Angeblicher IS-Kämpfer im Zweifel freigesprochen
Einem Schöffensenat fehlten am Ende eindeutige Beweise für den Aufenthalt des Angeklagten auf dem Gebiet des IS. Der Freispruch ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.
Er sei "nicht schuldig" beteuerte der 27-Jährige während des Prozesses. Er sei im Sommer 2014 lediglich in die Türkei gereist, um in Istanbul eine Freundin zu besuchen.
Der Prozess fand unter besonders strengen Sicherheitsvorkehrungen statt. Der 27-Jährige gilt als hochgefährlich, nachdem er während seiner letzten Strafhaft - er weist insgesamt sieben Verurteilungen auf - in der Justizanstalt (JA) Stein eine Justizwachebeamten mit einem Buttermesser attackiert hatte.
Der Angeklagte wurde mit Hand- und Fußfesseln sowie einem um die Leibesmitte fixierten Bauchgurt in den Gerichtssaal gebracht, die Fußfesseln wurden ihm auch während seiner Einvernahme nicht abgenommen.
Drei Spezialkräfte neben Angeklagtem
Direkt neben dem Stuhl, auf dem er Platz nahm, postierten sich in einer Entfernung von nur wenigen Zentimetern drei bewaffnete, maskierte und mit Schutzhelmen versehene Spezialkräfte der Justizwache. Drei weitere Beamte derselben Spezialeinheit befanden sich zusätzlich im Raum, darüber hinaus waren noch etliche Polizeibeamte in Uniform und zivil sowie Verfassungsschützer zugegen. Auch am Gang vor dem Saal hatten Polizisten und Justizwachebeamte mit Sturmgewehren Stellung bezogen.
Es handelte sich um den zweiten Prozess gegen den angeblich nach Österreich zurückgekehrten IS-Kämpfer. Er war am Ende der ersten Verhandlung im September 2018 vom Vorwurf freigesprochen worden, im Juni 2014 über Bulgarien und die Türkei nach Syrien gereist zu sein und sich dort als Kämpfer für den IS betätigt zu haben.
Aufgrund neuer Beweismittel bekam die Staatsanwaltschaft jedoch eine Wiederaufnahme bewilligt, so dass sich der gebürtige nun ein zweites Mal wegen terroristischer Vereinigung und krimineller Organisation verantworten musste.
Zum einen hatte sich ein ehemaliger Mithäftling, mit dem sich der Angeklagte mehrere Monate in der JA Suben eine Zelle geteilt hatte, an dem Verfassungsschutz gewandt und berichtet, der Tschetschene habe ihm erzählt, er habe in Syrien für den IS gegen die Jesiden gekämpft und dabei auch auf Leute geschossen.
Das habe er mit rund 20 Videos untermauert, die er auf seinem Handy hatte und die er hergezeigt habe, behauptete der Zeuge. Auf dem Bildmaterial soll der Tschetschene unter anderem mit einer Kalaschnikow vor zerstörten Häusern zu sehen gewesen sein.
Außerdem habe der Tschetschene "dem IS versprochen, dass er in Europa und auch Österreich definitiv weitermachen wird", hatte der Zeuge zu Protokoll gegeben.
Zum anderen belegt laut Staatsanwaltschaft ein Datenblatt der IS-Grenzpolizei die Einreise des Angeklagten nach Syrien und seine Anwesenheit in der nordsyrischen Stadt Jarabulus, wo er der Anklageschrift zufolge sich terroristisch betätigt haben soll, "sei es dadurch, dass er in den bewaffneten Dschihad zog oder sonstige Hilfstätigkeiten (als Sanitäter, Arzt bzw. andere Berufe) ausübte und als Mitglied des ausgerufenen Kalifats auf dessen Gebiet als Bewohner lebte und gesellschaftliche Aufgaben übernahm".
Zusammenfassung
- Ein 27-Jähriger ist am Wiener Landesgericht im Zweifel vom Vorwurf freigesprochen worden, 2014 nach Syrien gereist zu sein, sich dort dem IS angeschlossen und auf Seiten der radikalislamistischen Terror-Miliz gekämpft zu haben.
- Einem Schöffensenat fehlten am Ende eindeutige Beweise für den Aufenthalt des Angeklagten auf dem Gebiet des IS.
- Der Freispruch ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.