Anschober als Streitschlichter zwischen Wien und Nehammer
Das Gezänk zwischen Stadt Wien und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) in Sachen Corona-Bekämpfung ist auch am Dienstag nicht abgeklungen. Man tauschte wieder Unfreundlichkeiten aus. Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) versucht sich nun als Streitschlichter und lädt das Innenministerium zur nächsten gemeinsamen Arbeitssitzung zum Infektions-Cluster Wien/Niederösterreich ein.
"Aus meiner Sicht ist die Bekämpfung der Krise weiterhin vielfach wichtiger als Parteipolitik", appellierte Anschober an die Streitparteien ohne diese konkret zu nennen. "Die Corona-Krise ist noch nicht vorbei. Wir sind gut unterwegs, aber ein kleiner Fehler, eine kleine Unachtsamkeit, ein kleines Unterschätzen können ausreichen, um eine zweite Welle auszulösen. Das wollen wir mit aller Kraft verhindern, es wäre für unsere Gesundheit, für unsere Gesellschaft, für die Wirtschaft und für unsere soziale Lage katastrophal. Dafür braucht es die Zusammenarbeit aller", so Anschober.
Er werde in die nächste gemeinsame Arbeitssitzung zum Wien/Niederösterreich-Cluster auch Vertreter der SKKM-Krisenkoordination und damit des Innenministeriums an den Tisch einladen. "Hier braucht es jetzt Zusammenarbeit in allen Bereichen." Nehammer hatte kurz davor neuerlich der Stadt Wien - zumindest indirekt - vorgeworfen, nicht alles zu tun, um eine zweite Corona-Welle zu verhindern. Denn Wien verzichte als einziger Ort in ganz Österreich auf die "Überwachung von Quarantänemaßnahmen durch die Polizei".
Nehammer erneuerte am Dienstagabend noch einmal sein "Angebot" an die Stadt Wien, Contact Tracing mit Hilfe der Polizei durchzuführen, um Infektionsketten zu durchbrechen. "Mein Angebot steht", sagte er in der ORF-"ZiB2". Vorwürfe, er hätte während der Coronakrise zu den Ausgangsregeln die Unwahrheit gesagt, wies er zurück.
Nehammer wurde von ZiB2-Moderator Armin Wolf damit konfrontiert, dass laut einem Urteil des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich auch im strengen Corona-Lockdown Privatbesuche nicht untersagt gewesen waren - was gegen die vom Innenminister und auch anderen Ministern immer wieder getätigten Aussagen betreffend der damaligen Ausgangsregeln steht. Das Gericht hatte im Mai eine im März wegen eines Privatbesuches verhängte 600 Euro-Strafe aufgehoben.
Nehammer hatten über Wochen hinweg stets davon gesprochen, dass es nur vier Gründe gebe, um während der Ausgangsbeschränkungen das Haus zu verlassen: Um zur Arbeit zu gehen, um Dinge des täglichen Bedarfs zu besorgen, um sich um Menschen zu kümmern, die Hilfe brauchen oder um rauszugehen (für Spaziergänge oder Sport). Dies sei die "gemeinsame Rechtsauslegung" gewesen, betonte Nehammer.
Dass er und seine Ministerkollegen damit über Wochen die Unwahrheit gesagt hätten, wies Nehammer zurück: Er - und auch der Gesundheitsminister - hätten "nach bestem Wissen und Gewissen die Menschen informiert". "Wenn ein Gericht zu einer anderen Auslegung (der Verordnung, Anm.) kommt, ist das zur Kenntnis zu nehmen. Österreich ist ein Rechtsstaat. Aber ich verwahre mich, das man sagt, dass es Aussagen wider besseren Wissens gegeben hat."
Den Vorwurf, dass er mit seiner Kritik an die rot-grün-regierte Stadt Wahlkampf betreibe, wies Nehammer zuvor zurück. Ihm gehe es nicht um "politische Spielchen", er habe als ÖVP-Generalsekretär genug Wahlkämpfe erlebt. "Mein Bedarf und Bedürfnis nach Wahlkämpfen ist absolut gestillt. Ich stelle nur ein Hilfsangebot an die Stadt Wien."
Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zeigte sich erbost und forderte einen Ordnungsruf von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Man werde sich diesen Umgang nicht gefallen lassen, so der Stadtchef. "Wenn die selbst ernannte Flex des Bundeskanzlers davon spricht, er muss Wien vor einem Tsunami bewahren oder er möchte jetzt einen Wellenbrecher vor Wien errichten, frage ich mich: Aufgrund welcher Indizien, aufgrund welcher Zahlen wird eine solche Terminologie verwendet?", zeigte sich Ludwig in einer Pressekonferenz verärgert.
Er weist zudem wie schon Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) darauf hin, dass nicht das Innenministerium, sondern das Gesundheitsministerium zuständig und damit auch Ansprechpartner für die Stadt sei. "Wir arbeiten mit dem zuständigen Bundesminister Anschober sehr gut zusammen."
Zusammenfassung
- Das Gezänk zwischen Stadt Wien und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) in Sachen Corona-Bekämpfung ist auch am Dienstag nicht abgeklungen.
- Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) versucht sich nun als Streitschlichter und lädt das Innenministerium zur nächsten gemeinsamen Arbeitssitzung zum Infektions-Cluster Wien/Niederösterreich ein.
- Dafür braucht es die Zusammenarbeit aller", so Anschober.