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EU-Kommissars-Anhörungen sind in der letzten Runde

Die Hearings der neuen EU-Kommission im EU-Parlament sind Dienstagfrüh mit dem Italiener Raffaele Fitto und der Estin Kaja Kallas in die letzte Runde gestartet. Heute stellen sich die insgesamt sechs nominierten Vizepräsidentinnen und -präsidenten ihren zuständigen Fachausschüssen. Der umstrittene Fitto der Rechtsaußenpartei Fratelli d'Italia von Regierungschefin Giorgia Meloni soll Kommissar für Regionalpolitik und Reformen werden, Kajas EU-Chefdiplomatin.

Dass mit Fitto erstmals ein Rechtsaußen-Politiker Vizepräsident der EU-Kommission werden und damit einen Schlüsselposten erhalten soll, wurde bereits im Vorfeld immer wieder vor allem aus dem Mitte-Links-Lager kritisiert. Auch bei der Anhörung am Dienstag in Brüssel wurde dem Meloni-Mann von Abgeordneten der Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken vorgeworfen, rechtspopulistische Ideen statt demokratischer Werte zu vertreten.

Die Abgeordneten sprachen die Frage der Rechtsstaatlichkeit an: Fitto verpflichtete sich, die Rechtsstaatlichkeit als grundlegendes EU-Prinzip zu respektieren. In seinen schriftlichen Antworten drückte Fitto seine Unterstützung dafür aus, Kohäsionsgelder an Reform-"Meilensteine" zu knüpfen, ähnlich dem Modell, das beim Coronafonds verwendet wird. Gegen Italien laufen zahlreiche Betrugsverfahren wegen der unrechtmäßigen Verteilung von EU-Coronageldern. Zur EU-Regionalpolitik betonte Fitto, diese müsse einfacher und flexibler werden.

"Regionale Entwicklung ist ein zentrales Thema und einer jener europäischen Politikbereiche, die direkt bei den Menschen in den Regionen ankommt. Es ist eine große Verantwortung, dafür zu sorgen, dass das Leben auch in den ländlichen Regionen lebenswert und lebendig ist. Wir werden demnächst im Detail darüber beraten, wie der Auftritt von Rafaele Fitto zu bewerten ist", so Europaabgeordneter Alexander Bernhuber, der für die ÖVP den Regionalausschuss betreut.

"Raffaele Fitto ist weder geeignet noch zeigt er die nötige Überzeugung, das Amt des Kommissions-Vizepräsidenten auszuüben", kritisiert der grüne EU-Abgeordnete Thomas Waitz den Italiener. "Seine politische Vergangenheit und seine Parteizugehörigkeit spielen angeblich keine Rolle, gleichzeitig sind seine Ansichten zur Rechtsstaatlichkeit schlichtweg problematisch."

Kallas, die als scharfe Gegnerin Russlands gilt, warnte dann in ihrer Anhörung davor, dass Russland, Iran, Nordkorea und auch China die "regelbasierte Weltordnung ändern" wollten. China müsse auch "die Kosten" für seine Unterstützung des russischen Angriffskriegs spüren. Europa müsse mehr in die Verteidigung investieren und mehr Verantwortung übernehmen. Der Sieg der Ukraine sei eine Priorität für die EU, die so viel militärische, finanzielle und humanitäre Hilfe leisten müsse wie nötig. Die Estin bekräftigte auch ihre Unterstützung eines raschen EU-Beitritts der Ukraine.

"Mit solchen Aussagen disqualifiziert sich Kaja Kallas als europäische Außen- und Sicherheitsbeauftragte", reagierte der FPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Harald Vilimsky in einer Aussendung. "Es braucht klare Ansätze für Friedensverhandlungen, anstatt der mutwilligen Verlängerung des Kriegs und des damit einhergehenden Sterbens".

Auf Fragen der Abgeordneten, wie sie mit der neuen US-Regierung zusammenarbeiten werde, um eine anhaltende Unterstützung der Ukraine sicherzustellen, erklärte die Ex-Regierungschefin, dass sie im Falle ihrer Bestätigung Verbindungen zur neuen amerikanischen Führung suchen werde. Sie betonte, "dass wir die stärksten Verbündeten sind und weiterhin zusammenhalten müssen".

