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Aserbaidschan erklärt Militäreinsatz für beendet

Nach der erst Mittwochfrüh verkündeten Waffenruhe in Berg-Karabach, erklärte Aserbaidschan am Abend, dass der militärische Angriff beendet sei.

Der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev erklärte den militärischen Angriff im von Armeniern bewohnten Gebiet Berg-Karabach nach einem Tag für beendet. Aserbaidschan habe seine Souveränität über das Gebiet wiederhergestellt, sagte er am Mittwoch in einer Fernsehansprache in Baku. 

Aliyev behauptete, es habe illegal in Karabach stationierte armenische Truppen gegeben, die vernichtet worden seien. "Militärische Ausrüstung wurde zerstört und unbrauchbar gemacht." Den Karabach-Armeniern, die eine Vertreibung aus alten Siedlungsgebieten befürchten, versprach Alijev, sie würden bald eine Wende zum Besseren erleben. 

Die Schätzungen zufolge rund 100.000 verbliebenen Bewohner der Region waren schon vor den Angriffen in einer verzweifelten Lage, weil Aserbaidschan monatelang die einzige armenische Zufahrtsstraße, den Latschin-Korridor, blockierte. Lebensmittel, Medikamente und Benzin waren knapp.

Nun ist ihre Zukunft noch ungewisser. Aliyev und seine autoritäre Führung sprechen von der "Wiedereingliederung" Berg-Karabachs. Viele Armenier fürchten eine gewaltsame Rache der Aserbaidschaner, weil sie so lange ausharrten und Widerstand leisteten. Hunderte Menschen versammelten sich am Flugplatz der Hauptstadt Stepanakert in der Hoffnung, mit Hubschraubern ausgeflogen zu werden.

Hunderte Todesopfer

Am Dienstag hatte Aserbaidschan mit dem Bombardements des Gebiets um die Stadt Stepanakert begonnen. Armenischen Angaben zufolge wurden mehr als 200 Menschen getötet und über 400 weitere verletzt worden, unter ihnen auch Zivilisten. Entgegen der Behauptungen aus Baku wurden bei dem stundenlang Angriff mit Artillerie, Raketen und Drohnen nicht nur militärische Objekte, sondern auch Wohnhäuser getroffen. Familien harrten in Kellern aus, während über ihren Köpfen die Geschosse donnerten.

Nach Beginn der Angriffe am Dienstag gab Armenien am Mittwoch bekannt, einer Feuerpause zugestimmt zu haben - die einer Kapitulation gleichkommt. Denn Baku stellte die Bedingung, dass sie ihre Waffen niederlegen und Kampfpositionen aufgeben. Die Behörden der nicht anerkannten Republik fühlten sich von der Welt im Stich gelassen: "In der aktuellen Situation sind die Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft zur Beendigung des Kriegs und zur Lösung der Situation unzureichend", erklärten sie.

Wut auf Russland

Die von russischer Seite initiierte Feuerpause trat am Mittwoch um 13.00 Uhr armenischer Zeit (11.00 Uhr MESZ) in Kraft und führte offenbar tatsächlich zu einer Abnahme der Kampfhandlungen. Doch viele Armenier sind trotzdem wütend auf Russland, das eigentlich traditionell als Schutzmacht des christlich-orthodoxen Landes gilt, während das muslimische Aserbaidschan auf die Türkei setzt.

In ihren Augen sollen die in der Region stationierten russischen Soldaten die militärisch unterlegenen Armenier im Stich gelassen haben. Schon vor Ausbruch der jüngsten Eskalation hatten Beobachter gewarnt, das mit Öl- und Gaseinnahmen hochgerüstete Aserbaidschan könnte ausnutzen, dass Russland wegen seines eigenen Angriffskriegs gegen die Ukraine derzeit im Südkaukasus weniger präsent ist.

Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan mahnte, die Russen müssten spätestens nun angesichts des aserbaidschanischen Vormarsches für die Sicherheit der Karabach-Armenier sorgen. Er telefonierte nach Angaben seiner Regierung am Mittwochabend mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Russische Soldaten in Berg-Karabach

Moskau versicherte, die eigenen Soldaten blieben in Karabach stationiert und setzten unter anderem Evakuierungsmaßnahmen fort. Bis Mittwochabend hätten russische Kräfte 3.100 Zivilisten in Sicherheit gebracht, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Den Militärangaben nach wurden mehrere in Karabach stationierte russische Soldaten durch Beschuss auf ihr Auto getötet. Der Vorfall habe sich am Mittwoch bei dem Ort Dschanjatag ereignet. Es wurde nicht gesagt, wie viele Angehörige der russischen Friedenstruppe getötet wurden.

Kremlsprecher Dmitri Peskow wies armenische Vorwürfe über russische Untätigkeit zurück. Er erklärte zudem, man beobachte derzeit "de jure Handlungen der Republik Aserbaidschan auf ihrem Staatsgebiet". Diese Äußerung ist insofern bemerkenswert, als Russland nach dem letzten Karabach-Krieg 2020 zugesagt hatte, die damals vereinbarte Waffenruhe in der Region zu überwachen.

Proteste in Armenien

In Armeniens Hauptstadt Eriwan flammten unterdes Proteste nicht nur gegen die eigene Regierung, von der die Menschen mehr Beistand für ihre Landsleute in Berg-Karabach fordern, auf. Auch die russische Botschaft in Eriwan wurde bereits von wütenden Demonstranten umringt. Zwischenzeitlich war Angaben der russischen Diplomaten zufolge ein normaler Botschaftsbetrieb nicht mehr möglich.

ribbon Zusammenfassung
  • Nach der erst Mittwochfrüh verkündeten Waffenruhe in Berg-Karabach, erklärte Aserbaidschan am Abend, dass der militärische Angriff beendet sei.
  • Zuvor war bereits eine Waffenruhe vereinbart worden. 
  • Armenischen Angaben zufolge wurden mehr als 200 Menschen getötet und über 400 weitere verletzt worden, unter ihnen auch Zivilisten.