EU-Ausgaben: Rechnungshof findet immer mehr Fehler
Wie in den vergangenen vier Jahren gab der Europäische Rechnungshof (ERH) auch heuer aufgrund der "wesentlichen und umfassenden Fehlerquote" ein sogenanntes "versagtes Prüfungsurteil" zu den EU-Ausgaben für 2023 ab. 2022 lag die von den Prüfern ermittelte Fehlerquote bei den EU-Ausgaben noch bei 4,2 Prozent, im Jahr davor bei 3 Prozent. Als Hauptgrund für den Anstieg werden die vielen Fehler bei den Kohäsionsausgaben genannt: Hier wurde 2023 fast ein Zehntel falsch ausgegeben, gegenüber 6,4 Prozent 2022.
Die hohe Fehlerrate sie "definitiv besorgniserregend", aber "kein Maß für Betrug oder Verschwendung", betonte das österreichische ERH-Mitglied Helga Berger am Mittwoch gegenüber Journalistinnen. Es handle sich dabei um eine Schätzung der Beträge, die nicht im Einklang mit Vorschriften ausgezahlt wurden. 20 Fälle wurden wegen Betrugsverdachts an die dafür zuständige EU-Behörde OLAF weitergeleitet, sechs mehr als im Vorjahr. Einer davon stammte aus Österreich, und betraf den Bereich ländliche Entwicklung.
"Wir kommen zum Ende der Programmperiode. Die Mitgliedstaaten waren unter Druck, die Gelder auszugeben, um die Fristen noch einzuhalten", erklärt Präsident Murphy die hohe Fehlerquote. Bei der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF; Corona-Fonds) sieht er Probleme bei der "Rückverfolgbarkeit und Verantwortlichkeit" für die Gelder. Es gebe "viel Geld, das mit der ARF ausgegeben werden kann". Aber es mache "keinen Sinn, Geld an die Mitgliedstaaten auszuschütten, wenn diese nicht in der Lage sind, es richtig zu verwenden." Die Verwaltungskapazitäten in einigen EU-Ländern könnten diese Geldbeträge nicht bewältigen.
Die ARF ist das Herzstück des mehrjährigen EU-Programms "NextGenerationEU" in Höhe von rund 800 Mrd. Euro zum wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Coronapandemie. Österreich hat 2023 eine erste ARF-Zahlung von rund 700 Millionen Euro erhalten, die vom Rechnungshof auch teilweise geprüft wurde. Die EU-Kommission hatte Österreich als einzigem EU-Land ein positives Zeugnis über die Erreichung aller dafür erforderlichen "Meilensteine" ausgestellt. "Unser Bild ist kritischer", so die Österreicherin Berger. So sei laut ERH-Prüfung eine wiederkehrende nationale Haushaltsausgabe finanziert und ein Meilenstein nicht erreicht worden. Die Gesamtsumme von 3,96 Mrd. Euro für Österreich soll bis 2026 in Form von Zuschüssen fließen.
Die gemeinsame Ausgabe von Anleihen im Rahmen des Programms "NextGenerationEU" (268,4 Mrd. Euro für 2023) war laut Bericht auch ein Hauptgrund für einen deutlichen Anstieg der Schulden der EU auf 458,5 Mrd. Euro, das sind um ein Drittel mehr als 344,3 Mrd. Euro im Jahr davor. Die EU ist damit einer der größten Emittenten von Schuldtiteln in Europa. "Die nächste Generation (Next Generation) von EU-Bürgern wird die Schulden zurückzahlen müssen", kommentierte Murphy.
Der EU-Schuldenstand ist laut ERH nun doppelt so hoch wie 2021 - damals habe er bei 236,7 Mrd. Euro gelegen. Auch die nach wie vor hohe Inflation, höhere Zinskosten und die Finanzhilfe für die Ukraine werden als Gründe dafür genannt. So habe sich diese Hilfe 2023 von 16 auf 33,7 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Für die Zukunft gibt es weitere Fragezeichen: "Die Rückzahlung der EU-Darlehen ist noch nicht geklärt, weil die dafür vorgesehenen Eigenmittel noch nicht beschlossen sind", so Helga Berger. Die EU-Prüfer warnen daher eindringliche vor den steigenden finanziellen Risiken für den EU-Haushalt.