"Die wichtigste Aufgabe in der europäischen Außenpolitik ist der Erhalt guter transatlantischer Beziehungen. Unabhängig davon, wer dort gerade Präsident ist, sind die USA der wichtigste Partner für die Europäische Union. Zugleich muss Europa in der Außenpolitik und wirtschaftlich unabhängiger und eigenständiger werden", kommentierte Reinhold Lopatka, Delegationsleiter und Außenpolitiksprecher der ÖVP im Europaparlament, zur APA.

Ob Fitto und Kallas bestanden haben, wird sich erst in den kommenden Tagen zeigen. Laut Angaben aus dem EU-Parlament sollen die Bewertungen der Vizepräsidentinnen und -präsidenten "im Paket" erfolgen. Der oder die Kandidierende muss zwei Drittel der Abgeordneten hinter sich haben, ansonsten gibt es zusätzliche Fragen. Danach reicht eine einfache Mehrheit aus. Wird auch diese nicht erreicht, muss ein Ersatzkandidat nominiert werden. Derzeit hat nur ein Kandidierender noch nicht bestanden: Der ungarische Kandidat Olivér Várhelyi (Gesundheit und Tierschutz) überzeugte vorige Woche nicht, und musste zusätzliche schriftliche Fragen beantworten. Deren Bewertung wurde von Montag auf morgen Mittwoch verschoben.

Am Dienstagnachmittag sind der langjährige EU-Abgeordnete und kurzzeitige französische Außen- und Europaminister Stéphane Séjourné und die rumänische EU-Abgeordnete Roxana Mînzatu dran. Séjourné erhält das gewichtige Industrie-Ressort, Mînzatu bewirbt sich für Bildung und Vorsorge. Den Abschluss machen Dienstagabend die spanische Ex-Ministerin Teresa Ribera Rodríguez als Kommissarin für Wettbewerb und für grünen und digitalen Wandel sowie die finnische Ex-Ministerin und EU-Parlamentarierin Henna Virkunen als Vizepräsidentin für Souveränität und Sicherheit.

"Séjourné soll sich dem wichtigen Bereichen der Wettbewerbsfähigkeit und Inflationsbekämpfung widmen und dazu beitragen, Europa stabiler und kompetitiver zu gestalten. Ein wichtiger Aspekt seiner Arbeit wird die Überarbeitung der Vergaberichtlinien zur öffentlichen Beschaffung sein. Wir erwarten uns eine klare Antwort auf die Frage, wie er das große Potenzial von öffentlichen Vergaben zum Nutzen des Binnenmarktes und zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit nutzen und verbessern will", so SPÖ-Abgeordnete Evelyn Regner, Mitglied im zuständigen Wirtschafts- und Währungsausschuss, laut Aussendung.

"Die designierte Kommissarin Minzatu wird, wenn bestätigt, zügig den Europäischen Bildungsraum umsetzen müssen, der die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen und somit die Mobilität am Arbeitsmarkt erleichtern soll. Zudem soll zukünftig Erasmus+ bei ihr liegen, das besonders jungen Menschen in der EU zugutekommt. Hier muss die zukünftige Kommissarin nachschärfen und mehr jungen Menschen ermöglichen, an Erasmus+ teilzunehmen", so Hannes Heide, SPÖ-Mitglied im zuständigen Kulturausschuss.

Nach den Hearings muss das EU-Parlament noch über die gesamte neue EU-Kommission abstimmen. Dies steht derzeit auf der Agenda der Straßburger Plenartagung in der letzten Novemberwoche. Dann könnte die neue EU-Kommission von der Leyen II mit 1. Dezember ihren Dienst antreten.

ribbon Zusammenfassung
  • Die EU-Kommissars-Anhörungen befinden sich in der letzten Runde, mit sechs nominierten Vizepräsidenten, die sich den Fachausschüssen stellen.
  • Raffaele Fitto, ein umstrittener Kandidat der Fratelli d'Italia-Partei, steht in der Kritik, rechtspopulistische Ideen zu vertreten, verpflichtete sich jedoch zur Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit.
  • Kaja Kallas warnte vor den geopolitischen Herausforderungen durch Russland, Iran, Nordkorea und China und forderte erhöhte Verteidigungsanstrengungen der EU.
  • Die Bewertungen der Kandidaten erfolgen im Paket, wobei zwei Drittel der Abgeordneten erforderlich sind, um die Bestätigung zu erhalten.
  • Die endgültige Abstimmung über die neue EU-Kommission ist für die letzte Novemberwoche geplant, mit einem möglichen Amtsantritt am 1. Dezember.