Estlands Ministerpräsident Ratas trat zurück
Die estnischen Justizbehörden hatten wegen eines staatlichen Hilfskredits an ein Immobilienprojekt Ermittlungen gegen Ratas' linksgerichtete Zentrumspartei eingeleitet. Ratas' Schritt führt gemäß estnischer Verfassung automatisch zum Rücktritt der gesamten Regierung. Staatschefin Kaljulaid muss nun binnen zwei Wochen einen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs benennen. Sie kündigte an, die Oppositionsführerin Kaja Kallas mit der Regierungsbildung beauftragen zu wollen. Die Regierung bleibt so lange geschäftsführend im Amt, bis ein neues Kabinett steht.
Hintergrund der Ermittlungen ist ein Hilfskredit in der Coronakrise: Das staatliche Finanzierungsinstitut Kredex hat im Sommer 2020 für die Entwicklung eines groß angelegten Immobilienprojekts in Tallinn ein Darlehen in Höhe von knapp 40 Millionen Euro gewährt. Der Entscheidung sollen unerlaubte Absprachen vorausgegangen sein. Unter den Verdächtigen sind Zentrumspartei-Generalsekretär Mihhail Korb, die Partei selbst wird als juristische Person verdächtigt. Am Dienstag wurden außerdem vier Personen vorläufig festgenommen.
Ratas betonte, der Verdacht der Staatsanwaltschaft bedeute nicht, dass jemand bereits endgültig schuldig sei. Der Verdacht werfe aber unweigerlich einen sehr ernsthaften Schatten auf alle Beteiligten. Er selbst beteuerte, nicht über die Finanzierungsmodalitäten des umstrittenen Darlehens informiert gewesen zu sein.
Ratas regiert in Estland seit April 2019 mit seiner Zentrumspartei in einem Dreierbündnis mit der rechtspopulistischen Estnischen Konservativen Volkspartei (EKRE) und der konservativen Partei Isamaa. Er amtierte zuvor bereits seit Ende 2016 als Regierungschef.
Zusammenfassung
- Estlands Ministerpräsident Jüri Ratas ist nach Korruptionsvorwürfen gegen seine Partei zurückgetreten.
- Staatspräsidentin Kersti Kaljulaid nahm am Mittwoch in Tallinn das Rücktrittsgesuch an.
- Ratas' Schritt führt gemäß estnischer Verfassung automatisch zum Rücktritt der gesamten Regierung.
- Unter den Verdächtigen sind Zentrumspartei-Generalsekretär Mihhail Korb, die Partei selbst wird als juristische Person verdächtigt.