Netanyahu verschiebt umstrittene Justizreform
"Ich habe entschieden, die zweite und dritte Lesung in dieser Sitzungsperiode auszusetzen", sagte Netanyahu am Montag in Jerusalem. Das Gesetzesvorhaben wird damit frühestens Ende April im Parlament zur Abstimmung vorgelegt. "Wir befinden uns mitten in einer Krise, die unsere essenzielle Einheit gefährdet", sagte Netanyahu. Er warnte vor einem Bürgerkrieg, zu dem es nicht kommen dürfe. "Alle müssten verantwortlich handeln", sagte er. Deshalb strecke er seine Hand zum Dialog aus.
Schwerdt: Demonstrationen werden so schnell nicht aufhören
Yvette Schwerdt, Journalistin bei "Mena-Watch", befindet sich in Tel Aviv und spricht über die Situation in Israel.
Israels Polizeiminister Itamar Ben-Gvir hatte zuvor mitgeteilt, er habe sich auf eine Verschiebung mit Netanyahu verständigt. Im Gegenzug soll eine "Nationalgarde" unter der Führung des rechtsextremen Politikers eingerichtet werden. Was dies konkret bedeutet, war zunächst nicht klar. Medienberichten zufolge waren Ben-Gvir und Netanyahu zuvor zu einer Krisensitzung zusammengekommen, in der Ben-Gvir mit seinem Rücktritt gedroht haben soll, sollte Netanyahu nicht an den Reformplänen festhalten.
Gewerkschaft bläst landesweiten Streik ab
Oppositionsführer Benny Gantz begrüßte die Verschiebung, erklärte jedoch, er werde keine Kompromisse bei den Grundsätzen der Demokratie akzeptieren. Präsident Yitzhak Herzog sprach von einem richtigen Schritt. Er hatte am Montagmorgen von Netanyahu auf Twitter ein Umdenken gefordert. Die Gewerkschaft Histadrut sagte einen für Dienstag geplanten landesweiten Streik ab, der Medienberichten zufolge Institutionen von Häfen über Krankenhäuser bis zur Börse in Tel Aviv hätte umfassen sollen.
Auch der fast eintägige Streik an Israels internationalem Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv wurde am Montagabend beendet. Noch vor Mitternacht sollten rund ein Dutzend Flüge abheben, teilte die Flughafenbehörde am Abend mit. Es werde unter Hochdruck daran gearbeitet, wieder in einen Normalbetrieb zurückzukehren.
Zadic begrüßt Absage der Justizreform
Österreichs Justizministerin Alma Zadic (Grüne) begrüßte die Absage der Justizreform. "Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind die Werte, die uns mit Israel verbinden und alles was diese Werte stärkt, begrüße ich sehr", sagte Zadic Montagabend am Rande eines Besuch in Albanien gegenüber der APA. In der Justizreform der israelischen Regierung gebe es viele Punkte, "die den Rechtsstaat nicht fördern", so die Justizministerin, und stellte klar, dass sie die Reform "für einen Fehler" halte.
Netanyahus Koalition will mit der Justizreform den Einfluss des Höchsten Gerichts beschneiden und die Machtposition der Regierung ausbauen. Die rechts-religiöse Koalition wirft dem Höchsten Gericht übermäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor. Dem Parlament soll es den Plänen nach künftig etwa möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Gerichts aufzuheben. Zudem soll die Zusammensetzung des Gremiums zur Ernennung von Richtern geändert werden. Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr und warnen vor einer Staatskrise.
Zusammenfassung
- Nach massiven Protesten hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu einen vorübergehenden Stopp der umstrittenen Justizreform angekündigt.
- Der rechtsextreme Minister Itamar Ben-Gvir soll dafür eine "Nationalgarde" bekommen.
- Die Gewerkschaft Histadrut sagte einen für Dienstag geplanten landesweiten Streik ab, der Medienberichten zufolge Institutionen von Häfen über Krankenhäuser bis zur Börse in Tel Aviv hätte umfassen sollen.