Caritas-Präsidentin gegen übereilte Maßnahmen nach Anschlag
Gerade nach dem Anschlag in Villach, der die Caritas-Präsidentin "traurig und wütend" macht, brauche es "alle rechtlichen Möglichkeiten, die man ausnutzen muss, um gegen solche Verbrechen vorzugehen." Allerdings, so betont sie: "Wir müssen aufpassen, dass wir wie bei einem Druckkochtopf nicht den Deckel sofort herunter reißen - weil er dann explodieren wird". Vielmehr müsse man in der aktuellen Situation "langsam Druck herausnehmen, um auch gut hinzuschauen, was unter dem Deckel verborgen ist."
Die im Regierungsprogramm geplanten Verbesserungen in der Grundversorgung sowie die Inflationsanpassung für Quartiergeber und -geberinnen seien positive Maßnahmen. Ebenso das langfristige Bleiberecht für ukrainische Geflüchtete. Besorgt zeigt sich die Caritas hingegen über den Kurs in der Asylpolitik. Einen Asylantrag zu stellen sei ein Menschenrecht. "Asylverfahren auf null zu reduzieren, ist weder realistisch noch mit internationalen Verpflichtungen vereinbar. Hier braucht es eine Politik, die rechtsstaatliche Prinzipien achtet und Menschen in Not den Schutz gewährt, den sie benötigen."
Auch die Verknüpfung der Entwicklungszusammenarbeit mit migrationspolitischen Zielen sieht die Caritas kritisch. "Entwicklungszusammenarbeit ist ein Instrument, um Armut zu lindern, Frieden zu fördern und Menschen Perspektiven zu geben. Sie darf nicht davon abhängig gemacht werden, ob ein Staat Rückführungsabkommen unterzeichnet. Entwicklungszusammenarbeit muss immer nach Bedarf und nicht nach politischen Interessen geleistet werden."
Schließung von Quartieren erhöht Druck
Ebenso warnt Tödtling-Musenbichler nach dem Anschlag in Villach vor Pauschalverurteilungen einer ganzen Gruppe, wie zum Beispiel Syrerinnen und Syrern. "Und wenn wir dann parallel dazu ein Flüchtlingsquartier sperren oder die Menschen woanders hinbringen, was in keinem Zusammenhang mit dem Ereignis steht, schüren wir gerade etwas, was nicht sein soll." Man erhöhe damit den Druck, "dass Menschen das Gefühl haben, sie sind nicht erwünscht, sie sind nicht willkommen". Junge Menschen, die Deutsch lernen und arbeiten wollen, lebten in Angst, "wann bei ihnen jetzt jemand auftaucht und ob sie woanders hin müssen."
Vielmehr müsse man das Gegenteil davon erreichen - "nämlich, dass Menschen die Möglichkeit bekommen, hier anzukommen." Anlasslose Überwachungen von Asylwerberinnen und Asylwerbern seien hingegen "Menschenrechtskonflikte", selbst wenn man die Maßnahmen in der Verfassung verankere. Dass junge Menschen vermehrt in sozialen Medien andocken oder Halt finden, führt Tödtling-Musenbichler auch darauf zurück, dass es die Gesellschaft oft selbst nicht schaffe zu signalisieren,"wir nehmen euch an, ihr seid willkommen."
Kürzung von Sozialhilfe
An die neue Bundesregierung appelliert die Caritas-Präsidentin, "nicht auf dem Rücken der Ärmsten" zu sparen, zumal manche Einsparungen gar nicht budgetrelevant seien. Kürzungen bei der Sozialhilfe würden etwa Armut noch verschärfen. Beim Klimabonus fände es die Caritas-Präsidentin statt einer Abschaffung sinnvoller, sich diesen anzuschauen, zu evaluieren und zu sagen: "Wie können wir ihn treffsicher machen?" Dieser müsse zweckgewidmet Hilfe anbieten, "aber es darf nicht sein, dass diese Personengruppe jetzt auch nicht mehr gestützt wird, gerade wenn es um erhöhte Energie und Wohnkosten geht."
Auch bei der angekündigten Reform der Bildungskarenz müsse beachtet werden, wie diese treffsicherer gemacht werden könnte, etwa im Hinblick auf bildungsferne Menschen. "Wir sehen bei der Bildungskarenz, welche Lücken wir im System eigentlich haben." Viele Alleinerzieherinnen nutzten die Maßnahme beispielsweise, um den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt zu schaffen. Gleichzeitig gebe es aber einen Mangel an Kinderbetreuungsplätzen, der dringend behoben werden müsse.
Anreize für Arbeitslose
Gerade Menschen, die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind, bräuchten jetzt gezielte Maßnahmen, um wieder in die Arbeitswelt zurückzukehren, fordert die Caritas-Präsidentin. Eine Kürzung beim Arbeitslosengeld sei dabei "kein großer Anreiz." "Wir müssen alles daransetzen, Menschen zu motivieren und ihre Teilhabe zu stärken", findet die Caritas-Präsidentin. Aber auch das AMS als Arbeitsvermittler brauche - wie nun angekündigt - dringend mehr Geld, zumal ohnehin ein Ausbau der aktiven Arbeitsmarktpolitik notwendig sei.
Sorgen bereiten der Caritas auch Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit - vor allem jene der USA unter Präsident Donald Trump. Diese hätten enorme Auswirkungen auf die humanitäre Hilfe weltweit. "Ich glaube, das zeugt von wirklich fehlender Mitmenschlichkeit, vor allem von Weitsicht. Denn wenn wir jetzt kürzen, hat das enorme Auswirkungen in den nächsten Jahren. Viele Millionen Menschen, die sterben werden, aber auch Hungerkrisen, andere Krisen und Wanderbewegungen."
Caritas bietet Regierung Expertise an
Die Caritas werde die Umsetzung der Regierungsmaßnahmen in den kommenden Wochen nun genau beobachten und stehe bereit, ihre Erfahrung und Fachkompetenz einzubringen, bietet Tödtling-Musenbichler an. "Wir stehen vor großen Herausforderungen und brauchen eine Politik, die entschlossen gegen Armut vorgeht, soziale Sicherheit stärkt und auch Klimagerechtigkeit sowie Friedensförderung mitdenkt. Das vorliegende Programm enthält vielversprechende Ansätze - ob diese tatsächlich bei den Menschen ankommen, wird sich in der Umsetzung zeigen. Entscheidend dafür ist die enge Einbindung der Zivilgesellschaft, Sozialorganisationen und NPOs. Mit unserer Erfahrung und Expertise sind wir bereit, unseren Beitrag zu leisten, und freuen uns auf die Zusammenarbeit."
Zusammenfassung
- Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler zeigt sich vorsichtig optimistisch über das neue Regierungsprogramm und betont die Wichtigkeit der Umsetzung.
- Nach dem Anschlag in Villach warnt sie vor übereilten Maßnahmen und betont die Notwendigkeit, Druck langsam abzubauen.
- Die geplanten Verbesserungen in der Grundversorgung und das Bleiberecht für ukrainische Geflüchtete werden positiv bewertet.
- Kritik äußert sie an der Asylpolitik und der Verknüpfung von Entwicklungszusammenarbeit mit migrationspolitischen Zielen.
- Die Caritas bietet der Regierung ihre Expertise an, um die Umsetzung der Maßnahmen zu unterstützen.