Die EU-Kommission betont in einer Stellungnahme, dass die vom ERH geschätzte Fehlerquote kein Maß für Betrug, Ineffizienz oder Verschwendung sei, sondern administrative Unregelmäßigkeiten darstelle. Diese würden sich nicht auf das Endergebnis eines Projekts auswirken und in der Regel korrigiert werden. Die Kommission erkennt jedoch Verbesserungsbedarf an, und will entsprechend handeln, etwa bei zu komplexen Ausgabenregelungen. Sie weist auch daraufhin, dass Kommission und Rechnungshof bei der Fehlerberechnung teils unterschiedliche Methoden anwendeten, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen könnten.
Angelika Winzig, stellvertretende Delegationsleiterin und Budgetsprecherin der ÖVP im Europaparlament, zeigt sich alarmiert über den Bericht: "Im vergangenen Jahr wurden fast 11 Milliarden Euro aus dem EU-Budget nicht korrekt ausgegeben - das markiert einen deutlichen Anstieg gegenüber den Vorjahren. Dieser Trend ist nicht akzeptabel und widerspricht unserem Anspruch an die effiziente Nutzung der Steuergelder der Europäer. Jeder Cent muss zielführend und korrekt eingesetzt werden. Wir als Europaparlament und Haushaltkontrolleure werden diesem Missstand entschlossen entgegentreten."
Der FPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, Harald Vilimsky, zeigte sich ebenfalls empört über die Ergebnisse des Berichts. Er forderte in einer Aussendung eine strengere Kontrolle der EU-Ausgaben und mehr Transparenz im Umgang mit den Mitteln der Union: "Die Mitgliedsstaaten müssen selbst entscheiden können, wie sie ihre Steuergelder verwenden, anstatt das Geld nach Brüssel zu schicken, wo es dann ineffizient verwaltet wird." Er übte weiters Kritik daran, dass der Rechnungshof nicht prüft, ob das ursprüngliche Ziel eines Projekts erreicht wurde, und forderte eine Reform des EU-Organs.
Hannes Heide (SPÖ), Mitglied im Regionalausschuss, kommentierte: "Die uns vorliegenden Ergebnisse bestätigen erneut, wie essenziell Kommunikation und Transparenz bei der Vergabe von EU-Geldern sind. Insbesondere die hohe Fehlerquote bei der Auszahlung des Kohäsionsfonds ist besorgniserregend. Wenn die Gelder nicht dort ankommen, wo sie gebraucht werden, verlieren wir das Vertrauen der Menschen vor Ort und gefährden das Projekt als Ganzes." Laut Heide müsse man gerade den korruptionsanfälligen Ländern wie Ungarn besonders genau auf die Finger schauen.
Zusammenfassung
- Die Fehlerrate bei den EU-Ausgaben ist 2023 auf 5,6 Prozent gestiegen, was einem Anstieg von 4,2 Prozent im Vorjahr entspricht.
- Ein Drittel der 48 Milliarden Euro aus dem Corona-Aufbaufonds wurde nicht korrekt verwendet, was Kritik an der österreichischen Nutzung einschließt.
- 20 Fälle von Betrugsverdacht wurden an die EU-Behörde OLAF gemeldet, darunter ein Fall aus Österreich im Bereich ländliche Entwicklung.
- Der EU-Schuldenstand ist 2023 auf 458,5 Milliarden Euro gestiegen, was einem Anstieg um ein Drittel gegenüber dem Vorjahr entspricht.
- Die EU-Kommission erkennt die Notwendigkeit von Verbesserungen bei den Ausgabenregelungen an, um die hohe Fehlerquote zu reduzieren.