Nationalrat
Zwischenruf gegen kranken Stocker bei Babler-Rede
Die neue Dreierkoalition stellte sich im Nationalrat vor. Eng war es nicht nur in den Besucherreihen – auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Vorgänger Heinz Fischer schauten zu.
Alexaner Van der Bellen mit Blick auf die Regierungsbank.
Eng war es auch auf der Regierungsbank. Die bisherigen Stühle mussten durch schmalere ersetzt werden, um die nun 14 Minister:innen und sieben Staatssekretär:innen unterzubringen.
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Der neue Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) verabschiedete sich nach seiner Rede, die er trotz Erkrankung absolvierte und danach ärztlich betreut werden musste.
Die Politik habe zuletzt kein gutes Bild abgegeben, sagte er vor dem Nationalrat. Doch die neue Regierung sei nun möglich geworden, weil alle über ihren Schatten gesprungen seien. "Weil wir verstanden haben, dass ein Kompromiss keine Niederlage ist. Sondern ein Erfolg für das ganze Land." Er betonte die Wichtigkeit der Sozialpartnerschaft.
Video: Stockers Rede im Nationalrat
Eine Mischung aus "Bewährtem und Neuem" sieht der Bundeskanzler im Regierungsprogramm. Man habe sich dennoch "nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner herunterverhandelt".
Inhaltlich betonte er vor allem die Budgetsanierung, den "Kampf gegen irreguläre Migration", das Kopftuchverbot für minderjährige Mädchen, leistbares Wohnen, die Landwirtschaft, eine proeuropäische Ausrichtung, und dass sich Österreich auf die Seite der Ukraine stellen werde - nicht auf jene des Aggressors. Erst am Donnerstag traf Stocker in Brüssel den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Stocker sorgt für Lacher
Für Lacher im Nationalrat sorgte Stocker mit einer Aussage, wonach es gut sei, dass er, Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger ihr Geschäft in der Kommunalpolitik gelernt hätten. Das "sprichwörtliche gemeinsame Bier" sei nicht das Schlechteste nach langen Sitzungen.
Stocker musste ärztlich behandelt werden.
Der ehemalige Bürgermeister von Traiskirchen und nunmehrige Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) feierte die Dreierkoalition ebenfalls als Kompromiss, der aber "viel mehr" sei, "als dass wir gegen eine FPÖ-geführte Regierung agiert haben." Babler gab sich kämpferisch und teilte gegen die FPÖ aus: Kickl hätte nicht nur "die Axt an die Wurzeln der Demokratie gelegt", sondern wäre "gleich mit der Kettensäge" vorgegangen.
"Dem Stocker ist schon ganz schwindlig"
Babler sprach angesichts der Budgetsituation von zwei harten Jahren, er betonte aber auch, dass Banken, Stiftungen und Immobilienriesen nun zur Kasse gebeten werden.
Video: Bablers Rede im Nationalrat
"Illegale Zuwanderung werden wir ordnen und eindämmen, nicht nur krakeelen", versprach Babler in ungewohnt harten Worten bei diesem Thema. "Dem Stocker ist schon ganz schwindlig", ertönte ein unpassender Zwischenruf aus den Reihen der Blauen, denn dem Bundeskanzler schien es wirklich nicht gut zu gehen. Er griff sich mehrfach an den Kopf.
Beate Meinl-Reisinger und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner
Die neue Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS), die wie Babler und Stocker am Donnerstag in Brüssel war, sprach anders als ihre Kollegen beim Regierungsprogramm von "keinem Kompromissprogramm". Man sei darüber hinausgegangen.
Video: Meinl-Reisingers Rede im Nationalrat
Beim Konsolidierungspfad denke man weit über die Legislaturperiode hinaus. Auch sie sprach von zwei harten Jahren und meinte: Das Sozialsystem sollte für alle da sein, die "nicht können", aber nicht für jene, die "nicht wollen".
