Burger-Video: Nutzen oder Schaden für Nehammer?

"Es gibt keine schlechte Presse" - gilt dieses Sprichwort auch für ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer? Mit seinem umstrittenen Video punktet er zwar bei einigen Stammwählern, ob er damit aber Stimmen gewinnt, daran haben Politikanalysten ihre Zweifel.

"Bei Teilen der ÖVP und vor allem bei Funktionären kommt das Video scheinbar gut an", bewertete Politikwissenschaftler Peter Filzmaier im Ö1-"Morgenjournal" das viel diskutierte Video. In dem über sechsminütigen Mitschnitt einer ÖVP-Veranstaltung aus dem Juli zieht Nehammer über Teilzeitarbeit und Kinderarmut her, empfiehlt armen Eltern einen Burger bei McDonalds für ihre Kinder und greift die Sozialpartnerschaft frontal an. 

"Für den Bundeskanzler war es ganz sicher nicht der richtige Ton". Der Auftritt sei vieles gewesen, aber nicht staatsmännisch, so der Politikwissenschaftler.

"Die ÖVP will ja wachsen, das tut man so nicht"

Die Unterstützung aus den eigenen Reihen sei für Filzmaier wenig überraschend, weil Nehammer ÖVP-Anhänger als "Leistungsträger indirekt darstellt, während die anderen irgendwelche Nichtsnutze wären, die mehr arbeiten sollten". Filzmaier zweifelt jedoch daran, ob das Video beim ÖVP-Klientel und bei "bürgerlich-liberalen Wechselwähler:innen im großstädtischen Raum" wirklich so gut ankomme. Um die eigene Wählerschaft zu mobilisieren, könne es aber durchaus helfen.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt Politikberater Thomas Hofer im PULS 24 Newsroom LIVE. In der ÖVP-Fangemeinde werde man sich durch die Aussagen des Kanzlers möglicherweise sogar bestätigt fühlen, hätte er doch für Anhänger der Volkspartei "Richtiges angesprochen". Neue Wähler:innen würde er damit aber nicht ins Boot holen. "Die ÖVP will ja wachsen, das tut man so nicht", sagt Hofer. 

"Natürlich kann man diese Aussagen als zynisch hinstellen und durchaus von einer Art Marie Antoinette-Moment sprechen", bewertet Hofer. Nehammer reagierte in einer neuen Video-Botschaft. Das habe laut Hofer vor allem den Sinn, die eigene Linie zu bestätigen. Das Video passe außerdem durchaus zu der "Glaub an Österreich"-Offensive

"Kanzler der sozialen Kälte?"

Mit den Aussagen in dem Video widerspreche Nehammer sich auch selbst, meinte Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle gegenüber dem ORF Vorarlberg. So habe sich Nehammer eher als verbindlicher Kanzler positioniert, der die Gräben zuschütten wolle. "Und er hat natürlich sehr viele Bevölkerungsgruppen fast auch beleidigt in diesem Video. Und das ist natürlich das Grundproblem".

Der Opposition liefert Nehammer damit auch neue Angriffsfläche, glaubt die Politikwissenchaftlerin. Wenn man ihm jetzt unterstelle, er wäre ein "Kanzler der sozialen Kälte", sei es für die Opposition besonders leicht, daran anzuknüpfen. Daran sei auch der Ex-ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel im Jahr 2006 gescheitert. "Und ich fürchte, das wird jetzt auch Nehammer drohen, sobald solche Aufnahmen in der Öffentlichkeit sind, wo er ärmere Bevölkerungsschichten sozusagen nicht sehr freundlich behandelt", so Stainer-Hämmerle. 

Sorgt Video für Neuwahlen?

Ein Scheitern der Koalition aufgrund dieses Videos vermuten aber weder Stainer-Hämmerle, noch Filzmaier. "Alle Gründe gegen eine vorgezogene Neuwahl gelten natürlich auch weiterhin. Beide Regierungsparteien müssten sich fürchten vor Stimmenverlusten und vor allem auch nicht mehr Teil der nächsten Regierung zu sein. Also ich denke, da wäre das Video schon etwas überbewertet, um das jetzt als Anlassfall zu nehmen", analysiert Stainer-Hämmerle. 

Für Filzmaier ist die verhaltene Reaktion der Grünen auch ein Indiz dafür, dass der Koalitionspartner der ÖVP kein Interesse daran habe, den Wahltermin vorzuziehen. "Bisher ist allerdings die Strategie beider Regierungsparteien ganz klar: Man hofft auf eine langfristig sinkende Teuerungsrate und wenn diese erst im Laufe des nächsten Jahres sinkt, dann wird man nicht einen frühen Neuwahlbeschluss machen". 

ribbon Zusammenfassung
  • "Es gibt keine schlechte Presse" - gilt dieses Sprichwort auch für ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer?
  • "Bei Teilen der ÖVP und vor allem bei Funktionären kommt das Video scheinbar gut an", bewertete Politikwissenschaftler Peter Filzmaier im Ö1-"Morgenjournal" das viel diskutierte Video.
  • Filzmaier zweifelt jedoch daran, ob das Video beim ÖVP-Klientel und bei "bürgerlich-liberalen Wechselwähler:innen im großstädtischen Raum" wirklich so gut ankomme.
  • Neue Wähler:innen würde er mit dem Video nicht ins Boot holen. "Die ÖVP will ja wachsen, das tut man so nicht", sagte Politikberater Thomas Hofer.
  • Der Opposition liefert Nehammer damit auch neue Angriffsfläche, glaubt Kathrin Stainer-Hämmerle. Wenn man ihm jetzt unterstelle, er wäre ein "Kanzler der sozialen Kälte", sei es für die Opposition besonders leicht, daran anzuknüpfen.