verschiedene Richtungen ermittelt, da Roma und Romnja immer wieder in Richtung Kleinkriminalität gerückt oder mit der "Bettelmafia" assoziiert wurden.
Gedenken dürfe nicht "non commital" sein
Das Erinnern an die Opfer, ohne, dass daraus eine Verpflichtung für die Gegenwart entstehe, sei immer auch eine verpasste Chance, so Benedik. "Ein Denkmal ist oft die Idee, etwas abzuschließen und nicht etwas Neues zu beginnen". Er warnt vor diesem "non commital memory". "Großen Respekt" müsse man den lokalen Initiativen zollen, die "versuchen die Verhältnisse zu verändern - dahin sollte man Geld, aber auch Anerkennung investieren." Viele dieser Initiativen, die noch vor 20 Jahren gescheitert sind, gelingen mittlerweile. 2005 etwa wollte man im Burgenland eine Gedenkstätte für die vom NS-Regime ermordeten Roma und Romnja errichten, die aber am Widerstand der Bevölkerung gescheitert sei. "Weil genau dort natürlich nicht nur die Opfer bekannt sind, sondern auch die Täter und Täterinnen". Bemerkenswert sei, dass mittlerweile "die lokale Bevölkerung, die lokale Gemeinde und auch der Gemeinderat bereit ist, eben dieser Opfer zu gedenken".
Nach wie vor sei aber eine Spaltung zu bemerken, so der Historiker, der selbst in der Region mehrere Interviews mit Nicht-Roma geführt hat: "Die haben dann oft ganz klar unterschieden zwischen den Opfern des NS-Terrors - das waren für sie tatsächliche Opfer - und den vier Männern, die 1995 ermordet wurden, über die oftmals in extrem rassistischer Weise abwertend gesprochen wurde." Und das obwohl drei der 1995 ermordeten Nachkommen von KZ-Überlebenden waren. In den Hintergrund gerate dabei das nationalistische Gedankengut Fuchs', der sich ebenso aufgrund seiner "deutschen Abstammung" als überlegen betrachtete.
Auch heute seien Angehörige der Volksgruppe Diskriminierung ausgesetzt. "Es ist ein gravierender Unterschied, ob man in einer Diktatur lebt, in der Menschen jederzeit rassistisch ermordet werden können, oder in einer Demokratie. Aber das rechtfertigt den Rassismus der Demokratie nicht."
Denkmal am Schmerlingplatz "weit, weit weg"
In Wien ist seit längerem eine Gedenkstätte geplant, die an die vom Nazi-Terror ermordeten Roma und Romnja erinnern soll. Derzeit sei diese aber noch "weit, weit weg", sagte Emmerich Gärtner-Horvath, Beiratsvorsitzender der Volksgruppe der Roma, zur APA, der dazu mit Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) in Kontakt ist. Momentan werde der von seinem Vorgänger Wolfgang Sobotka (ÖVP) vorgeschlagene Wiener Schmerlingplatz begutachtet. Rosenkranz sei der Gedenkstätte gegenüber "wohlgesonnen".
Gärtner-Horvath habe dem Nationalratspräsidenten auch angeboten, bei einer Veranstaltung anlässlich des internationalen Romatages am 8. April eine Rede zu halten. "Von der Geschichte her natürlich" teile er die ablehnende Haltung der Israelitischen Kultusgemeinde gegenüber dem Freiheitlichen. Aber "ich bin der Vorsitzende, ich muss zu den Sitzungen", meinte er. "Man kann aber nicht nur auf die FPÖ einhacken, immerhin hat sie über eine Million Wähler hinter sich. Warum die die FPÖ gewählt haben, welchen Grund sie gehabt haben? Ich glaube, da mangelt es auch an Geschichtsbewusstsein."
Zusammenfassung
- Am 5. Februar jährt sich das Rohrbombenattentat in Oberwart zum 30. Mal, bei dem vier Roma ermordet wurden.
- Der Anschlag, verübt von Franz Fuchs, stoppte das Engagement der Roma-Community, die sich gegen Diskriminierung wehrte.
- Nach dem Attentat führte die Polizei Razzien bei den Familien der Opfer durch, was auf bestehende Vorurteile hinweist.
- Das Gedenken an die Opfer sollte eine Verpflichtung für die Gegenwart sein, um Diskriminierung zu bekämpfen.
- Die geplante Gedenkstätte in Wien, die an die vom NS-Regime ermordeten Roma erinnern soll, ist noch nicht realisiert.