"Keine Verhandlungen" ohne Ukraine
Als wichtige Punkte nannte die NEOS-Politikerin etwa den vereinbarten Nachhaltigkeitsmechanismus bei den Pensionen, die geplanten Maßnahmen im Bildungsbereich, die Entlastung des Unternehmertums, Integrationsmaßnahmen sowie die geplante Bundesstaatsanwaltschaft. Die neue Außenministerin betonte, dass Österreich ein "starkes und reiches, selbstbewusstes" Land in einem "starken, selbstbewussten Europa" sei. Auch sie hob hervor, dass Österreich an der Seite der Ukraine stehe. Über die Ukraine dürfe es "keine Verhandlungen" ohne die Ukraine geben.
FPÖ-Chef Herbert Kickl gefällt das alles nicht. Er rechnete in seiner Rede – noch in Aschermittwochsmanier - mit der Regierung ab. "Ohne Ihre freundliche, weibliche Unterstützung wäre das nicht zustande gekommen", griff er seine Vorrednerin an. Sie sollte lieber auf die Neutralität Österreichs achten, meinte Kickl zur Außenministerin.
"Klassenkampf im Finanzministerium"
"Konservative und Neoliberale" würden nun dem "Marxismus" und dem "Klassenkampf im Finanzministerium" den Teppich ausrollen, tobte Kickl.
Video: Kickls Rede im Nationalrat
Die neue Regierung ist für ihn ein "Monstrum des Stillstands", ein "Riesenbaby", die "teuerste Regierung aller Zeiten nach den längsten Verhandlungen aller Zeiten mit dem schlechtesten Programm aller Zeiten".
Babler hört Kickl-Rede zu
Er kritisierte, dass es "ein bisserl eng" ausschaue auf der Regierungsbank und den Sparkurs der Regierung – ignorierte dabei aber, dass auch FPÖ und ÖVP ein Sparprogramm ausverhandelt hätten. Außerdem kritisierte er, dass Stocker nicht gewählt worden sei – in Österreich werden Bundeskanzler aber nie direkt gewählt.
"Volkskanzlerschaft kommt"
Kickl sieht in der Dreierkoalition "Neuwahlflüchtlinge" und meinte: "Freuen Sie sich nicht zu früh. Die Volkskanzlerschaft kommt so sicher wie das Amen im Gebet".
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ÖVP-Klubchef August Wöginger ließ all das nicht gelten. "Du bist ein Will-nicht-Kanzler", hielt er Kickl entgegen. "Du hast die Chance gehabt, du hast die Chance verspielt."
Kogler im Nationalrat
Betont konstruktiv gab sich dagegen der erstmals seit fünf Jahren wieder auf der Oppositionsbank sitzende Grüne Klubobmann Werner Kogler. Er freute sich darüber, dass es in diesen unsicheren, dramatischen Zeiten nun eine stabile, proeuropäische, demokratische Regierung gebe. Kritik übte er aber an den geplanten Kürzungsmaßnahmen im Umweltbereich.
Sparmaßnahmen werden beschlossen
Damit die neue Regierung ihre Arbeit voll aufnehmen kann, wurde am Freitag das Bundesministeriengesetz geändert, um die neue Ressortverteilung zu fixieren.
Daneben hat der Nationalrat (mit Stimmen der Koalition sowie der Grünen) auch das aktuell gültige Budgetprovisorium in ein gesetzliches umgewandelt, um mehr Flexibilität bis zum endgültigen Beschluss des im Laufe des Frühjahrs erwarteten Bundesfinanzgesetzes 2025 zu gewinnen.
Auch die Bildungskarenz in ihrer derzeitigen Form wurde mittels letztlich doch noch eingebrachtem Abänderungsantrag abgeschafft: Ab April gibt es kein Weiterbildungsgeld und kein Bildungsteilzeitgeld mehr. Für Bildungskarenzen, die bis 31. März begonnen haben oder bis 28. Februar vereinbart und spätestens am 31. Mai beginnen, gibt es eine Übergangsregelung.
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Zusammenfassung
- Die neue Regierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS hat sich am Freitag erstmals im Nationalrat präsentiert.
- Spätestens bei der Rede von Vizekanzler Andreas Babler setzten Zwischenrufe von FPÖ-Abgeordneten ein.
- Herbert Kickl hat den Traum von seiner "Volkskanzlerschaft" dennoch nicht aufgegeben.
- Bundeskanzler Stocker musste ärztlich behandelt werden.